Die Feynman-Vorlesungen über Physik (Originaltitel englisch The Feynman Lectures on Physics) sind eine 1964 bei Addison-Wesley erschienene Sammlung von Vorlesungen, die der spätere Nobelpreisträger Richard Feynman[1] von 1961 bis 1963 (mit einer kurzen „Reprise“ 1964)[2] am California Institute of Technology (Caltech) für Studenten der unteren Semester hielt.[3]
Das Lehrwerk besteht aus drei Bänden, die in sich geschlossen jeweils ein größeres Themengebiet abhandeln. Behandelt werden Themen aus den Gebieten Mathematik, Elektromagnetismus, Klassische Mechanik, Statistische Mechanik und Thermodynamik, Quantenphysik sowie das Verhältnis der Physik zu den anderen Naturwissenschaften. Vor der Veröffentlichung wurden die Vorlesungen von Feynman selbst und von Matthew Sands und Robert B. Leighton für die Darstellung in Buchform überarbeitet.[4] Die Bücher wurden bis 2010 über eine Million Mal verkauft.[5][6] Es gibt Übersetzungen in rund ein Dutzend Sprachen.[7] Seit ca. 2013 sind die Bücher online lesbar (New Millennium Edition) und durch Caltech, Michael A. Gottlieb[8] und Rudolf Pfeiffer[9] verfügbar gemacht.[10] Mit lesbar ist gemeint, dass weiterhin ein Kopierrecht besteht (Hachette Book Group), jedoch sind die Bücher frei "zu lesen, anzuschauen oder anzuhören."[11]
Den Erfolg der Serie beschreibt Rob Phillips zum 50ten Jubiläum als: "Feynmans Physik handelt von Einfachheit, Schönheit, Einheit und Analogie, präsentiert mit Enthusiasmus und Einsicht."[12]
Eine Auswahl leichter verständlicher Kapitel wurde später für Leser ohne physikalische Vorkenntnisse als Sechs physikalische Fingerübungen und Physikalische Fingerübungen für Fortgeschrittene veröffentlicht.[13]
Dass mit Richard Feynman ein damals schon weltberühmter Physiker an seiner Universität die Anfängervorlesungen übernahm, ist Teil der Reaktion des US-amerikanischen Bildungswesens auf den Sputnikschock. Wie er in seinem Vorwort erläutert, ging er bei den Physikstudenten von großer Neugier auf die moderne Physik aus. Sie sollten die spannenden Gebiete wie Relativitätstheorie und Quantenmechanik daher bereits in den ersten Semestern kennenlernen, nicht wie traditionell sonst üblich erst nach langem Studium der klassischen Physik.[4]
Die Idee, dass Feynman diese Vorlesungen selbst halten sollte, stammt von Matthew Sands. Auch der Vorschlag, die Vorträge aufzuzeichnen und später als Lehrbuch für ähnlich ausgerichtete Kurse zu verwenden, geht auf den späteren Stanford-Professor zurück. Jedoch unterschätzten sie den Aufwand für die redaktionelle Überarbeitung, die Robert Leighton zufolge pro Vorlesung etwa zehn bis zwanzig Stunden in Anspruch nahm.[14]
Die Vorlesungen wurden zweimal wöchentlich in einem großen Hörsaal vor rund 180 Studenten gehalten, die den Stoff anschließend in Übungsgruppen von 15 bis 20 Studenten unter Leitung von Assistenten vertieften.[15] Zusätzlich zu den Vorlesungen bestand der Kurs aus Übungen und Experimenten, die jedoch in den Büchern nicht enthalten sind.[14] Sie wurden aber in Teilen ebenfalls veröffentlicht.[16] Nach Feynman waren die Vorlesungen in keinster Weise als Übersichtskurs gedacht, sondern sollten sich an die Intelligentesten der Klasse richten, und auch diese sollten nicht alles vollständig auf Anhieb erfassen können, zumal Feynman vieles nur andeutete.[15][17] Für die weniger aktiven Studenten wollte er wenigstens den zentralen Kern und das Rückgrat des Stoffes deutlich machen.
Es wurde berichtet, dass einerseits viele der Studenten vor den anspruchsvollen Gedankengängen und Aufgaben doch kapitulierten und zunehmend den Vorlesungen fernblieben, dass Feynman aber gar keine Abnahme der Zuhörerschaft bemerken konnte, weil mehr und mehr ältere Physiker kamen, um sich von der inhaltlich und formal mitreißenden und unkonventionellen Darstellung ihres Fachs begeistern zu lassen.[18]
Feynman sagte 1963 im Vorwort über die Lektionen (übersetzt aus dem Englischen): "Das ganze Ding war im Grunde ein Experiment. Und wenn ich es nochmals tun sollte würde ich es nicht auf die gleiche Weise machen - Ich hoffe ich muss es nicht noch einmal machen !" (englisches Original: The whole thing was essentially an experiment. And if I did it again I wouldn’t do it the same way—I hope I don’t have to do it again!)[19] Als Hauptproblem der Form der Vorlesung sah Feynman den fehlenden Kontakt zu den Studenten, die ihm nicht genau klar machte, wie die Vorlesungen ankamen.[15] Ursprünglich war vorgesehen, im zweiten Jahr eine gründlichere Einführung in die mathematischen Methoden der Physik zu geben, was aber dann zugunsten einer Vorlesung über Quantentheorie aufgegeben wurde, Feynman meinte aber rückblickend, das er bei einer erneuten Einführungsvorlesung dem ursprünglichen Plan folgen würde, da die Quantenmechanik für Physikstudenten im Hauptfach auch im dritten Jahr behandelt werden könnte.[15] Über den Erfolg äußerte er sich im Vorwort von 1963 pessimistisch (I don't think I did very well with the students, Still I didn`t want to leave any student completely behind, as perhaps I did), auch wenn diese Einschätzung nach Feynman von der Mehrzahl seiner Assistenten, die direkt mit den Studenten Kontakt hatten, nicht geteilt wurde, und er sah nach dem Ergebnis der Bearbeitung der Übungsaufgaben das „Experiment“ für die Mehrzahl der Studenten als Fehlschlag an, bis auf vielleicht ein oder zwei Dutzend Studenten.[15]
Der erste Band (Originaltitel: {{Modul:Vorlage:lang}} Modul:Multilingual:149: attempt to index field 'data' (a nil value)) umfasst die Vorlesungen der ersten zwei Semester.[14] Nach einer allgemeinen Einführung in die Physik (etwa Zeit, Geschwindigkeit oder auch Wahrscheinlichkeit) geht Feynman auf die verschiedenen Aspekte der Mechanik ein, was einen Großteil des Bands in Anspruch nimmt. Anschließend widmet er sich der Optik (etwa Interferenz und Polarisation, Farbsehen und Optik des menschlichen Auges), behandelt die Relativitätstheorie einschließlich der Strahlung einer beschleunigten elektrischen Ladung und gibt zum Abschluss eine kurze Einführung in die Thermodynamik und statistische Mechanik, einschließlich Brownscher Bewegung und Irreversibilität sowie einer kurzen Einführung in die Wahrscheinlichkeitstheorie. Ausführlich behandelt werden auch Schwingungsphänomene, die Wellengleichung in unterschiedlichen Anwendungsgebieten (Wasserwellen, Akustik) und der Zusammenhang von Symmetrien und Erhaltungssätzen. Feynman gibt auch eine kurze Einführung in die Quantentheorie.
Eine Vorlesung über Trägheitsnavigation (inertial guidance) im Anschluss an die Behandlung rotierender Systeme fehlt in der gedruckten Version ebenso wie drei Vorlesungen über das Lösen von Übungsaufgaben.[15] In den archivierten Audio-Mitschnitten der Vorlesungen sind fünf Vorlesungen, die nicht in die Feynman Lectures aufgenommen wurden. Neben den erwähnten vier Vorlesungen gab es eine Vorlesung vom März 1964 über die geometrische Ableitung der Keplerbewegung, wie sie Newton hätte geben können. Sie wurde später von David und Judith Goodstein herausgegeben (Feynmans verschollene Vorlesung: Die Bewegung der Planeten um die Sonne).[20][21]
Die fünfte und sechste Vorlesung sind von Matthew Sands gehalten, da Feynman verreist war.[15]
Der zweite Band (Originaltitel: {{Modul:Vorlage:lang}} Modul:Multilingual:149: attempt to index field 'data' (a nil value)) enthält die Vorlesungen des dritten Semesters und damit eine umfassende Betrachtung der Elektrizität und des Magnetismus.[22] Gleichzeitig wird eine Einführung in die Vektoranalysis und Tensorrechnung gegeben und speziell Wellenleiter, Teilchenbeschleuniger, atmosphärische Elektrizität (Blitze) und Kristallgitter behandelt. Außerdem werden die Kontinuumsmechanik (Elastizitätstheorie und Hydrodynamik) behandelt. Elektromagnetische Strahlungsphänomene sowie Optik wurden auch schon im ersten Band behandelt. Kapitel 42 enthält eine kurze Einführung in die allgemeine Relativitätstheorie.
Der abschließende dritte Band (Originaltitel: {{Modul:Vorlage:lang}} Modul:Multilingual:149: attempt to index field 'data' (a nil value)) gibt eine Einführung in die Quantenmechanik. Unter anderem behandelt Feynman den Spin, Zweizustandssysteme (mit dem Maser als Anwendungsbeispiel) und Wellenfunktionen. Als letztes Kapitel enthält der Band die Textfassung eines Seminars, das den Josephson-Effekt der Supraleitung als makroskopisches Quantenphänomen mit der Schrödingergleichung behandelt (Kapitel 21). Es werden auch Anwendungen in der Festkörperphysik (Bandstruktur) und Halbleiter behandelt. Eine (zur damaligen Zeit) Besonderheit von Feynmans Behandlung der Quantenmechanik ist seine konsequente Verwendung des Bra-Ket-Formalismus von Paul Dirac (einschließlich Verhalten unter Drehungen über Wignersche D-Matrizen). Das ermöglichte es ihm die Quantenmechanik auch ohne mathematische Kenntnis partieller Differentialgleichungen zu behandeln, zumal er auch Studenten erreichen wollte, die noch nicht so weit vorgebildet waren und Physik nicht im Hauptfach studierten.[15] Er sah sich darin aber nicht ganz erfolgreich, da ihm am Ende nicht genug Zeit blieb und bestimmte Themen wie Energiebänder oder räumliche Abhängigkeit von Amplituden genauer zu behandeln.[15]
In Kapitel 4-1[23] schreibt Feynman, dass er keine elementare Ableitung für das Spin-Statistik-Theorem gefunden hat (nach Feynman ein Zeichen dafür, dass das Theorem bis dahin nicht richtig verstanden war und es tief in der relativistischen Quantenmechanik verwurzelt war). Er kam darauf später in seinen Dirac Memorial Lectures von 1986 noch einmal zurück in einem erneuten Anlauf, eine „einfache“ Antwort zu finden.[24]
Eine zweisprachige deutsch-englische Ausgabe in fünf Bänden erschien 1973. Die Bände 1 und 2 der englischen Ausgabe wurden dabei in zwei Teilbände aufgeteilt.
Der Band 1-1 entspricht in der Kapitelfolge dem Band 1 der Millenium-Ausgabe. Band 1-2 entspricht Band 2 der Milleniumausgabe, nur sind in der Ausgabe von 1973 die Kapitel von Band 1-1 fortgezählt (von Kapitel 26 Optik bis Kapitel 52 Symmetrie in physikalischen Gesetzen). Der ebenfalls in zwei Teilen erschienene zweite Band hat ebenfalls fortlaufende Kapitelzählung und entspricht im ersten Teil (2-1) den ersten 21 Kapiteln des Bandes 3 der Millenium-Ausgabe, die andererseits aber noch zusätzlich die Kapitel 22 bis 29 aus Teil (2-2) von 1973 enthält, da diese inhaltlich zum Elektromagnetismus und dessen Anwendungen gehören. Teil 2-2 (Kapitel 22 Wechselstromschaltungen bis 42 Der gekrümmte Raum) der Ausgabe von 1973 umfasst damit außer diesem Teil von Band 3 der Millenium Ausgabe noch den Band 4. Im dritten Band der Ausgabe von 1973 zur Quantentheorie besteht kein Unterschied.
Die aktuelle deutschsprachige New Millennium Edition ist in sechs Bücher (fünf Lektionen plus Tipps) aufgeteilt, inhaltlich jedoch nahezu identisch mit ihrer Vorgängerausgabe. Die New Millennium Edition (Englisch) ist weiterhin in drei Bücher aufgeteilt, siehe unter Ausgaben. Die Fassung wird aktuelle vom De Gruyter Verlag angeboten, der den Oldenbourg Verlag übernommen hatte.
Die Kapitel sind sortiert nach der aktuellen New Millennium Edition (siehe Ausgaben), 2015 durch Verlag De Gruyter:
In seinen 35 Jahren am Caltech gab Feynman 34 registrierte Kurse, davon 25 für Fortgeschrittene (Graduates).[2] Undergraduates durften allerdings teilnehmen wenn sie um Erlaubnis fragten (was häufig genehmigt wurde). Die Feynman Lectures blieben seine einzige Vorlesung für Anfänger, gelegentlich hielt er aber auch später unangemeldete Gastvorträge in den Anfängervorlesungen (unangemeldet damit der Hörsaal nicht überfüllt wurde).
Es gibt auch noch weitere veröffentlichte Vorlesungsausarbeitungen von Feynman:
(gebundene Ausgabe mit den Tipps zur Physik bei Oldenbourg 2009, ISBN 978-3-486-58989-4.)
Hinweis: Es existieren zwei URLs zum Feynman (Stand 2021): Die Domain http://www.feynmanlectures.info leitet direkt auf Caltech http://www.feynmanlectures.caltech.edu um.