Gittereichtheorie: Unterschied zwischen den Versionen

Gittereichtheorie: Unterschied zwischen den Versionen

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Eine '''Gittereichtheorie''' ist eine [[Eichtheorie]], die auf einer [[Diskretisierung|diskreten]] [[Raumzeit]] definiert wird. Gittereichtheorien gehören zu den wenigen Möglichkeiten, nicht-[[Störungstheorie (Quantenfeldtheorie)|störungstheoretische]] Berechnungen in [[Quantenfeldtheorie]]n durchzuführen.
Eine '''Gittereichtheorie''' ist eine [[Eichtheorie]], die auf einer [[Diskretisierung|diskreten]] [[Raumzeit]] definiert wird. Gittereichtheorien gehören zu den wenigen Möglichkeiten, nicht-[[Störungstheorie (Quantenfeldtheorie)|störungstheoretische]] Berechnungen in [[Quantenfeldtheorie]]n anzustellen.


Die Grundidee ist, durch Einführen eines minimalen Abstandes in [[Minkowski-Raum|Raum und Zeit]] die Theorie zu [[Regularisierung|regularisieren]], sodass bei hohen Energien keine [[Divergenz]]en mehr auftreten. Dieser minimale Abstand entspricht einer Abschneideenergie (engl. Cut-Off) im [[Impulsraum]]. Eine stete Verkleinerung des minimalen Gitterabstandes entspricht dem Übergang zur ursprünglichen Theorie im [[Kontinuum (Physik)|kontinuierlichen Raum]] durch Entfernen der höchsten Energien im Impulsraum.  
Besondere Bedeutung erlangte die Methode im Rahmen der [[Quantenchromodynamik]]&nbsp;(QCD). Weil die Gitterregularisierung eine nicht-störungstheoretische [[Renormierung#Regularisierung|Regularisierung]] ist, kann man in Gittereichtheorien auch Berechnungen für niedrige Energien durchführen, die für die Störungstheorie nicht zugänglich sind. Dadurch lassen sich u.&nbsp;a. die Massen von [[Hadron]]en, d.&nbsp;h. [[Gebundener Zustand|gebundenen]] [[Quark (Physik)|Quark]]<nowiki />zuständen, von thermodynamischen Größen oder von wichtigen [[Topologie (Mathematik)|topologischen]] [[Anregungszustand|Anregungen]] ([[Monopol (Physik)|Monopole]], [[Instanton]]en und [[Soliton]]en) untersuchen.


Um Simulationen von Gittereichtheorien auf Computern zu ermöglichen, wird in der Regel zusätzlich eine [[Wick-Rotation]] durchgeführt, wodurch man zum [[Euklidischer Raum|Euklidischen Raum]] übergeht. Dann existiert eine Verwandtschaft zur [[Statistische Physik|statistischen Physik]], und es kann das mächtige Werkzeug der [[Monte-Carlo-Simulation]] herangezogen werden.
Neben der&nbsp;QCD werden auch andere Eichtheorien und [[Spin]]systeme auf dem Gitter untersucht, insbesondere solche mit nichtabelscher Eichgruppe (allgemeine [[Yang-Mills-Theorie]]n analog zur QCD).


Besondere Bedeutung erlangte die Methode im Rahmen der [[Quantenchromodynamik]] (QCD), sodass man, wenn nichts anderes gesagt ist, meistens die Gitter-QCD im Auge hat. Weil die Gitterregularisierung eine nicht-störungstheoretische Regularisierung ist, kann man in Gittereichtheorien auch Berechnungen für niedrige Energien durchführen, die für die Störungstheorie nicht zugänglich sind. Dadurch lassen sich u.&nbsp;a. die Massen von [[Hadron]]en, d.&nbsp;h. gebundenen Quarkzuständen, von thermodynamischen Größen oder von wichtigen [[Topologie (Mathematik)|topologischen]] Anregungen ([[Monopol (Physik)|Monopole]], [[Instanton]]en und [[Soliton]]en) untersuchen.  
== Idee ==
Die Grundidee ist, durch Einführen eines minimalen Abstandes in Raum und Zeit (siehe [[Minkowski-Raum]]) die Theorie zu regularisieren, sodass bei hohen Energien keine Divergenzen mehr auftreten. Dieser minimale Abstand entspricht einer Abschneideenergie (engl. ''Cut Off'') im [[Impulsraum]]. Eine stete Verkleinerung des minimalen Gitterabstandes entspricht dem Übergang zur ursprünglichen Theorie im [[Kontinuum (Physik)|kontinuierlichen Raum]] durch Entfernen der höchsten Energien im Impulsraum.


Neben der QCD werden auch  andere Eichtheorien und Spinsysteme auf dem Gitter untersucht, insbesondere solche mit nichtabelscher Eichgruppe (allgemeine [[Yang-Mills-Theorie]]n analog zur QCD).
Um Simulationen von Gittereichtheorien auf Computern zu ermöglichen, wird in der Regel zusätzlich eine [[Wick-Rotation]] ausgeführt, wodurch man zum [[Euklidischer Raum|Euklidischen Raum]] übergeht. Dann existiert eine Verwandtschaft zur [[Statistische Physik|statistischen Physik]], und es kann das mächtige Werkzeug der [[Monte-Carlo-Simulation]] herangezogen werden.


== Formulierung ==
== Formulierung ==
 
Die 1974 von [[Kenneth Wilson]] eingeführte Gittertheorie der Quantenchromodynamik diskretisiert die Wirkung der&nbsp;QCD auf einem vierdimensionalen [[Kubisches Gitter|kubischen Gitter]] <math>\Lambda (a)</math> mit Gitterabstand <math>a</math>. Ein wichtiges Prinzip bei Wilsons Konstruktion dieser Gittertheorie ist, dass ihre Wirkung auch bei endlichem Gitterabstand explizit eichinvariant ist. Des Weiteren ist die Wilson-Wirkung so gewählt, dass sich im Grenzwert <math>a \rightarrow 0</math> die Kontinuumswirkung ergibt. Üblicherweise betrachtet man die Formulierung für den Eichsektor separat von derjenigen für Fermionen, da die Übertragung der [[Chirale Symmetrie|chiralen Symmetrie]] der Fermionfelder auf das Gitter ein eigenes Problem darstellt.
Die 1974 von [[Kenneth Wilson]] eingeführte Gittertheorie der Quantenchromodynamik diskretisiert die Wirkung der QCD auf einem vierdimensionalen [[Kubisches Gitter|kubischen Gitter]] <math>\Lambda (a)</math> mit Gitterabstand <math>a</math>. Ein wichtiges Prinzip bei Wilsons Konstruktion dieser Gittertheorie ist, dass deren Wirkung auch bei endlichem Gitterabstand explizit eichinvariant ist. Des Weiteren ist die Wilson-Wirkung so gewählt, dass sich im Grenzwert <math> a\rightarrow 0</math> die Kontinuumswirkung ergibt. Üblicherweise betrachtet man die Formulierung für den Eichsektor separat von derjenigen für Fermionen, da die Übertragung der chiralen Symmetrie der Fermionfelder auf das Gitter ein eigenes Problemfeld darstellt.


=== Reine Eichtheorie ===
=== Reine Eichtheorie ===
Für die Diskretisierung der [[Yang-Mills-Theorie|Yang-Mills-Wirkung]], die die Dynamik der [[Eichboson]]en beschreibt, definiert man Linkvariablen <math>U_\mu</math>, welche benachbarte Gitterpunkte verbinden (Englisch ''link''):


Für die Diskretisierung der [[Yang-Mills-Theorie|Yang-Mills-Wirkung]], die die Dynamik der Eichbosonen beschreibt, definiert man sogenannte Linkvariablen <math>U_\mu</math>, welche benachbarte Gitterpunkte verbinden,
:<math>U_\mu = \exp \left( iaA_\mu \left( n + \frac{\hat\mu}2 \right) \right).</math>
 
:<math>U_\mu = \exp \left(iaA_\mu\left(n+\frac{\hat\mu}{2}\right)\right).</math>


Hierbei sind die [[Eichfeld]]er <math>A_\mu</math> Elemente der adjungierten Darstellung der Algebra der [[Eichtheorie|Eichgruppe]] der QCD, [[Spezielle unitäre Gruppe|SU]](3). Die Linkvariablen <math>U_\mu</math> selbst Elemente der Eichgruppe, also SU(3)-Matrizen, die jeweils zwei benachbarte Gitterpunkte verbinden. Im Sinne der Differentialgeometrie können sie als endlicher [[Paralleltransport]] aufgefasst werden.
Hierbei sind
* die Eichfelder <math>A_\mu</math> Elemente der [[Adjungierte Darstellung|adjungierten Darstellung]] der Algebra der Eichgruppe der&nbsp;QCD, [[Spezielle unitäre Gruppe|SU]](3)
* die Linkvariablen <math>U_\mu</math> Elemente der [[Eichgruppe]], also SU(3)-Matrizen, die jeweils zwei benachbarte Gitterpunkte verbinden; im Sinne der [[Differentialgeometrie]] können sie als endlicher [[Paralleltransport]] aufgefasst werden.


Der Eichfeldanteil der Wirkung lässt sich nun als die [[Spur_(Mathematik)|Spur]] über geschlossene Schleifen von Linkvariablen darstellen. Jede Spur über solche [[Wilson-Loop]]s ist eichinvariant. Eine einfache Eichwirkung kann daher wie folgt geschrieben werden:
Der Eichfeldanteil der [[Wirkung (Physik)|Wirkung]] <math>S</math> lässt sich nun als die [[Spur (Mathematik)|Spur]] über geschlossene Schleifen von Linkvariablen darstellen. Jede Spur über solche [[Wilson-Loop]]s ist eichinvariant. Eine einfache Eichwirkung kann daher geschrieben werden als:


:<math>S_G[U] = \frac{2}{g^2}\sum_{n\in\Lambda}\sum_{\mu<\nu}\operatorname{Re}\;\operatorname{tr}\left(1-U^{(4)}_{\mu\nu}(n)\right).</math>
:<math>S_G[U] = \frac{2}{g^2}\sum_{n\in\Lambda}\sum_{\mu<\nu}\operatorname{Re}\;\operatorname{tr}\left(1-U^{(4)}_{\mu\nu}(n)\right).</math>


Hierbei sind die <math>U^{(4)}_{\mu\nu}</math> (die sogenannten [[Plakette]]n-Variablen) definiert als die zu kleinsten geschlossenen Rechteck-Schleifen gehörigen Größen<ref>Die Definition der Plakettenvariablen ist analog zu der beim klassischen [[Satz von Stokes]].</ref>
Hierbei sind die <math>U^{(4)}_{\mu\nu}</math> (die Plaketten-Variablen) definiert als die zu kleinsten geschlossenen Rechteck-Schleifen gehörigen Größen:<ref>Die Definition der Plakettenvariablen ist analog zu der beim klassischen [[Satz von Stokes]].</ref>


:<math>U^{(4)}_{\mu\nu}(n) = U_{+\mu}(n)U_{+\nu}(n+\hat\mu)U_{-\mu}(n+\hat\mu+\hat\nu)U_{-\nu}(n+\hat\nu)\,,</math>
::<math>U^{(4)}_{\mu\nu}(n) = U_{+\mu}(n)U_{+\nu}(n+\hat\mu)U_{-\mu}(n+\hat\mu+\hat\nu)U_{-\nu}(n+\hat\nu)\,,</math>


analog zur Geometrie eines Quadrats, das z.&nbsp;B. bei positivem Umlaufsinn durch die vier Zahlen 1, 2, 3 und 4 indiziert wird.
analog zur Geometrie eines Quadrats, das z.&nbsp;B. bei positivem Umlaufsinn durch die vier Zahlen 1, 2, 3 und&nbsp;4 indiziert wird.


Statt der Kopplungskonstante <math>g</math> benutzt man häufig die inverse Eichkopplung <math>\beta=\frac{6}{g^2}\,.</math>
Statt der [[Kopplungskonstante]] <math>g</math> benutzt man häufig die inverse [[Kopplungskonstante#Eichkopplung|Eichkopplung]] <math>\beta = \frac{6}{g^2}\,.</math>


Da die Form der Wirkung nur durch den Kontinuumslimes, <math>a\rightarrow0</math>, festgelegt ist, ist die obige angegebene Eichwirkung, die sogenannte Wilson- oder Plakett-Wirkung, nicht eindeutig, sondern kann durch Terme, die im Kontinuumslimes verschwinden, modifiziert werden. Diese Beobachtung wird verwendet, um verbesserte Wirkungen mit einer schnelleren Kontinuumsannäherung zu konstruieren.
Da die Form der Wirkung nur durch den Kontinuumslimes <math>a \rightarrow 0</math> festgelegt ist, ist die oben angegebene Eichwirkung, die Wilson- oder Plakett-Wirkung, nicht eindeutig, sondern kann modifiziert werden durch Terme, die im Kontinuumslimes verschwinden. Diese Beobachtung wird verwendet, um verbesserte Wirkungen mit einer schnelleren Kontinuumsannäherung zu konstruieren.


=== Fermionen auf dem Gitter ===
=== Fermionen auf dem Gitter ===
Während die Linkvariablen jeweils zwei Gitterpunkte verbinden, sind die Fermionfelder auf diesen Punkten definiert. Dadurch lassen sich eichinvariante Kombinationen der Form <math> \psi(x) U_\mu(x) \psi(x+\hat\mu) </math> mit <math>x/a \in \Lambda</math> bilden, die als Bausteine der diskretisierten kovarianten Ableitung verwendet werden können.
Während die Linkvariablen jeweils zwei Gitterpunkte verbinden, sind die Fermionfelder ''auf'' diesen Punkten definiert. Dadurch lassen sich eichinvariante Kombinationen der Form <math>\psi(x) U_\mu(x) \psi(x + \hat\mu)</math> mit <math>x/a \in \Lambda</math> bilden, die als Bausteine der diskretisierten [[Kovariante Ableitung|kovarianten Ableitung]] verwendet werden können.
 
Ersetzt man nun die Ableitungen in der Dirac-Wirkung durch endliche Differenzen, so erhält man eine naive Diskretisierung der Theorie, die nicht nur ein einzelnes Fermion beschreibt, sondern sechzehn (<math>2^d</math> mit <math>d = 4</math> für die Anzahl der Dimensionen). Dieses Phänomen ist als ''Dopplerproblem'' bekannt und hängt zusammen mit der Realisierung der [[Chirale Symmetrie|chiralen Symmetrie]] auf dem Gitter. In der Tat besagt das [[Nielsen-Ninomiya-Theorem]], dass auf dem Gitter kein [[Dirac-Operator]] mit korrektem Kontinuumslimes gleichzeitig dopplerfrei, [[Lokalität (Physik)|lokal]], [[Translationsinvarianz|translationsinvariant]] und chiral-symmetrisch sein kann.


Ersetzt man nun die Ableitungen in der Dirac-Wirkung durch endliche Differenzen, erhält man eine naive Diskretisierung der Theorie, die nicht nur ein einzelnes Fermion beschreibt, sondern sechzehn (<math>2^d</math> mit <math>d=4</math> für die Anzahl der Dimensionen). Dieses Phänomen ist als Dopplerproblem bekannt und hängt mit der Realisierung der chiralen Symmetrie auf dem Gitter zusammen. In der Tat besagt das [[Nielsen-Ninomiya-Theorem]], dass auf dem Gitter kein [[Dirac-Operator]] mit korrektem Kontinuumslimes gleichzeitig dopplerfrei, lokal, translationsinvariant und [[chirale Symmetrie|chiral-symmetrisch]] sein kann. Um das Dopplerproblem physikalisch korrekt zu berücksichtigen, werden verschiedene Arten der Fermiondiskretisierung verwendet, die im Folgenden beschrieben werden.
Um das Dopplerproblem physikalisch korrekt zu berücksichtigen, werden verschiedene Arten der Fermiondiskretisierung verwendet, die im Folgenden beschrieben werden.


==== Wilson-Fermionen ====
==== Wilson-Fermionen ====
Zur Beseitigung der Doppler kann man weitere Terme in die Wirkung einbinden, die den unphysikalischen Fermionmoden eine zusätzliche Masse verleihen. Beim Bilden des Kontinuumslimes entkoppeln die so entstehenden ''Dopplermoden'' von der Theorie, da ihre Masse <math>\sim 1/a</math> divergiert. Dies ist der Ansatz der Wilson-Fermionwirkung:
Zur Beseitigung der Doppler kann man weitere Terme in die Wirkung einbinden, die den unphysikalischen Fermion[[moden]] eine zusätzliche Masse verleihen. Beim Bilden des Kontinuumslimes entkoppeln die so entstehenden ''Dopplermoden'' von der Theorie, da ihre Masse <math>\sim 1/a</math> divergiert. Dies ist der Ansatz der Wilson-Fermionwirkung:
 
:<math>S_F[\psi,\bar{\psi},U] = a^4\sum_{f=1}^{N_f}\sum_{n\in\Lambda}\left(\bar{\psi}^f(n)\sum_{\mu=\pm1}^{\pm4}(1-\gamma_\mu)\frac{U_\mu(n)\psi^f(n+\hat\mu)}{2a}+\left(m^f+{\frac{4}{a}}r\right)\bar{\psi}^f(n)\psi^f (n)\right) \, ,</math>


:<math>S_F[\psi,\bar{\psi},U]=a^4\sum_{f=1}^{N_f}\sum_{n\in\Lambda}\left(\bar{\psi}^f(n)\sum_{\mu=\pm1}^{\pm4}(1-\gamma_\mu)\frac{U_\mu(n)\psi^f(n+\hat\mu)}{2a}+\left(m^f+{\frac{4}{a}}r\right)\bar{\psi}^f(n)\psi^f (n)\right)\,,</math>
wobei
* ''f''&nbsp; den [[Flavour]]-Freiheitsgrad der Fermionen bezeichnet
* ''r'' als Vorfaktor vor dem neu eingeführten Wilson-Term frei gewählt werden kann.
Für ''r=0'' erhält man die ursprünglichen naiv diskretisierten Fermionen mit Dopplern, während für die übliche Wahl ''r=1'' die Doppler wie oben beschrieben beseitigt werden.


wobei ''f''&nbsp; den [[Flavour]]-Freiheitsgrad der Fermionen bezeichnet und ''r'' als Vorfaktor vor dem neu eingeführten Wilson-Term frei gewählt werden kann. Für ''r=0'' erhält man die ursprünglichen naiv diskretisierten Fermionen mit Dopplern, während für die übliche Wahl ''r=1'' die Doppler wie oben beschrieben beseitigt werden.
Bei endlichem&nbsp;''a'' ist jedoch durch den Wilson-Term die chirale Symmetrie explizit [[Symmetriebrechung|gebrochen]] und wird erst im Kontinuumslimes wieder hergestellt. Eine praktische Konsequenz ist, dass die Gitterartefakte anders als für andere Wirkungen schon in linearer Ordnung des Gitterabstandes auftreten.


Bei endlichem ''a'' ist jedoch durch den Wilson-Term die [[chirale Symmetrie]] explizit gebrochen und wird erst im Kontinuumslimes wieder hergestellt. Eine praktische Konsequenz ist, dass die Gitterartefakte anders als für andere Wirkungen schon in linearer Ordnung des Gitterabstandes auftreten. Um dieses Problem zu beheben, werden in numerischen Simulationen fast ausschließlich sogenannte verbesserte Wirkungen verwendet. Am weitesten verbreitet sind hierbei die sogenannten ''clover fermions'', für die ein weiterer Term zur Wirkung hinzugefügt wird, dessen freier Parameter so gewählt werden kann, dass die führenden Gitterartefakte eliminiert werden. Daneben finden auch Wilson-Fermionen mit einem modifizierten Massenterm unter dem Namen ''twisted mass fermions'' Verwendung.
Um dieses Problem zu beheben, werden in [[Numerische Simulation|numerischen Simulationen]] fast ausschließlich ''verbesserte Wirkungen'' verwendet. Am weitesten verbreitet sind hierbei die ''clover fermions'', für die ein weiterer Term zur Wirkung hinzugefügt wird, dessen freier Parameter so gewählt werden kann, dass die führenden Gitterartefakte eliminiert werden. Daneben werden auch Wilson-Fermionen mit einem modifizierten Massenterm unter dem Namen ''twisted mass fermions'' verwendet.


==== Staggered-Fermionen ====
==== Staggered-Fermionen ====
Neben den Wilson-Fermionen werden insbesondere die sogenannten Staggered-Fermionen (engl. ''staggered fermions'') verwendet.<ref>J. Kogut, L. Susskind: ''Hamiltonian Formulation of Wilson's Lattice Gauge Theories'', Phys. Rev. D11 (1975) 395.</ref> Diese nutzen eine Spindiagonalisierung um die Anzahl der Doppler um einen Faktor 4 zu reduzieren. Um eine Theorie mit genau einer Fermionart zu beschreiben, muss ein theoretisch umstrittenes Verfahren, das als ''rooting'' bekannt ist, angewandt werden.<ref>vgl. z.&nbsp;B. M. Creutz: "Why rooting fails", PoS(Lat2007)007. {{arXiv|0708.1295}}.</ref>
Neben den Wilson-Fermionen werden insbesondere die Staggered-Fermionen (engl. ''staggered fermions'') verwendet.<ref>J. Kogut, L. Susskind: ''Hamiltonian Formulation of Wilson's Lattice Gauge Theories'', Phys. Rev. D11 (1975) 395.</ref> Diese nutzen eine Spin[[Diagonalisierbare Matrix#Diagonalisierung|diagonalisierung]], um die Anzahl der Doppler um einen Faktor&nbsp;4 zu reduzieren.
 
Um eine Theorie mit genau einer Fermionart zu beschreiben, muss ein theoretisch umstrittenes Verfahren angewandt werden, das als ''rooting'' bekannt ist.<ref>vgl. z.&nbsp;B. M. Creutz: „Why rooting fails“, PoS(Lat2007)007. {{arXiv|0708.1295}}.</ref>


==== Chirale Fermionen ====
==== Chirale Fermionen ====
In der Kontinuumstheorie erfüllt der [[Dirac-Operator]] ''D'' einer chiral-symmetrischen Theorie die Beziehung <math>\{D,\gamma_5\}=0\,,</math> wobei ''&gamma;<sub>5</sub>'', wie auch ''D'', aus der [[Dirac-Theorie]] als bekannt vorausgesetzt werden sollen.&nbsp;<ref>Zur Definition der Operatoren der [[Dirac-Theorie]]: siehe auch diverse Seminar-Ausarbeitungen, zum Beispiel [http://www-stud.uni-graz.at/~03wodlei/edclfcp.pdf naive_potential.eps] (PDF; 408&nbsp;kB).</ref> Der Wilson-Term bricht diese Symmetrie explizit. Dies lässt sich jedoch durch eine abgeschwächte Definition chiraler Symmetrie auf dem Gitter umgehen,
In der Kontinuumstheorie erfüllt der [[Dirac-Operator]]&nbsp;''D'' einer chiral-symmetrischen Theorie die Beziehung <math>\{D,\gamma_5\} = 0 \, ,</math> wobei ''γ<sub>5</sub>'', wie auch&nbsp;''D'', aus der [[Dirac-Theorie]] als bekannt vorausgesetzt werden sollen. Der Wilson-Term bricht diese Symmetrie explizit. Dies lässt sich jedoch umgehen durch eine abgeschwächte Definition chiraler Symmetrie auf dem Gitter:


:<math>\{D,\gamma_5\}aR \to a\frac{1}{2}(D\gamma_5R+R\gamma_5D)</math>,
:<math>\{D,\gamma_5\}aR \to a\frac{1}{2}(D\gamma_5R+R\gamma_5D)</math>,


wobei ''R'' ein lokaler Gitteroperator ist. Das Verhalten ~&nbsp;a führt zu einer effektiven Glättung des störenden Terms ~&nbsp;4/a des Wilson'schen Funktionals.
wobei ''R'' ein lokaler Gitteroperator ist.
 
Das Verhalten ~&nbsp;a führt zu einer effektiven Glättung des störenden Terms ~&nbsp;4/a des Wilson'schen [[Funktional]]s.


Durch diese Ersetzung erhält man den sogenannten [[Overlap_Fermionen|Overlapoperator]], und aus der Wilson-Gleichung entsteht die [[Ginzparg-Wilson-Gleichung]]. Neben exakten Lösungen gibt es auch eine Reihe gebräuchlicher Fermionen, deren Diracoperator die Ginsparg-Wilson-Gleichung nur näherungsweise erfüllt. Die bekanntesten sind die [[Domain-Wall-Fermion]]en<ref>D.B. Kaplan, Phys. Lett. B288 (1992) 342.</ref><ref>Y. Shamir, ''Chiral fermions from lattice boundaries'', Nucl. Phys. B406 (1993) 90.</ref>, die (im Falle unendlicher Ausdehnung einer fünften Dimension) dem Overlapoperator entsprechen. In praktischen Simulationen bleibt diese Dimension jedoch stets endlich.
Durch diese Ersetzung erhält man den [[Overlap Fermionen|Overlapoperator]], und aus der Wilson-Gleichung entsteht die [[Ginzparg-Wilson-Gleichung]]. Neben exakten Lösungen gibt es auch eine Reihe gebräuchlicher Fermionen, deren Diracoperator die Ginsparg-Wilson-Gleichung nur näherungsweise erfüllt. Die bekanntesten sind die [[Domain-Wall-Fermion]]en,<ref>D.B. Kaplan, Phys. Lett. B288 (1992) 342.</ref><ref>Y. Shamir, ''Chiral fermions from lattice boundaries'', Nucl. Phys. B406 (1993) 90.</ref> die (im Falle unendlicher Ausdehnung einer fünften Dimension) dem Overlapoperator entsprechen. In praktischen Simulationen bleibt diese Dimension jedoch stets endlich.


==== Alternative Formulierungen ====
==== Alternative Formulierungen ====
Die zuvor genannten Diskretisierungen stellen die am häufigsten verwendeten Methoden dar, Fermionen auf dem Gitter zu behandeln. Daneben gibt es weitere, wie etwa die Fermionen mit minimaler Dopplung (''minimally doubled fermions''), die über eine Modifizierung der Gittergeometrie eine Minimierung des Dopplerproblems erreichen.<ref>L. Karsten: ''Lattice Fermions in Euclidian Space-Time'', Phys. Lett. B104 (1981) 315.</ref><ref>F. Wilczek: ''On Lattice Fermions'', Phys. Rev. Lett. 59 (1987) 2397.</ref><ref>M. Creutz: ''Four-dimensional graphene and chiral fermions'', JHEP 04 (2008) 017. {{arXiv|0712.1201}}.</ref> Eine weitere Variante ist die Brechung der Translationsinvarianz durch die Einführung einer zusätzlichen Dimension, wie es bei den [[Domain-Wall-Fermion]]en geschieht.
Die zuvor genannten Diskretisierungen stellen die am häufigsten verwendeten Methoden dar, Fermionen auf dem Gitter zu behandeln. Daneben gibt es weitere, wie etwa die Fermionen mit minimaler Dopplung (''minimally doubled fermions''), die über eine Modifizierung der Gittergeometrie eine Minimierung des Dopplerproblems erreichen.<ref>L. Karsten: ''Lattice Fermions in Euclidian Space-Time'', Phys. Lett. B104 (1981) 315.</ref><ref>F. Wilczek: ''On Lattice Fermions'', Phys. Rev. Lett. 59 (1987) 2397.</ref><ref>M. Creutz: ''Four-dimensional graphene and chiral fermions'', JHEP 04 (2008) 017. {{arXiv|0712.1201}}.</ref>
 
Eine weitere Variante ist die [[Symmetriebrechung|Brechung]] der [[Translationsinvarianz]] durch die Einführung einer zusätzlichen Dimension, wie es bei den [[Domain-Wall-Fermion]]en geschieht.


=== Zusammenhang von physikalischen Größen mit Simulationsparametern ===
=== Zusammenhang von physikalischen Größen mit Simulationsparametern ===
In einer Gitter-QCD Simulation kann man eine Reihe von Parametern einstellen: die Anzahl der Gitterpunkte in räumliche und zeitliche Richtung, die Gitterkopplung <math>\beta</math> und ggfs. Quarkmassenparameter und Parameter die zur theoretischen Verbesserung des Kontinuumsverhaltens führen. Um ein solches "Setup" aus dimensionslosen Zahlenangaben in physikalische Einheiten zu übersetzen, d.&nbsp;h. um dimensionsbehaftete Größen, wie den Gitterabstand (in [[Femtometer|fm]]) oder Hadronmassen (in [[Elektronenvolt|MeV]]/c<sup>2</sup>) zu erhalten, müssen ausgewählte physikalische Objekte (wie die Masse oder Zerfallskonstante des [[Pion]]s) zur Setzung der Skala fixiert werden. Alle weiteren berechneten Größen sind dann Vorhersagen der Gitter-QCD zu den gegebenen Parametern.  
In einer Gitter-QCD-Simulation kann man eine Reihe von Parametern einstellen: die Anzahl der Gitterpunkte in räumlicher und zeitlicher Richtung, die Gitterkopplung <math>\beta</math> sowie ggfs. Quarkmassenparameter und Parameter, die zur theoretischen Verbesserung des Kontinuumsverhaltens führen. Um ein solches „Setup“ aus dimensionslosen Zahlenangaben in physikalische Einheiten zu übersetzen, d.&nbsp;h. um dimensionsbehaftete Größen wie den Gitterabstand (in [[Femtometer|fm]]) oder Hadronmassen (in [[Elektronenvolt|MeV]]/c<sup>2</sup>) zu erhalten, müssen ausgewählte physikalische Objekte (wie die Masse oder [[Zerfallskonstante]] des [[Pion]]s) zur Setzung der Skala fixiert werden. Alle weiteren berechneten Größen sind dann Vorhersagen der Gitter-QCD zu den gegebenen Parametern.


Dabei wächst die benötigte Computerleistung mit sinkender Masse, so dass das Erreichen physikalischer Quarkmassen ohne weitere Extrapolation nach wie vor einen enormen Aufwand bedeutet und nicht mit allen Fermiondiskretisierungen erreicht worden ist. Darüber hinaus gilt es, die systematischen Effekte, die durch die Extrapolation zu verschwindendem Gitterabstand und unendlichem Volumen bedingt sind, unter Kontrolle zu halten.
Dabei wächst die benötigte Computerleistung mit sinkender Masse, so dass das Erreichen physikalischer Quarkmassen ohne weitere [[Extrapolation]] nach wie vor einen enormen Aufwand bedeutet und nicht mit allen Fermiondiskretisierungen erreicht worden ist. Darüber hinaus gilt es, die systematischen Effekte unter Kontrolle zu halten, die durch die Extrapolation zu verschwindendem Gitterabstand und unendlichem Volumen bedingt sind.


Die [[asymptotische Freiheit]] der QCD stellt mit ihrem Fixpunkt im Fluss der Kopplungskonstante sicher, dass der Kontinuumslimes <math>a\rightarrow0</math> für verschwindende Kopplung (<math>g\rightarrow0</math> bzw. <math>\beta\rightarrow \infty</math>) erreicht wird.
Die [[asymptotische Freiheit]] der&nbsp;QCD stellt mit ihrem Fixpunkt im Fluss der [[Kopplungskonstante]] sicher, dass der Kontinuumslimes <math>a \rightarrow0</math> für verschwindende Kopplung (<math>g \rightarrow 0</math> bzw. <math>\beta \rightarrow \infty</math>) erreicht wird.


== Entwicklung ==
== Entwicklung ==
Als eigentliche Geburtsstunde der Gitter-QCD gilt heute die Veröffentlichung der Arbeit&nbsp;<ref>[[Kenneth Wilson]], ''Confinement of quarks''. In: ''Physical Review D''. Band 10, 1974, S. 2445–2459.</ref> des Physikers [[Kenneth Wilson]] im Jahre 1974, die sehr bald zum Kernbereich des damaligen Forschungsstandes zählte und eine rapide Entwicklung der Methode auslöste.<ref name="Kogut">[[John Kogut]]: ''Introduction to lattice gauge theory and spin systems'', Reviews of Modern Physics, Bd. 51 (1979), S. 659–713.</ref><ref>John Kogut: ''The lattice gauge theory approach to quantum chromodynamics'', Rev. Mod. Phys., Bd. 55 (1983), S. 775–836.</ref><ref>[[Kenneth Wilson]]: ''The Origins of lattice gauge theory'', Nucl. Phys. Proc. Suppl. 140 (2005), S. 3–19. {{arXiv|hep-lat/0412043}}</ref><ref>Interessant ist hierbei, dass [[Kenneth Wilson]]s Arbeiten zur [[Renormierungsgruppe]], für die er den Nobelpreis erhielt, ebenfalls in festkörpertheoretischem Zusammenhang entstanden (siehe den angegebenen Artikel zur Person).</ref>
Als eigentliche Geburtsstunde der Gitter-QCD gilt heute die Veröffentlichung der Arbeit&nbsp;<ref>[[Kenneth Wilson]], ''Confinement of quarks''. In: ''Physical Review D''. Band 10, 1974, S. 2445–2459.</ref> des Physikers [[Kenneth Wilson]] im Jahre 1974, die sehr bald zum Kernbereich des damaligen Forschungsstandes zählte und eine rapide Entwicklung der Methode auslöste.<ref name="Kogut">[[John Kogut]]: ''Introduction to lattice gauge theory and spin systems'', Reviews of Modern Physics, Bd. 51 (1979), S. 659–713.</ref><ref>John Kogut: ''The lattice gauge theory approach to quantum chromodynamics'', Rev. Mod. Phys., Bd. 55 (1983), S. 775–836.</ref><ref>[[Kenneth Wilson]]: ''The Origins of lattice gauge theory'', Nucl. Phys. Proc. Suppl. 140 (2005), S. 3–19. {{arXiv|hep-lat/0412043}}</ref><ref>Interessant ist hierbei, dass [[Kenneth Wilson]]s Arbeiten zur [[Renormierungsgruppe]], für die er den Nobelpreis erhielt, ebenfalls in festkörpertheoretischem Zusammenhang entstanden (siehe den angegebenen Artikel zur Person).</ref>


Die Methode der Gitter-QCD ist analog zu speziellen Spinmodellen, die 1971 in festkörpertheoretischem Zusammenhang von [[Franz Wegner]] aufgestellt wurden.<ref name="Wegner">F. Wegner, ''Duality in Generalized Ising Models and Phase Transitions without Local Order Parameter'', J. Math. Phys. 12 (1971) 2259-2272. Reprinted in [[Claudio Rebbi]] (ed.), ''Lattice Gauge Theories and Monte Carlo Simulations'', World Scientific, Singapore (1983), p. 60-73.</ref> Diese Gitter-Spinmodelle zeichnen sich, wie in der QCD, durch eine lokale Eichinvarianz und durch einen zur Eichfeldenergie analogen Term aus. <!-- Die Wegner'schen Modelle werden  heutzutage in der Feldtheorie nicht mehr benutzt, zumal sie seinerzeit aus verschiedenen Gründen auch in der statistischen Physik nur unter Spezialisten Beachtung fanden. Bei diesen erregten sie aber schon damals, vor allem wegen der ''lokalen Eichinvarianz'' und der damit verbundenen Besonderheiten für die thermodynamischen Korrelationsfunktionen, beträchtliches Aufsehen, da bis dahin mehr die ''globalen'' Zusammenhänge im Vordergrund standen.-->  Heutzutage ist jedoch der festkörpertheoretische Zusammenhang der Theorie weitgehend vergessen (siehe aber die Arbeit<ref name ="Kogut" /> von [[John Kogut|J. Kogut]]).
Die Methode der Gitter-QCD ist analog zu speziellen Spinmodellen, die 1971 in festkörpertheoretischem Zusammenhang von [[Franz Wegner]] aufgestellt wurden.<ref name="Wegner">F. Wegner, ''Duality in Generalized Ising Models and Phase Transitions without Local Order Parameter'', J. Math. Phys. 12 (1971) 2259–2272. Reprinted in [[Claudio Rebbi]] (ed.), ''Lattice Gauge Theories and Monte Carlo Simulations'', World Scientific, Singapore (1983), p. 60–73.</ref> Diese Gitter-Spinmodelle zeichnen sich, wie in der QCD, durch eine lokale Eichinvarianz und durch einen zur Eichfeldenergie analogen Term aus.<ref name="Kogut" />


Obwohl die Quantenchromodynamik ein Hauptanwendungsgebiet der Gittereichtheorie ist, gibt es selbst in der Hochenergiephysik Untersuchungen mit Gittermethoden, die über die QCD hinausgehen, z.&nbsp;B. zum [[Higgs-Mechanismus]].<ref>E. Fradkin und S.H. Shenker: ''Phase diagrams of lattice gauge theories with Higgs fields'', Phys. Rev. D 19, 3682-3697 (1979) .</ref>
Obwohl die Quantenchromodynamik ein Hauptanwendungsgebiet der Gittereichtheorie ist, gibt es selbst in der [[Hochenergiephysik]] Untersuchungen mit Gittermethoden, die über die QCD hinausgehen, z.&nbsp;B. zum [[Higgs-Mechanismus]].<ref>E. Fradkin und S.H. Shenker: ''Phase diagrams of lattice gauge theories with Higgs fields'', Phys. Rev. D 19, 3682–3697 (1979) .</ref>


Für die QCD selbst hat sich u.&nbsp;a. ein an der Universität Regensburg zentrierter größerer Verbund gebildet, der Aktivitäten vieler in Deutschland (und Norditalien) führender Forschungsplätze bündelt und mit einem speziellen Hochleistungsrechner, [[QPACE]], auf vorhandene Erfahrungen (siehe [[QCDOC]] in der englischen Wikipedia)<!-- Bitte den Hinweis auf die Englische Version nicht entfernen, obwohl inzwischen auch eine Deutsche Version exister (Übersetzung!). Aber diese ist möglicherweise schlechter als das Original. --> und ein zukunftsweisendes Konzept zurückgreifen kann.&nbsp;<ref>Zu [[QPACE]] siehe die [http://www.physik.uni-regensburg.de/aktuell/2010/QPACE_external_small.wmv Kurzfilm-Darstellung] (23 MBytes; [[Windows Media Video|WMV]])</ref>
Für die&nbsp;QCD selbst hat sich u.&nbsp;a. ein an der Universität Regensburg zentrierter größerer Verbund gebildet, der Aktivitäten vieler in Deutschland (und Norditalien) führender Forschungsplätze bündelt und mit einem speziellen Hochleistungsrechner, [[QPACE]], auf vorhandene Erfahrungen (siehe [[QCDOC]] in der englischen Wikipedia)<!-- Bitte den Hinweis auf die Englische Version nicht entfernen, obwohl inzwischen auch eine Deutsche Version exister (Übersetzung!). Aber diese ist möglicherweise schlechter als das Original. --> und ein zukunftsweisendes Konzept zurückgreifen kann.


== Ausgewählte Ergebnisse ==
== Ausgewählte Ergebnisse ==
[[Datei:Fluxtube_meson.png|right|thumb|150px|Darstellung eines [[Meson]]s in einer Gitter-QCD Simulation. (Aus M. Cardoso et al.<ref>M. Cardoso et al., ''Lattice QCD computation of the colour fields for the static hybrid quark-gluon-antiquark system, and microscopic study of the Casimir scaling'', Phys. Rev. D 81, 034504 (2010), [http://prd.aps.org/abstract/PRD/v81/i3/e034504 (abstract)], {{arxiv|0912.3181}}</ref>)]]
[[Datei:Fluxtube meson.png|150px|mini|Darstellung eines [[Meson]]s in einer Gitter-QCD Simulation. (Aus M. Cardoso et al.<ref>M. Cardoso et al., ''Lattice QCD computation of the colour fields for the static hybrid quark-gluon-antiquark system, and microscopic study of the Casimir scaling'', Phys. Rev. D 81, 034504 (2010), [http://prd.aps.org/abstract/PRD/v81/i3/e034504 (abstract)], {{arXiv|0912.3181}}</ref>)]]


Ein Vorteil von Simulationen von Gittereichtheorien ist, dass vor allem &nbsp;''eichinvariante Größen''&nbsp; zugänglich sind. Dies führte zu einer Berechnung aller Meson- und Baryon- Grundzustände, die [[Up-Quark|Up-]], [[Down-Quark|Down-]] oder [[Strange-Quark]]s enthalten. <ref>S. Dürr et al., ''Ab initio determination of light hadron masses'', Science '''322''', 5905 (2008). Eine  graphische Darstellung dazu ist im Beitrag [http://www.cpt.univ-mrs.fr/~lellouch/spectrum.html von Laurent Lellouch] enthalten.</ref> Ein typisches Resultat (siehe die Grafik) zeigt, dass in einem Meson nicht nur die Teilchen, Quarks und Antiquarks, sondern auch die [[Flussschlauch|„Flussschläuche“]] der Gluonen-Felder wichtig sind.
Ein Vorteil von Simulationen von Gittereichtheorien ist, dass vor allem ''eichinvariante Größen'' zugänglich sind. Dies führte zu einer Berechnung aller [[Meson]]- und [[Baryon]]-[[Grundzustand|Grundzustände]], die [[Up-Quark|Up-]], [[Down-Quark|Down-]] oder [[Strange-Quark]]s enthalten, so dass die Massen zum Beispiel der Nukleonen mit Genauigkeiten von 1 bis 2 Prozent berechnet wurden (Budapest-Marseille-Wuppertal-Kollaboration 2008).<ref>S. Dürr et al., ''Ab initio determination of light hadron masses'', Science, Band 322, 2008, S. 1224–1227, [https://arxiv.org/abs/0906.3599 Arxiv].</ref><ref>Frank Wilczek, Mass by numbers, Nature, Band 456, 2008, S. 449–450, [https://www.nature.com/articles/456449a Online]</ref> Dabei dienten drei Hadronmassen (darunter Pion, Kaon) zur Festlegung der Isospin-gemittelten Massen von (u,d,s) Quarks und der Gesamtenergieskala. Die fehlerkontrollierte Berechnung war das Ergebnis von jahrzehntelanger weltweiter Entwicklung der Methoden der QCD-Gittereichtheorie, sowohl von theoretischer Seite als auch von Seite der Algorithmen und Supercomputer. Die genauere Analyse, wie sich die Nukleonmassen auf einzelne QCD-Beiträge aufteilen gelang 2018: auf Quarkbeiträge gehen nur rund 9 Prozent zurück, ein Drittel auf die Bewegungsenergie der eingesperrten Quarks, der Rest auf Gluonenbeiträge.<ref>[https://physics.aps.org/articles/v11/118 André Walker-Loud: Viewpoint: Dissecting the Mass of the Proton], Physics, APS, 19. November 2018</ref><ref>Y.-B. Yang, J. Liang, Y.-J. Bi, Y. Chen, T. Draper, K.-F. Liu,  Z. Liu, ''Proton mass decomposition from the QCD energy momentum tensor,'' Phys. Rev. Lett., Band 121, 2018, S. 212001, [https://arxiv.org/abs/1808.08677 Arxiv]</ref> Ein typisches Resultat (siehe die Grafik) zeigt, dass in einem Meson nicht nur die Teilchen, Quarks und Antiquarks, sondern auch die [[Flussschlauch|„Flussschläuche“]] der [[Gluon]]en-Felder wichtig sind.


Mit solchen Rechnungen lassen sich auch ''kollektive Effekte'' studieren, die mit dem [[Confinement]]-Phänomen in Zusammenhang stehen könnten. Dies können z.&nbsp;B. [[Topologie|topologische Anregungen]] wie [[Instanton]]en<ref>C. Gattringer, M. Göckeler, P.E.L. Rakow, S. Schaefer und A. Schäfer, ''A comprehensive picture of topological excitations in finite-temperature lattice QCD'', Nucl. Phys. B 617, 101 und B 618, 205 (2001).</ref>, [[Monopol]]e<ref>J.M. Carmonaa, M. D’Eliab, L. Del Debbioc,d, A. Di Giacomoc, B. Lucinie, G. Paffuti ''Color confinement and dual superconductivity in full QCD'', Phys. Rev. D 66, 011503 (2002)</ref> und [[Soliton]]en, oder [[Perkolationstheorie|Perkolationseffekte]] des Zentrums der [[Liegruppe|Eichgruppe]]<ref>J. Danzer, C. Gattringer: ''Center clusters and their percolation properties in Lattice QCD'', {{arxiv|1010.5073v1}}.</ref> sein.
Mit solchen Rechnungen lassen sich auch ''kollektive Effekte'' studieren, die mit dem [[Confinement]]-Phänomen in Zusammenhang stehen könnten. Dies können z.&nbsp;B. topologische Anregungen wie Instantonen<ref>C. Gattringer, M. Göckeler, P.E.L. Rakow, S. Schaefer und A. Schäfer, ''A comprehensive picture of topological excitations in finite-temperature lattice QCD'', Nucl. Phys. B 617, 101 und B 618, 205 (2001).</ref>, Monopole<ref>J.M. Carmonaa, M. D’Eliab, L. Del Debbioc,d, A. Di Giacomoc, B. Lucinie, G. Paffuti ''Color confinement and dual superconductivity in full QCD'', Phys. Rev. D 66, 011503 (2002)</ref> und Solitonen, oder [[Perkolationstheorie|Perkolationseffekte]] des Zentrums der [[Liegruppe|Eichgruppe]]<ref>J. Danzer, C. Gattringer: ''Center clusters and their percolation properties in Lattice QCD'', {{arXiv|1010.5073v1}}.</ref> sein.


Es lassen sich auch Berechnungen der QCD bei hohen Temperaturen durchführen um den ''Übergang in das [[Quark-Gluon-Plasma]]'' zu studieren<ref>Zu den Gitter-Rechnungen: siehe F. Karsch: ''The Phase Transition to the Quark-Gluon Plasma: Recent Results from Lattice-QCD'', 1995, {{arxiv|hep-lat/9503010v1}}</ref>, der in Experimenten an [[Teilchenbeschleuniger]]n<ref>Zu den Experimenten: [http://www.bnl.gov/bnlweb/pubaf/pr/PR_display.asp?prID=05-38 Pressemitteilung des BNL über die Erzeugung des Quark-Gluon-Plasmas (engl.), 2005]</ref> oberhalb von etwa 1,2×10<sup>12</sup> [[Kelvin]] gemessen wurde.
Es lassen sich auch Berechnungen der&nbsp;QCD bei hohen Temperaturen durchführen, um den Übergang in das [[Quark-Gluon-Plasma]] zu studieren,<ref>Zu den Gitter-Rechnungen: siehe F. Karsch: ''The Phase Transition to the Quark-Gluon Plasma: Recent Results from Lattice-QCD'', 1995, {{arXiv|hep-lat/9503010v1}}</ref> der in Experimenten an [[Teilchenbeschleuniger]]n<ref>Zu den Experimenten: [http://www.bnl.gov/bnlweb/pubaf/pr/PR_display.asp?prID=05-38 Pressemitteilung des BNL über die Erzeugung des Quark-Gluon-Plasmas (engl.), 2005]</ref> oberhalb von etwa 1,2×10<sup>12</sup>&nbsp;[[Kelvin]] gemessen wurde.


== Literatur ==
== Literatur ==
* [[István Montvay]] und Gernot Münster: ''Quantum Fields on a Lattice'' Cambridge University Press, Cambridge 1994, ISBN 0-521-40432-0.
* [[István Montvay]] und [[Gernot Münster]]: ''Quantum Fields on a Lattice'' Cambridge University Press, Cambridge 1994, ISBN 0-521-40432-0.
* Heinz J. Rothe: ''Lattice Gauge Theories: An Introduction'' World Scientific Lecture Notes in Physics, 4. Auflage, 2012, ISBN 978-9814365857.
* Heinz J. Rothe: ''Lattice Gauge Theories: An Introduction'' World Scientific Lecture Notes in Physics, 4. Auflage, 2012, ISBN 978-981-4365-85-7. [https://library.oapen.org/handle/20.500.12657/50492 Open Access]
* Thomas DeGrand und Carleton DeTar: ''Lattice Methods for Quantum Chromodynamics'', World Scientific Publishing, Singapur 2006, ISBN 981-256-727-5.
* Thomas DeGrand und Carleton DeTar: ''Lattice Methods for Quantum Chromodynamics'', World Scientific Publishing, Singapur 2006, ISBN 981-256-727-5.
* Christof Gattringer und Christian B. Lang: ''Quantum chromodynamics on the lattice'', Lect. Notes Phys. 788, 2010, ISBN 978-3-642-01849-7.
* [[Christof Gattringer]] und [[Christian B. Lang]]: ''Quantum chromodynamics on the lattice'', Lect. Notes Phys. 788, 2010, ISBN 978-3-642-01849-7.
==Weblinks==
 
*[http://www.scholarpedia.org/article/Lattice_quantum_field_theory Gernot Münster, Lattice Quantum Field Theory, Scholarpedia]
== Weblinks ==
* [http://www.scholarpedia.org/article/Lattice_quantum_field_theory Gernot Münster, Lattice Quantum Field Theory, Scholarpedia]


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

Aktuelle Version vom 28. Februar 2022, 17:01 Uhr

Eine Gittereichtheorie ist eine Eichtheorie, die auf einer diskreten Raumzeit definiert wird. Gittereichtheorien gehören zu den wenigen Möglichkeiten, nicht-störungstheoretische Berechnungen in Quantenfeldtheorien anzustellen.

Besondere Bedeutung erlangte die Methode im Rahmen der Quantenchromodynamik (QCD). Weil die Gitterregularisierung eine nicht-störungstheoretische Regularisierung ist, kann man in Gittereichtheorien auch Berechnungen für niedrige Energien durchführen, die für die Störungstheorie nicht zugänglich sind. Dadurch lassen sich u. a. die Massen von Hadronen, d. h. gebundenen Quarkzuständen, von thermodynamischen Größen oder von wichtigen topologischen Anregungen (Monopole, Instantonen und Solitonen) untersuchen.

Neben der QCD werden auch andere Eichtheorien und Spinsysteme auf dem Gitter untersucht, insbesondere solche mit nichtabelscher Eichgruppe (allgemeine Yang-Mills-Theorien analog zur QCD).

Idee

Die Grundidee ist, durch Einführen eines minimalen Abstandes in Raum und Zeit (siehe Minkowski-Raum) die Theorie zu regularisieren, sodass bei hohen Energien keine Divergenzen mehr auftreten. Dieser minimale Abstand entspricht einer Abschneideenergie (engl. Cut Off) im Impulsraum. Eine stete Verkleinerung des minimalen Gitterabstandes entspricht dem Übergang zur ursprünglichen Theorie im kontinuierlichen Raum durch Entfernen der höchsten Energien im Impulsraum.

Um Simulationen von Gittereichtheorien auf Computern zu ermöglichen, wird in der Regel zusätzlich eine Wick-Rotation ausgeführt, wodurch man zum Euklidischen Raum übergeht. Dann existiert eine Verwandtschaft zur statistischen Physik, und es kann das mächtige Werkzeug der Monte-Carlo-Simulation herangezogen werden.

Formulierung

Die 1974 von Kenneth Wilson eingeführte Gittertheorie der Quantenchromodynamik diskretisiert die Wirkung der QCD auf einem vierdimensionalen kubischen Gitter $ \Lambda (a) $ mit Gitterabstand $ a $. Ein wichtiges Prinzip bei Wilsons Konstruktion dieser Gittertheorie ist, dass ihre Wirkung auch bei endlichem Gitterabstand explizit eichinvariant ist. Des Weiteren ist die Wilson-Wirkung so gewählt, dass sich im Grenzwert $ a\rightarrow 0 $ die Kontinuumswirkung ergibt. Üblicherweise betrachtet man die Formulierung für den Eichsektor separat von derjenigen für Fermionen, da die Übertragung der chiralen Symmetrie der Fermionfelder auf das Gitter ein eigenes Problem darstellt.

Reine Eichtheorie

Für die Diskretisierung der Yang-Mills-Wirkung, die die Dynamik der Eichbosonen beschreibt, definiert man Linkvariablen $ U_{\mu } $, welche benachbarte Gitterpunkte verbinden (Englisch link):

$ U_{\mu }=\exp \left(iaA_{\mu }\left(n+{\frac {\hat {\mu }}{2}}\right)\right). $

Hierbei sind

  • die Eichfelder $ A_{\mu } $ Elemente der adjungierten Darstellung der Algebra der Eichgruppe der QCD, SU(3)
  • die Linkvariablen $ U_{\mu } $ Elemente der Eichgruppe, also SU(3)-Matrizen, die jeweils zwei benachbarte Gitterpunkte verbinden; im Sinne der Differentialgeometrie können sie als endlicher Paralleltransport aufgefasst werden.

Der Eichfeldanteil der Wirkung $ S $ lässt sich nun als die Spur über geschlossene Schleifen von Linkvariablen darstellen. Jede Spur über solche Wilson-Loops ist eichinvariant. Eine einfache Eichwirkung kann daher geschrieben werden als:

$ S_{G}[U]={\frac {2}{g^{2}}}\sum _{n\in \Lambda }\sum _{\mu <\nu }\operatorname {Re} \;\operatorname {tr} \left(1-U_{\mu \nu }^{(4)}(n)\right). $

Hierbei sind die $ U_{\mu \nu }^{(4)} $ (die Plaketten-Variablen) definiert als die zu kleinsten geschlossenen Rechteck-Schleifen gehörigen Größen:[1]

$ U_{\mu \nu }^{(4)}(n)=U_{+\mu }(n)U_{+\nu }(n+{\hat {\mu }})U_{-\mu }(n+{\hat {\mu }}+{\hat {\nu }})U_{-\nu }(n+{\hat {\nu }})\,, $

analog zur Geometrie eines Quadrats, das z. B. bei positivem Umlaufsinn durch die vier Zahlen 1, 2, 3 und 4 indiziert wird.

Statt der Kopplungskonstante $ g $ benutzt man häufig die inverse Eichkopplung $ \beta ={\frac {6}{g^{2}}}\,. $

Da die Form der Wirkung nur durch den Kontinuumslimes $ a\rightarrow 0 $ festgelegt ist, ist die oben angegebene Eichwirkung, die Wilson- oder Plakett-Wirkung, nicht eindeutig, sondern kann modifiziert werden durch Terme, die im Kontinuumslimes verschwinden. Diese Beobachtung wird verwendet, um verbesserte Wirkungen mit einer schnelleren Kontinuumsannäherung zu konstruieren.

Fermionen auf dem Gitter

Während die Linkvariablen jeweils zwei Gitterpunkte verbinden, sind die Fermionfelder auf diesen Punkten definiert. Dadurch lassen sich eichinvariante Kombinationen der Form $ \psi (x)U_{\mu }(x)\psi (x+{\hat {\mu }}) $ mit $ x/a\in \Lambda $ bilden, die als Bausteine der diskretisierten kovarianten Ableitung verwendet werden können.

Ersetzt man nun die Ableitungen in der Dirac-Wirkung durch endliche Differenzen, so erhält man eine naive Diskretisierung der Theorie, die nicht nur ein einzelnes Fermion beschreibt, sondern sechzehn ($ 2^{d} $ mit $ d=4 $ für die Anzahl der Dimensionen). Dieses Phänomen ist als Dopplerproblem bekannt und hängt zusammen mit der Realisierung der chiralen Symmetrie auf dem Gitter. In der Tat besagt das Nielsen-Ninomiya-Theorem, dass auf dem Gitter kein Dirac-Operator mit korrektem Kontinuumslimes gleichzeitig dopplerfrei, lokal, translationsinvariant und chiral-symmetrisch sein kann.

Um das Dopplerproblem physikalisch korrekt zu berücksichtigen, werden verschiedene Arten der Fermiondiskretisierung verwendet, die im Folgenden beschrieben werden.

Wilson-Fermionen

Zur Beseitigung der Doppler kann man weitere Terme in die Wirkung einbinden, die den unphysikalischen Fermionmoden eine zusätzliche Masse verleihen. Beim Bilden des Kontinuumslimes entkoppeln die so entstehenden Dopplermoden von der Theorie, da ihre Masse $ \sim 1/a $ divergiert. Dies ist der Ansatz der Wilson-Fermionwirkung:

$ S_{F}[\psi ,{\bar {\psi }},U]=a^{4}\sum _{f=1}^{N_{f}}\sum _{n\in \Lambda }\left({\bar {\psi }}^{f}(n)\sum _{\mu =\pm 1}^{\pm 4}(1-\gamma _{\mu }){\frac {U_{\mu }(n)\psi ^{f}(n+{\hat {\mu }})}{2a}}+\left(m^{f}+{\frac {4}{a}}r\right){\bar {\psi }}^{f}(n)\psi ^{f}(n)\right)\,, $

wobei

  • f  den Flavour-Freiheitsgrad der Fermionen bezeichnet
  • r als Vorfaktor vor dem neu eingeführten Wilson-Term frei gewählt werden kann.

Für r=0 erhält man die ursprünglichen naiv diskretisierten Fermionen mit Dopplern, während für die übliche Wahl r=1 die Doppler wie oben beschrieben beseitigt werden.

Bei endlichem a ist jedoch durch den Wilson-Term die chirale Symmetrie explizit gebrochen und wird erst im Kontinuumslimes wieder hergestellt. Eine praktische Konsequenz ist, dass die Gitterartefakte anders als für andere Wirkungen schon in linearer Ordnung des Gitterabstandes auftreten.

Um dieses Problem zu beheben, werden in numerischen Simulationen fast ausschließlich verbesserte Wirkungen verwendet. Am weitesten verbreitet sind hierbei die clover fermions, für die ein weiterer Term zur Wirkung hinzugefügt wird, dessen freier Parameter so gewählt werden kann, dass die führenden Gitterartefakte eliminiert werden. Daneben werden auch Wilson-Fermionen mit einem modifizierten Massenterm unter dem Namen twisted mass fermions verwendet.

Staggered-Fermionen

Neben den Wilson-Fermionen werden insbesondere die Staggered-Fermionen (engl. staggered fermions) verwendet.[2] Diese nutzen eine Spindiagonalisierung, um die Anzahl der Doppler um einen Faktor 4 zu reduzieren.

Um eine Theorie mit genau einer Fermionart zu beschreiben, muss ein theoretisch umstrittenes Verfahren angewandt werden, das als rooting bekannt ist.[3]

Chirale Fermionen

In der Kontinuumstheorie erfüllt der Dirac-Operator D einer chiral-symmetrischen Theorie die Beziehung $ \{D,\gamma _{5}\}=0\,, $ wobei γ5, wie auch D, aus der Dirac-Theorie als bekannt vorausgesetzt werden sollen. Der Wilson-Term bricht diese Symmetrie explizit. Dies lässt sich jedoch umgehen durch eine abgeschwächte Definition chiraler Symmetrie auf dem Gitter:

$ \{D,\gamma _{5}\}aR\to a{\frac {1}{2}}(D\gamma _{5}R+R\gamma _{5}D) $,

wobei R ein lokaler Gitteroperator ist.

Das Verhalten ~ a führt zu einer effektiven Glättung des störenden Terms ~ 4/a des Wilson'schen Funktionals.

Durch diese Ersetzung erhält man den Overlapoperator, und aus der Wilson-Gleichung entsteht die Ginzparg-Wilson-Gleichung. Neben exakten Lösungen gibt es auch eine Reihe gebräuchlicher Fermionen, deren Diracoperator die Ginsparg-Wilson-Gleichung nur näherungsweise erfüllt. Die bekanntesten sind die Domain-Wall-Fermionen,[4][5] die (im Falle unendlicher Ausdehnung einer fünften Dimension) dem Overlapoperator entsprechen. In praktischen Simulationen bleibt diese Dimension jedoch stets endlich.

Alternative Formulierungen

Die zuvor genannten Diskretisierungen stellen die am häufigsten verwendeten Methoden dar, Fermionen auf dem Gitter zu behandeln. Daneben gibt es weitere, wie etwa die Fermionen mit minimaler Dopplung (minimally doubled fermions), die über eine Modifizierung der Gittergeometrie eine Minimierung des Dopplerproblems erreichen.[6][7][8]

Eine weitere Variante ist die Brechung der Translationsinvarianz durch die Einführung einer zusätzlichen Dimension, wie es bei den Domain-Wall-Fermionen geschieht.

Zusammenhang von physikalischen Größen mit Simulationsparametern

In einer Gitter-QCD-Simulation kann man eine Reihe von Parametern einstellen: die Anzahl der Gitterpunkte in räumlicher und zeitlicher Richtung, die Gitterkopplung $ \beta $ sowie ggfs. Quarkmassenparameter und Parameter, die zur theoretischen Verbesserung des Kontinuumsverhaltens führen. Um ein solches „Setup“ aus dimensionslosen Zahlenangaben in physikalische Einheiten zu übersetzen, d. h. um dimensionsbehaftete Größen wie den Gitterabstand (in fm) oder Hadronmassen (in MeV/c2) zu erhalten, müssen ausgewählte physikalische Objekte (wie die Masse oder Zerfallskonstante des Pions) zur Setzung der Skala fixiert werden. Alle weiteren berechneten Größen sind dann Vorhersagen der Gitter-QCD zu den gegebenen Parametern.

Dabei wächst die benötigte Computerleistung mit sinkender Masse, so dass das Erreichen physikalischer Quarkmassen ohne weitere Extrapolation nach wie vor einen enormen Aufwand bedeutet und nicht mit allen Fermiondiskretisierungen erreicht worden ist. Darüber hinaus gilt es, die systematischen Effekte unter Kontrolle zu halten, die durch die Extrapolation zu verschwindendem Gitterabstand und unendlichem Volumen bedingt sind.

Die asymptotische Freiheit der QCD stellt mit ihrem Fixpunkt im Fluss der Kopplungskonstante sicher, dass der Kontinuumslimes $ a\rightarrow 0 $ für verschwindende Kopplung ($ g\rightarrow 0 $ bzw. $ \beta \rightarrow \infty $) erreicht wird.

Entwicklung

Als eigentliche Geburtsstunde der Gitter-QCD gilt heute die Veröffentlichung der Arbeit [9] des Physikers Kenneth Wilson im Jahre 1974, die sehr bald zum Kernbereich des damaligen Forschungsstandes zählte und eine rapide Entwicklung der Methode auslöste.[10][11][12][13]

Die Methode der Gitter-QCD ist analog zu speziellen Spinmodellen, die 1971 in festkörpertheoretischem Zusammenhang von Franz Wegner aufgestellt wurden.[14] Diese Gitter-Spinmodelle zeichnen sich, wie in der QCD, durch eine lokale Eichinvarianz und durch einen zur Eichfeldenergie analogen Term aus.[10]

Obwohl die Quantenchromodynamik ein Hauptanwendungsgebiet der Gittereichtheorie ist, gibt es selbst in der Hochenergiephysik Untersuchungen mit Gittermethoden, die über die QCD hinausgehen, z. B. zum Higgs-Mechanismus.[15]

Für die QCD selbst hat sich u. a. ein an der Universität Regensburg zentrierter größerer Verbund gebildet, der Aktivitäten vieler in Deutschland (und Norditalien) führender Forschungsplätze bündelt und mit einem speziellen Hochleistungsrechner, QPACE, auf vorhandene Erfahrungen (siehe QCDOC in der englischen Wikipedia) und ein zukunftsweisendes Konzept zurückgreifen kann.

Ausgewählte Ergebnisse

Darstellung eines Mesons in einer Gitter-QCD Simulation. (Aus M. Cardoso et al.[16])

Ein Vorteil von Simulationen von Gittereichtheorien ist, dass vor allem eichinvariante Größen zugänglich sind. Dies führte zu einer Berechnung aller Meson- und Baryon-Grundzustände, die Up-, Down- oder Strange-Quarks enthalten, so dass die Massen zum Beispiel der Nukleonen mit Genauigkeiten von 1 bis 2 Prozent berechnet wurden (Budapest-Marseille-Wuppertal-Kollaboration 2008).[17][18] Dabei dienten drei Hadronmassen (darunter Pion, Kaon) zur Festlegung der Isospin-gemittelten Massen von (u,d,s) Quarks und der Gesamtenergieskala. Die fehlerkontrollierte Berechnung war das Ergebnis von jahrzehntelanger weltweiter Entwicklung der Methoden der QCD-Gittereichtheorie, sowohl von theoretischer Seite als auch von Seite der Algorithmen und Supercomputer. Die genauere Analyse, wie sich die Nukleonmassen auf einzelne QCD-Beiträge aufteilen gelang 2018: auf Quarkbeiträge gehen nur rund 9 Prozent zurück, ein Drittel auf die Bewegungsenergie der eingesperrten Quarks, der Rest auf Gluonenbeiträge.[19][20] Ein typisches Resultat (siehe die Grafik) zeigt, dass in einem Meson nicht nur die Teilchen, Quarks und Antiquarks, sondern auch die „Flussschläuche“ der Gluonen-Felder wichtig sind.

Mit solchen Rechnungen lassen sich auch kollektive Effekte studieren, die mit dem Confinement-Phänomen in Zusammenhang stehen könnten. Dies können z. B. topologische Anregungen wie Instantonen[21], Monopole[22] und Solitonen, oder Perkolationseffekte des Zentrums der Eichgruppe[23] sein.

Es lassen sich auch Berechnungen der QCD bei hohen Temperaturen durchführen, um den Übergang in das Quark-Gluon-Plasma zu studieren,[24] der in Experimenten an Teilchenbeschleunigern[25] oberhalb von etwa 1,2×1012 Kelvin gemessen wurde.

Literatur

  • István Montvay und Gernot Münster: Quantum Fields on a Lattice Cambridge University Press, Cambridge 1994, ISBN 0-521-40432-0.
  • Heinz J. Rothe: Lattice Gauge Theories: An Introduction World Scientific Lecture Notes in Physics, 4. Auflage, 2012, ISBN 978-981-4365-85-7. Open Access
  • Thomas DeGrand und Carleton DeTar: Lattice Methods for Quantum Chromodynamics, World Scientific Publishing, Singapur 2006, ISBN 981-256-727-5.
  • Christof Gattringer und Christian B. Lang: Quantum chromodynamics on the lattice, Lect. Notes Phys. 788, 2010, ISBN 978-3-642-01849-7.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Die Definition der Plakettenvariablen ist analog zu der beim klassischen Satz von Stokes.
  2. J. Kogut, L. Susskind: Hamiltonian Formulation of Wilson's Lattice Gauge Theories, Phys. Rev. D11 (1975) 395.
  3. vgl. z. B. M. Creutz: „Why rooting fails“, PoS(Lat2007)007. arxiv:0708.1295.
  4. D.B. Kaplan, Phys. Lett. B288 (1992) 342.
  5. Y. Shamir, Chiral fermions from lattice boundaries, Nucl. Phys. B406 (1993) 90.
  6. L. Karsten: Lattice Fermions in Euclidian Space-Time, Phys. Lett. B104 (1981) 315.
  7. F. Wilczek: On Lattice Fermions, Phys. Rev. Lett. 59 (1987) 2397.
  8. M. Creutz: Four-dimensional graphene and chiral fermions, JHEP 04 (2008) 017. arxiv:0712.1201.
  9. Kenneth Wilson, Confinement of quarks. In: Physical Review D. Band 10, 1974, S. 2445–2459.
  10. 10,0 10,1 John Kogut: Introduction to lattice gauge theory and spin systems, Reviews of Modern Physics, Bd. 51 (1979), S. 659–713.
  11. John Kogut: The lattice gauge theory approach to quantum chromodynamics, Rev. Mod. Phys., Bd. 55 (1983), S. 775–836.
  12. Kenneth Wilson: The Origins of lattice gauge theory, Nucl. Phys. Proc. Suppl. 140 (2005), S. 3–19. arxiv:hep-lat/0412043
  13. Interessant ist hierbei, dass Kenneth Wilsons Arbeiten zur Renormierungsgruppe, für die er den Nobelpreis erhielt, ebenfalls in festkörpertheoretischem Zusammenhang entstanden (siehe den angegebenen Artikel zur Person).
  14. F. Wegner, Duality in Generalized Ising Models and Phase Transitions without Local Order Parameter, J. Math. Phys. 12 (1971) 2259–2272. Reprinted in Claudio Rebbi (ed.), Lattice Gauge Theories and Monte Carlo Simulations, World Scientific, Singapore (1983), p. 60–73.
  15. E. Fradkin und S.H. Shenker: Phase diagrams of lattice gauge theories with Higgs fields, Phys. Rev. D 19, 3682–3697 (1979) .
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  24. Zu den Gitter-Rechnungen: siehe F. Karsch: The Phase Transition to the Quark-Gluon Plasma: Recent Results from Lattice-QCD, 1995, arxiv:hep-lat/9503010v1
  25. Zu den Experimenten: Pressemitteilung des BNL über die Erzeugung des Quark-Gluon-Plasmas (engl.), 2005