Das sowjetische bemannte Mondprogramm war der vergebliche Versuch der sowjetischen Raumfahrt, den USA beim Wettlauf zum Mond zuvorzukommen.
Nach den erfolgreichen Raumsonden-Programmen Lunik ab 1959 und Luna ab 1963 sollte ein Kosmonaut als erster Mensch auf dem Mond landen. Das sowjetische Mondprogramm war bis in die Glasnost-Zeit streng geheim. Details darüber wurden erst nach 1990 bekannt.[1]
Am 1. August 1964 wurde durch Erlass 655-268 des Ministerrates das sowjetische bemannte Mondprogramm in zwei Projekte gespalten:
Mit Wirkung vom 25. Dezember 1965 wurde das Projekt UR-500/LK-1 in das Projekt UR-500/L1 überführt und ging damit in Koroljows OKB-1 über. Trotzdem blieb das Programm weiterhin in zwei weitgehend unabhängige Projekte unterteilt, die nur wenig voneinander profitierten. Gemeinsam verwendet wurden letztlich nur der Block D, weitgehend verschiedene Versionen der Kommandokapsel des Sojus-Raumschiffs und des Rettungssystems SAS. Das ursprünglich geplante aber nie fertiggestellte Raumschiff LK-1 stellte sogar eine völlig unabhängige Entwicklung von Tschelomeis OKB-52 dar.
Für die bemannten Vorbeiflüge am Mond sollte wegen der beschränkten Nutzlastkapazität der Trägerrakete Proton (UR-500K) eine spezielle zweisitzige Version des Sojus-Raumschiffes ohne Orbitalsektion mit der Bezeichnung 7K-L1 eingesetzt werden. Wegen des geringen Treibstoffvorrates dieser Kombination war es nicht möglich, in den Mondorbit einzuschwenken. Das Raumschiff sollte daher nur einen Vorbeiflug ausführen und dann zur Erde zurückkehren.
Von 1968 bis 1970 wurden unter den Bezeichnungen Zond 4 bis Zond 8 unbemannte Testflüge unternommen. Teilweise wurden Tiere mitgeführt, um zu sehen, wie sie auf die Schwerelosigkeit reagieren. Von diesen Flügen liefen nur Zond 7 und Zond 8 planmäßig ab, andere waren nur teilweise erfolgreich oder erwiesen sich als totale Fehlschläge. Die Kombination UR-500/L1 wies mit den beiden Flügen von Zond 7 und Zond 8 ihre technische Qualifikation nach, allerdings mit drei Jahren Verspätung und erst nach den Mondlandungen der NASA ab 1969.
Insgesamt waren drei bemannte Flüge geplant, die ursprünglich von August bis Oktober 1967 stattfinden sollten. Das Programm geriet aber wegen enormer technischer Mängel an der Proton und auch am Raumschiff in einen dreijährigen Zeitverzug. Wie im sowjetischen Raumfahrtprogramm üblich, wurden zwar Kosmonautengruppen ausgebildet, jedoch keine feste Zuordnung von Raumfahrern und bestimmten Flügen vorgenommen. Nachdem die NASA mit Apollo 8 bereits im Dezember 1968 den Mond mehrfach umrundet hatte und mit Apollo 11 auf dem Mond gelandet war, wurden die bemannten Flüge abgesagt.
Für eine bemannte Mission reichte die Nutzlast von 5 t der bisher im bemannten Programm eingesetzten R-7 bei weitem nicht aus. Mit der Großrakete N1 sollten nun 95 t erreicht werden, vergleichbar mit den 133 t der amerikanischen Mondrakete Saturn V. Durch die geringere Nutzlast gerieten alle Teilprojekte unter den Druck der Massereduzierung. Das wiederum ging zu Lasten der Redundanz und Zuverlässigkeit der Teilsysteme. Reserven (die Masse kosten), wie sie beispielsweise bei Apollo 13 für die erfolgreiche Rettung der Besatzung zur Verfügung standen, waren bei Nutzung der ursprünglichen N1 faktisch nicht vorhanden.
Die Entwicklung der N1 krankte vor allem daran, dass keine passenden großen Triebwerke wie bei der Saturn V verfügbar waren oder entwickelt wurden. Von den vorgesehenen Kusnezow-NK-15-Triebwerken mit je 1,44 MN Schub (für Starts ab 1974 waren verbesserte Triebwerke NK-33 vorgesehen) mussten daher 30 Stück parallel eingesetzt werden, was eine komplexe Steuerung, Treibstoffversorgung und neuartige dynamische Probleme bedingte. Auch standen weder ausreichend Zeit noch Mittel für den Bau eines Prüfstands der ersten Stufe zur Verfügung. Nach vier Fehlstarts in den Jahren 1969 bis 1972 wurden das Entwicklungsprogramm der N1 1974 und das darauf basierende bemannte Mondlandungsprojekt endgültig eingestellt.
Das LOK ({{Modul:Vorlage:lang}} Modul:ISO15924:97: attempt to index field 'wikibase' (a nil value), Lunnyi Orbitalnyi Korabl ‚Mondorbitalraumschiff‘) war eine Weiterentwicklung des Sojus-Raumschiffs. Wie dieses bestand es aus drei Teilen:
Die Energie sollte wie bei Apollo-Raumschiffen durch Brennstoffzellen und nicht wie bei den Sojus-Raumschiffen mit Solarauslegern geliefert werden. Das Mondorbitalraumschiff sollte Platz für zwei Personen bieten und etwa zehn Tonnen wiegen.
Von dem Lunniy Korabl („Mondschiff“, LK), dem sowjetischen Mondlander, sind bis heute nur wenige technische Details bekannt: Er war 5,20 m hoch und bestand aus einem 1440 kg schweren kugelförmigen Kabinenmodul, einem 2950 kg schweren Triebwerksblock (Block E) und einem 1260 kg schweren Landegestell. Er wog damit gerade ein Drittel seines amerikanischen Gegenstücks und hatte nur für einen Kosmonauten Platz. Im Unterschied zur Apollo-Mondlandefähre war der LK einstufig konstruiert: Beim Rückstart vom Mond sollte nur das Landegestell zurückbleiben.
Der Mondlander wurde, getarnt als Kosmos-Satellit, drei Mal unbemannt im Erdorbit getestet: Kosmos 379 im November 1970, Kosmos 398 im Februar 1971 und Kosmos 434 im August 1971. Die Starts erfolgten mit Sojus-L-Raketen, einer speziell für diesen Zweck angepassten Version der Sojus-Rakete. Die Tests verliefen erfolgreich und die Landefähre erreichte als einziger Teil des sowjetischen Mondlandungsprojektes die Einsatzreife, flog aber nie zum Mond.
Heute steht ein Nachbau der Landefähre in Euro Disney bei Paris.
Für die Mondmission wurde durch NPP Swesda der Raumanzug Krechet entwickelt, der den Kosmonauten bei seinem Aufenthalt auf dem Mond schützen sollte. Im Unterschied zum amerikanischen Modell war der Einstieg von hinten vorgesehen. Dazu konnte die Lebenserhaltungseinheit weggeklappt werden. Ein bereits fertiggestelltes Modell ist im National Air and Space Museum in Washington, D.C. (USA) ausgestellt.
Nach dem Start sollten das Raumschiff LOK und die Fähre LK zusammen mit den speziellen Antriebsblöcken G und D (Block D wird bis heute in der Proton-Rakete eingesetzt) zum Mond fliegen und dort in einen Orbit einschwenken. Der Landekosmonaut wäre durch ein Außenbordmanöver in das LK gewechselt und hätte es zusammen mit dem Block D abgekoppelt, der den Großteil der für die Landung benötigten Bremsverzögerung aufgebracht hätte. 4 km über der Mondoberfläche sollte der Block D abgeworfen werden und die Mondfähre hätte mit ihrem eigenen Antriebssystem (Block E) weiter bis zum Aufsetzen abgebremst.
Nach einem Aufenthalt von 24 Stunden und einem Mondspaziergang von sechs Stunden wäre das LK mit dem eigenen Antriebssystem in einen niedrigen Mondorbit gestartet und hätte dort mit dem Orbitalschiff gekoppelt werden sollen. Nach dem Umstieg des Landekosmonauten sollte es zum Absturz gebracht werden und das LOK anschließend mit beiden Kosmonauten zur Erde zurückkehren.
siehe auch: LK-700
Einige Kandidaten, darunter auch Alexei Leonow, Pawel Popowitsch und Waleri Bykowski, wurden ausgewählt, um für die Mondflüge zu trainieren. Zwar erreichte mit dem erfolgreichen Flug von Zond 8 das Projekt des Mondvorbeifluges im Herbst 1970 die Einsatzreife, jedoch wurden nach den ab Dezember 1968 erfolgreichen Apollomissionen alle bemannten Flüge gestrichen. Damit endete das Projekt UR-500/L1 im Jahre 1970 ohne einen erfolgreichen Abschluss auf Weisung der politischen Führung trotz der nun vorhandenen technischen Möglichkeiten.
Beim Mondlandungsprojekt erreichte nur die Landefähre ihre Flugqualifizierung. Zum Zeitpunkt der erfolgreichen Mission von Apollo 11 im Juli 1969 war wegen der Schwierigkeiten mit der Trägerrakete N1 eine sowjetische Landung frühestens ab 1972 (und damit vier Jahre später als ursprünglich von Koroljow geplant) zu erwarten. Nunmehr konzentrierte sich die UdSSR ab Januar 1970 zunehmend auf die Entwicklung der Saljut-Raumstationen, um zumindest auf diesem Gebiet den Amerikanern, deren Skylab-Programm bereits bekannt war, zuvorzukommen. Trotzdem trainierten bis zum Oktober 1973 noch Kosmonauten für die Mondlandung. Dabei wollte man die Amerikaner nachträglich durch eine geplante Mondstation überflügeln. Dieses Projekt wurde nach der Ablösung Wassili Mischins durch Walentin Gluschko und der Umwandlung des damaligen ZKBEM (ehemals OKB-1) in die Organisation NPO Energia im Jahre 1974 endgültig eingestellt. Zu diesem Zeitpunkt war die erste sowjetische bemannte Mondlandung für Mitte bis Ende 1975 vorgesehen.
Im Gegensatz zum bemannten Mondprogramm war die unbemannte Erforschung des Mondes durch die Sowjetunion recht erfolgreich. Mit Luna 9 gelang im Februar 1966 die erste weiche Landung auf dem Mond, mit Lunochod 1 wurde im November 1970 das erste Mondfahrzeug eingesetzt. Luna 16 war im September 1970 die erste unbemannte Mission, die Mondgestein zur Erde brachte, allerdings war dies nach der bemannten Mondlandung der USA im Juli 1969.
Seit den 2000er Jahren bereitet Russland ein Nachfolgeprogramm vor. Anfangs war eine Zusammenarbeit mit der ESA geplant; 2009 entschied Russland sich dann zu einer Fortsetzung des Projekts in Eigenregie und begann mit der Entwicklung eines geeigneten Raumschiffs,[2] das heute den Namen Federazija trägt. Es werden Mondlandungen und langfristig – in den 2030er Jahren – auch die Errichtung einer Mondbasis angestrebt.[3]