Die Fermi-Energie (auch Fermi-Niveau oder Fermi-Potential, engste Umgebung Fermi-Kante; nach Enrico Fermi) ist ein physikalischer Begriff aus der Quantenstatistik. Sie gibt die höchste Energie an, die ein Teilchen in einem Vielteilchensystem gleichartiger Fermionen (einem sog. Fermi-Gas) haben kann, wenn das System als Ganzes in seinem Grundzustand ist.[1]
Am absoluten Nullpunkt sind alle Zustände zwischen dem tiefstmöglichen Niveau und der Fermi-Energie voll besetzt, darüber keiner. Dies ist eine Folge des nur bei Fermionen (z. B. Elektronen) geltenden Pauli-Prinzips, nach dem sich in keinem Zustand mehr als ein Teilchen befinden kann; zur näheren Begründung siehe Fermi-Dirac-Statistik. Die Zustände werden also vom Zustand geringster Energie aufgefüllt. Für den Grundzustand trennt die Fermi-Energie also die besetzten von den unbesetzten Zuständen. Die Fermi-Energie wird als Energiedifferenz zum tiefstmöglichen Energieniveau angegeben.
Führt man dem System Energie zu, dann bezeichnet die Fermi-Energie diejenige Energie, bei der im thermodynamischen Gleichgewicht die Besetzungswahrscheinlichkeit gerade 50 % beträgt, siehe chemisches Potential.
Die Fermi-Energie macht sich z. B. beim Photoeffekt an Metalloberflächen in Gestalt der Austrittsarbeit bemerkbar, als die Arbeit also, die einem Elektron an der Fermikante mindestens zugeführt werden muss, um es aus dem Metall herauszuschlagen.
Für die Fermi-Energie $ E_{\mathrm {F} } $ in einem Gas aus nicht-wechselwirkenden Fermionen mit Masse $ m $ und Energiedispersionsrelation $ E(k)=\hbar ^{2}k^{2}/(2m) $ gilt
mit
Die Fermi-Energie ist eine Folge der Quantenphysik, insbesondere der Quantenstatistik. Die genaue theoretische Begründung des Begriffs setzt eine große Anzahl nicht-wechselwirkender Teilchen voraus. Durch die vielfältigen Wechselwirkungen der Fermionen ist die Fermi-Energie daher streng genommen eine Näherung, die überall dort große Bedeutung hat, wo die Eigenschaften des Systems nicht so sehr durch die Wechselwirkung der Teilchen, sondern stärker durch die gegenseitige Ausschließung bestimmt sind.[2]
Die Fermi-Energie spielt für die Eigenschaften eines Fermi-Gases nicht nur in seinem Grundzustand ($ T=0\,\mathrm {K} $) eine wichtige Rolle, sondern auch bei höheren Temperaturen, solange die thermische Energie $ k_{\mathrm {B} }T $ deutlich niedriger ist als die Fermi-Energie:[3]
mit
Die Fermi-Kante ist dann keine absolut scharfe Begrenzung mehr, wo die Besetzungszahl der Einteilchenzustände von 1 auf 0 springt, sondern etwas aufgeweicht: Die Besetzungszahl fällt in einem Energiebereich von einigen $ k_{\mathrm {B} }T $ stetig von (nahezu) 1 auf (nahezu) 0 ab. Solche Fermi-Gase werden als entartet bezeichnet. Jedes Fermi-Gas ist entartet, wenn es nicht zu sehr verdünnt und die Temperatur nicht zu hoch ist. Die genaue Abhängigkeit der Besetzungszahl von der Energie und der Temperatur gibt die Fermi-Verteilung an.
Zwar stimmt es für schwach wechselwirkende fermionische Systeme nicht mehr, dass alle Zustände, die energetisch unter der Fermi-Energie liegen, besetzt sind und alle darüber unbesetzt, aber auch hier hat die Fermi-Energie noch eine große Bedeutung. Angeregte Zustände mit Energie $ E $ knapp ober- oder unterhalb der Fermi-Energie sind dann so langlebig, dass sie noch gut als Teilchen definiert sind (Lebensdauer $ \tau \propto 1/[(E-E_{F})^{2}+(\pi k_{B}T)^{2}] $, man spricht dann von Quasiteilchen oder -löchern). „Gut als Teilchen definiert“ ist hier so zu verstehen, dass man diese angeregten Zustände nahe der Fermi-Kante, die keine Eigenzustände des Hamiltonoperators mit Elektron-Elektron-Wechselwirkung sind (daher die endliche Lebensdauer), näherungsweise mit den Eigenzuständen des wechselwirkungsfreien Hamiltonoperators identifizieren kann. All dies wird beschrieben in der Fermi-Flüssigkeitstheorie.[4] Aus dieser Theorie wird deutlich, dass die Zustände mit Energien nahe der Fermikante z. B. für Transportphänomene wie elektrische oder Wärmeleitfähigkeit essentiell sind und warum einfache Theorien, die die Elektron-Elektron-Wechselwirkung komplett vernachlässigen, wie die Drude- und Sommerfeld-Theorie, manchmal akzeptable Ergebnisse für reale Materialien liefern (meist nur bei Materialien ohne starke Wechselwirkung oder komplizierte Bandstrukturen).
Für diese Herleitung betrachtet man einen Festkörper mit einem unabhängigen Elektronengas, vernachlässigt also die Elektron-Elektron-Wechselwirkung. Außerdem betrachtet man es im Grundzustand, also bei einer Temperatur von 0 Kelvin. Als Näherung für den Festkörper nimmt man ein unendliches, periodisches Potential an und beschreibt die Wellenfunktion in einem Würfel der Kantenlänge L, sodass für die Wellenfunktion als Randbedingung
gilt. Mit der Bloch-Funktion als Lösung für die stationäre Schrödingergleichung ergibt sich für die Komponenten des Wellenzahlvektors als Bedingung
mit ganzen Zahlen $ n_{i} $, wobei i für die x-, y- oder z-Komponente steht.
Für den Grundzustand werden die Energie-Niveaus bis zur Fermi-Energie $ E_{F} $ mit
komplett aufgefüllt, also nach dem Pauliprinzip mit je maximal zwei Elektronen entgegengesetzten Spins. Dabei ist $ k_{F} $ die zur Fermi-Fläche gehörende Wellenzahl.
Aus der Bedingung für $ k_{i} $ ergibt sich, dass in einem k-Raum-Volumen von
genau ein Zustand liegt, in einer Kugel mit dem Radius $ k_{F} $ und dem Volumen $ V_{F}=(4\pi /3){k_{F}}^{3} $ (der Fermi-Kugel) sich also $ V_{F}/V_{0} $ Zustände, d. h. doppelt so viele Elektronen befinden.
Wenn man diese Beziehung nach $ k_{F} $ umstellt und in die Fermi-Energie einsetzt, ergibt sich die eingangs genannte Formel
Die Fermi-Energie im Halbleiter/Isolator liegt etwa in der Mitte der Bandlücke. Dies resultiert aus der Fermi-Dirac-Statistik. Darin beschreibt der Parameter Fermi-Energie die Energie, bei der ein Elektronenzustand (wenn es an dieser Stelle einen gäbe) mit Wahrscheinlichkeit ½ besetzt ist (was nicht mit dem Begriff Aufenthaltswahrscheinlichkeit zu verwechseln ist, der das Absolutquadrat der Wellenfunktion eines Elektrons an einem bestimmten Ort bezeichnet).
Durch Dotierung kann die Fermi-Energie im Halbleiter verschoben werden:
Damit hat die Fermi-Energie einen wichtigen Einfluss auf die elektrischen Eigenschaften eines Halbleiters und ist von enormer Bedeutung beim Design elektrischer Bauelemente (z. B. Transistoren).
Die Fermi-Energie hilft in vielen Teilgebieten der Physik, Phänomene zu beschreiben, die keine klassische Deutung haben.