Mikrokanonisches Ensemble

Mikrokanonisches Ensemble

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Das mikrokanonische Ensemble beschreibt in der statistischen Physik ein System mit festgelegter Gesamtenergie im thermodynamischen Gleichgewicht. Es unterscheidet sich vom kanonischen Ensemble, denn dieses beschreibt ein System, dessen Energie fluktuieren kann, weil es thermischen Kontakt zu einer Umgebung mit festgelegter Temperatur hat.

Die einzige Information über ein Quantensystem sei, dass die Gesamtenergie E=H^ gleich E0 bzw. aus dem Intervall [E0,E0+ΔE] mit ΔEE ist, wobei die Zustände mit von außen vorgegebenen Parametern, wie Volumen und Teilchenzahl, verträglich sein müssen. Dies entspricht einem System innerhalb eines total abgeschlossenen Kastens (kein Energie- oder Teilchenaustausch mit der Umgebung, keine äußeren Felder). Das Potential außerhalb des Kastens ist unendlich, wodurch der Hamilton-Operator nur diskrete Energie-Eigenwerte besitzt und die Zustände abzählbar sind.

Quantenmechanisch

Im Gleichgewicht ändert sich der Dichteoperator des Systems nicht ρ^t=0. Nach der Von-Neumann-Gleichung ρ^t=i[H^,ρ^] vertauscht im Gleichgewicht der Dichteoperator mit dem Hamiltonoperator (Kommutator gleich Null). Daher lassen sich gemeinsame Eigenzustände wählen, d. h. die Energieeigenzustände von H^ sind auch Eigenzustände von ρ^.

Man schränkt den Hilbertraum H auf einen Teilraum ein, der von den Zustandsvektoren mit Eigenwert E0 aufgespannt wird (Eigenraum). Sei {|E,n} ein vollständiges Orthonormalsystem (VONS), nämlich die Eigenzustände des Hamiltonoperators H^|E,n=E|E,n, so wird der Unterraum HE0 von den Basisvektoren |E,n aufgespannt, für die E=E0. Die Energie E0 ist im Allgemeinen entartet (deswegen ist ein Zustand nicht eindeutig durch Angabe von E bestimmt, sondern eine weitere Quantenzahl n ist nötig); der Entartungsgrad g entspricht der Dimension des Unterraums dimHE0.

Der Hamiltonoperator H^ kann nicht zwischen den g Basiszuständen zu E0 unterscheiden (Entartung); da H^ keinen Basiszustand bevorzugt, wird somit jedem Basiszustand a priori dieselbe Wahrscheinlichkeit 1/g zugeordnet: Nach der Maximum-Entropie-Methode ist das System durch den Zustand zu beschreiben, welcher die Entropie maximiert. Die Entropie wird genau dann maximal, wenn jeder Basisvektor die gleiche Wahrscheinlichkeit 1/dimHE0 hat.

Daher ergibt sich der Dichteoperator des mikrokanonischen Ensembles zu

ρ^E0=1Zm(E0)n=1dimHE0|E0,nE0,n|

mit der mikrokanonischen Zustandssumme (oft auch mit Ω bezeichnet)

Zm(E0)=dimHE0=Tr(n=1dimHE0|E0,nE0,n|),

wobei die Spur eines Operators folgendermaßen definiert ist: Tr(O)=mm|O|m für beliebiges VONS {|m} von H

Dass jeder Energieeigenzustand mit Energie E0 dieselbe Wahrscheinlichkeit besitzt, ist die grundlegende Annahme der Gleichgewichts-Statistik. Aus ihr können alle Gleichgewichtseigenschaften für abgeschlossene oder offene Systeme hergeleitet werden (z. B. kanonisches oder großkanonisches Ensemble).

Klassisch

Analog ergibt sich der klassische mikrokanonische Gleichgewichtszustand für N Teilchen (Phasenraumdichte)

ρE0(x1,p1,,xN,pN)=1Zm(E0)δ(E0H(q1,p1,,qN,pN))

mit der klassischen mikrokanonischen Zustandssumme (Gesamtzahl der zugänglichen Mikrozustände, die dieselbe Gesamtenergie E0 besitzen)

Zm(E0)=R6Ndτδ(E0H(q1,p1,,qN,pN))

mit dτ=1ξh3Nd3q1d3p1d3qNd3pN

wobei für N identische Teilchen der Faktor ξ=N! die Mehrfachzählung ununterscheidbarer Teilchen verhindert,

und für n verschiedene Teilchensorten mit N1,,Nn Teilchenzahlen und i=1nNi=N der Faktor ξ=N1!Nn!.

Die mikrokanonische Zustandssumme Zm lässt sich als Oberfläche der Energie-Hyperfläche HE=0 auffassen und ist somit die Ableitung des Volumens der Energieschale Γm(E):

Γm(E)=R6NdτΘ(EH)Zm=dΓ(E)dE,

wobei Θ die Heaviside-Funktion darstellt.

Führt man Koordinaten τE auf der (6N1)-dimensionalen Energieschale ein und eine Koordinate τ, die senkrecht dazu steht, und zerlegt die Hamiltonfunktion H(q,p)=H(τE)+|H|τ mit H(τE)=E, so lässt sich die Zustandssumme als Oberflächenintegral schreiben:

Zm(E)=R6N1dτERdτδ(EH(τE)|H|τ)|H|1δ(τ)=R6N1dτE1|H|.

Der Gradient der Hamiltonfunktion H=(Hq,Hp) steht senkrecht zur Geschwindigkeit im Phasenraum v=(q˙,p˙)=(Hp,Hq), also vH=0, sodass die Geschwindigkeit stets tangential zur Energieschale steht. Beide sind aber betragsmäßig identisch: |v|=|H|. Somit ist Zm die Summe der Oberflächenelemente geteilt durch die Geschwindigkeit im Phasenraum, sodass Bereiche mit hoher Geschwindigkeit weniger zum Integral beitragen (siehe auch: Ergodenhypothese).

Entropie

Die Entropie kann man durch die Zustandssumme ausdrücken:

S(ρ^E0)=kBln[Zm(E0)]

Dies lässt sich aus der Definition der Entropie herleiten, wobei die Zustandssumme gleich Zm(E0)=dimHE0=g ist.

S(ρ^E0)=kBlnρ^E0=kBTr[ρ^E0lnρ^E0]=kBE,mE,m|ρ^E0lnρ^E0|E,m=kBE,mE,m|n=1g|E0,n1gE0,n|ln(n=1g|E0,n1gE0,n|)|E,m=kBn=1g1gln(1g)=kBln(1g)=kBln(g)

Thermodynamik

Die Entropie ist von der Gesamtenergie E0 (im Folgenden E genannt), vom Volumen V und der Teilchenzahl N abhängig (weil der Hamiltonoperator von V und N abhängig ist): S(E,V,N). Die Gesamtenergie wird in der Thermodynamik meist innere Energie genannt. Nun werden die Ableitungen der Entropie untersucht.

Temperatur

Bringt man zwei abgeschlossene Systeme in schwachen thermischen Kontakt, dann kann pro Zeiteinheit nur wenig Energie ausgetauscht werden, so dass die Teilsysteme etwa im Gleichgewicht bleiben und die Entropie des Gesamtsystems sich additiv schreiben lässt: Sges=S1+S2. Die Gesamtenergie bleibt stets konstant Eges=E1+E2. Nimmt die Energie des einen Systems zu, so muss im gleichen Maß die des anderen abnehmen: dE1=dE2. Durch Energieaustausch wird das Gleichgewicht des Gesamtsystems erreicht, dort nimmt die Gesamtentropie ein Maximum ein:

0=dSges=S1E1dE1+S2E2dE2=(S1E1S2E2)dE1S1E1=S2E2

Im Gleichgewicht werden die Ableitungen der Entropie nach der Energie für die Teilsysteme gleich groß. Man definiert hierüber die Temperatur:

1T:=(SE)N,VT:=(ES)N,V

Somit werden im Gleichgewicht die Temperaturen beider Teilsysteme gleich groß.

Druck

Der Druck wird definiert über

p:=H^V=(EV)S,N

also die isentrope (S=const) Energieänderung pro Volumen. Die Entropie S(E(V,N),V,N) wird nach dem Volumen differenziert:

0=dSdV=(EV)S,N(SE)N,V+(SV)E,N=p1T+(SV)E,N

Somit erhält man

(SV)E,N=pT

Chemisches Potential

Das chemische Potential wird definiert über

μ:=H^N=(EN)S,V

also die isentrope Energieänderung pro Teilchen. Die Entropie S(E(V,N),V,N) wird nach der Teilchenzahl differenziert:

0=dSdN=(EN)S,V(SE)N,V+(SN)E,V=μ1T+(SN)E,V

Daraus folgt

(SN)E,V=μT

Allgemein lässt sich festhalten: Ist der Hamiltonoperator von einem äußeren Parameter a abhängig (z. B. Volumen oder Teilchenzahl), so ist die Ableitung der Entropie nach a bei konstanter Energie gleich:

(Sa)E=1TH^a

Thermodynamisches Potential

Zusammenfassend lassen sich die Ableitungen nach Energie, Volumen und Teilchenzahl darstellen:

1T(1pμ)=(EVN)S(E,V,N)

Das totale Differential der Entropie lautet:

dS=1TdE+pTdVμTdN

Die Entropie S(E,V,N) lässt sich nach der Energie auflösen E(S,V,N). Die Energie ist das thermodynamische Potential der Mikrokanonik. Mit ihm lassen sich die obigen Ableitungen kompakt als Gradient des Potentials schreiben:

(Tpμ)=(SVN)E(S,V,N)

Das totale Differential der Energie lautet somit:

dE=TdSpdV+μdN

Dies ist die Fundamentalgleichung der Thermodynamik.

Beispiele

Ideales Gas

Ein Beispiel eines mikrokanonisch präparierten Systems, das mit den klassischen Methoden berechnet werden kann, ist das ideale Gas; Herleitung unter Sackur-Tetrode-Gleichung.

Ungekoppelte Oszillatoren

Ein weiteres Beispiel ist ein System aus N nicht-wechselwirkenden gleichartigen harmonischen Oszillatoren. Deren Gesamt-Hamiltonoperator ist

H^=i=1Nω(n^i+12)

wobei n^i der Besetzungszahloperator des i-ten Oszillators ist. Zu gegebener Gesamtenergie

E=i=1Nω(ni+12)=ω(i=1Nni+N2)n:=i=1Nni=EωN2

soll nun die Zustandssumme berechnet werden. Diese ist gleich dem Entartungsgrad zur Energie E bzw. gleich der Anzahl der Möglichkeiten n ununterscheidbare Energiequanten auf N mehrfach besetzbare Oszillatoren zu verteilen bzw. der Anzahl der Möglichkeiten n ununterscheidbare Energiequanten auf N+n1 einfach besetzbare Oszillatoren zu verteilen (das kombinatorische Problem n ununterscheidbare Kugeln auf N mehrfach besetzbare Töpfe zu verteilen ist äquivalent zur Aufgabe n ununterscheidbare Kugeln und (N1) ununterscheidbare Innenwände in einer Reihe anzuordnen):

Zm=(N+n1n)=(N+n1)!n!(N1)!

Hieraus lässt sich die Entropie berechnen:

S=kBln(Zm)=kB{ln((N+n1)!)ln(n!)ln((N1)!)}

Für große N und n kann man den Logarithmus der Fakultät mit der Stirling-Formel bis zur ersten Ordnung ln(N!)Nln(N)N entwickeln und außerdem die 1 gegenüber der riesigen Zahl N vernachlässigen:

S=kB{(N+n1)ln(N+n1)nln(n)(N1)ln(N1)}=kB{(N+n)ln(N+n)nln(n)Nln(N)}

Umsortieren und Verwenden von ϵ:=ENω=nN+12 liefert die Entropie, die wegen des Vorfaktors N extensiv ist (n/N und ϵ sind nämlich intensiv):

S=NkB{(nN+1)ln(nN+1)(nN)ln(nN)}=NkB{(ϵ+12)ln(ϵ+12)(ϵ12)ln(ϵ12)}

Nun kann die Temperatur berechnet werden:

1T=SE=ϵESϵ=kBωlnϵ+12ϵ12=kBωlnE+Nω2ENω2>0

Für ENω2 (der minimalen Gesamtenergie) ist die Temperatur T=0 und steigt streng monoton mit der Energie an. Für große E geht die Temperatur asymptotisch gegen T=ENkB+O(E1).

Schließlich kann man noch nach der Energie auflösen. Die Energie steigt monoton mit der Temperatur an:

E=Nω{12+1exp(ωkBT)1}Nω2

Für T0 ist die Gesamtenergie E=Nω2 und steigt streng monoton mit der Temperatur an. Für große T geht die Energie asymptotisch gegen E=NkBT+O(T1).

Das chemische Potential ist:

μ=TSN=kBT2ln[(ϵ+12)(ϵ12)]=ω2ln(ϵ+12)+ln(ϵ12)ln(ϵ+12)ln(ϵ12)=kBTln[exp(ωkBT)1]ω2ω2

Für ENω2 bzw. T0 ist das chemische Potential μ=ω2 und fällt streng monoton mit der Energie bzw. mit der Temperatur. Für große E bzw. T wird das chemische Potential negativ und geht asymptotisch gegen μ=ENlnENω+O(E1) bzw. μ=kBTlnkBTω+O(T1).

Literatur

Wikibooks: Statistische_Mechanik/_Mikrokanonische_Ensemble – Lern- und Lehrmaterialien
  • Balian: From Microphysics to Macrophysics 1. Springer-Verlag, Berlin, 2. Auflage 2006, ISBN 3-540-45469-1
  • Schwabl: Statistische Mechanik. Springer-Verlag, Berlin, 3. Auflage 2006, ISBN 978-3-540-31095-2