James-Webb-Weltraumteleskop | ||||||||||||||||||||||
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Oberseite des James-Webb-Weltraumteleskops | ||||||||||||||||||||||
NSSDC ID | 2021-130A | |||||||||||||||||||||
Missionsziel | L2-Orbit (Sonne-Erde) | |||||||||||||||||||||
Betreiber | NASA[1] ESA CSA CSA | |||||||||||||||||||||
Trägerrakete | Ariane 5 ECA+ (Flug VA256) | |||||||||||||||||||||
Aufbau | ||||||||||||||||||||||
Startmasse | 6350 kg[2] | |||||||||||||||||||||
Größe | ca. 21 × 14 m (Sonnenschild) 6,5 m (Ø Primärspiegel)[3] | |||||||||||||||||||||
Instrumente | ||||||||||||||||||||||
NIRCam; MIRI; NIRSpec; FGS/NIRISS |
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Verlauf der Mission | ||||||||||||||||||||||
Startdatum | 25. Dezember 2021, 12:20 UTC | |||||||||||||||||||||
Startrampe | Centre Spatial Guyanais, ELA-3 | |||||||||||||||||||||
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Das James-Webb-Weltraumteleskop (engl.: James Webb Space Telescope, abgekürzt JWST oder Webb) ist ein Weltraumteleskop für die Infrarotastronomie.
Es wurde ab 1996 als gemeinsames Projekt der Weltraumagenturen NASA, ESA und CSA entwickelt und kann als wissenschaftlicher Nachfolger des Hubble-Weltraumteleskops und des Spitzer-Weltraumteleskops betrachtet werden. Das JWST startete am 25. Dezember 2021 und erreichte zum 24. Januar 2022 eine Umlaufbahn um den etwa 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernten Lagrange-Punkt L2 (von Erde und Sonne).
Das Teleskop ist nach dem früheren NASA-Administrator James Edwin Webb benannt. Die Namensgebung ist umstritten, da Webb als Manager und nicht als Wissenschaftler tätig war. Er hatte außerdem in seiner Funktion während der McCarthy-Ära Mitarbeiter auf Grund ihrer homosexuellen Orientierung entlassen.[4][5][6]
Das JWST hat vier wissenschaftliche Hauptaufgaben:[7][8]
Das JWST reagiert teilweise 100-fach empfindlicher auf elektromagnetische Wellen als das Hubble-Teleskop. Die technische Präzision ermöglicht es dem JWST, neue Blicke in das Sonnensystem zu werfen, in das Innere von Sternentstehungsgebieten zu schauen und die chemische Zusammensetzung der Atmosphären von Exoplaneten detaillierter zu analysieren.[7]
Das JWST untersucht Wellenlängen von 0,6 bis 28 µm, das heißt vom sichtbaren roten Licht bis in das mittlere Infrarot. Licht aus weit entfernten und damit auch frühen Regionen des Universums wird durch die kosmologische Rotverschiebung in diesen Bereich verschoben. Infrarot wird auch von kühlen Objekten ausgestrahlt und kann interstellare Gaswolken besser durchdringen als sichtbares Licht.[8]
Die Primärmission war für eine Dauer von fünf Jahren mit einer Verlängerung auf mindestens zehn Jahre geplant. Da die Flugbahn beim Start weit genauer als erforderlich getroffen wurde und alle Brennphasen zum optimalen Zeitpunkt und mit dem optimalen Ergebnis abgelaufen sind, bleibt mehr Treibstoff für die Mission übrig und so ist es möglich, dass der Betrieb auch noch weit länger als zehn Jahre aufrechterhalten werden kann.[9]
Die NASA, die ESA und die CSA begannen ihre Kooperation für die Entwicklung des Weltraumteleskops 1996, zunächst unter der Bezeichnung Next Generation Space Telescope. Es sollte ursprünglich 2007 gestartet werden. Später war ein Start im Jahr 2014 mit einer Ariane 5 geplant.[10] Der Anteil der Beteiligung der ESA sowohl bei Konstruktion als auch Inbetriebnahme wurde 2003 durch deren Mitgliedstaaten bestätigt; im Jahr 2007 wurde dazu eine offizielle Vereinbarung zwischen NASA und ESA getroffen.[11][12] Das letzte Segment des Hauptspiegels verließ am 7. Februar 2007 die Fertigung als Rohling, um geschliffen und poliert zu werden.
Für Bau und einen zehnjährigen Betrieb waren die notwendigen 3,3 Milliarden Euro auf US-amerikanischer Seite zunächst gesichert. Aufgrund der enorm gestiegenen Kosten empfahl der Wissenschaftsausschuss des US-Repräsentantenhauses jedoch am 13. Juli 2011, den Bau des Teleskops zu stoppen. Die Baukosten wurden von der NASA zu diesem Zeitpunkt auf 8,7 Milliarden US-Dollar geschätzt.[13] Bis dahin waren etwa 3 Milliarden US-Dollar (2,6 Mrd. €) ausgegeben worden und etwa 75 % der notwendigen Komponenten waren angeschafft, darunter die meisten wissenschaftlichen Instrumente. Auch alle Elemente des Primärspiegels waren fertiggestellt. Im Dezember 2014 galt die Finanzierung einschließlich der Betriebskosten für die ersten fünf Jahre wieder als gesichert und ein Start wurde ab 2018 erwartet.[14]
Im November 2015 wurde mit der Endfertigung begonnen.[15] Bis Anfang Februar 2016 wurden die 18 Segmente des Primärspiegels installiert.[16] Im November 2016 konnten am Spiegel erste Messungen der optischen Eigenschaften durchgeführt werden.[17] Am 18. Dezember 2015 wurde der Liefervertrag für die Ariane-5-Rakete unterzeichnet. Der Flug war nun für Frühjahr 2019 geplant[18] und wurde dann auf frühestens Mai 2020 verschoben, nachdem verschiedene Qualitätsmängel erkannt worden waren. Unter anderem gab es Probleme mit den Steuertriebwerken und beim Entfalten des Sonnenschildes.[19] Mehrfach waren Folien des Sonnenschildes gerissen. Bei einem Vibrationstest fielen Schrauben und Unterlegscheiben aus dem Teleskop.[20][21] Im Jahr 2018 wurden die Gesamtkosten der Mission auf 9,66 Milliarden US-Dollar eingeschätzt, davon 8,8 Milliarden US-Dollar an Entwicklungskosten.[22]
In der Phase vor dem Start folgten weitere Verschiebungen, unter anderem weil nach dem Transport zum Weltraumbahnhof ein Klemmband locker war und wegen unpassender Wetterbedingungen.[23][24] Bis Dezember 2021 erreichten die Kosten 9,7 Milliarden US-Dollar.[25] Es handelt sich damit um das teuerste wissenschaftliche Projekt in der unbemannten Raumfahrt.[26]
Die ESA trägt rund 300 Millionen Euro bei, anteilig getragen von Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Portugal, Spanien, Schweden, der Schweiz und Tschechien.[11] Darin sind die Startkosten der Ariane-5-Rakete, das NIRSpec-Instrument, die optische Bank für das MIRI-Instrument und Personal (Astronomen der ESA) im wissenschaftlichen Missionszentrum (Space Telescope Science Institute) in Baltimore enthalten.[7][11] Insgesamt rechnet die ESA für den eigenen Anteil mit Kosten im Rahmen einer Medium-(M-Klasse)-Mission.[27][26] Die ESA-Astronomen erhalten dementsprechend mindestens 15 % der geplanten Beobachtungszeit fest zugeteilt.[7]
Die kanadische CSA stellt den Fine-Guidance-Sensor und den Near-Infrared-Imager-Slitless-Spektrographen sowie Personal zum Betrieb des Teleskops bereit.[28]
Im Sommer 2021 wurde das Teleskop in Long Beach beim Rüstungs- und Raumfahrtkonzern Northrop Grumman letzten Tests unterzogen und dann für den Transport in einen Spezialbehälter verpackt, der einen transportablen Reinraum darstellte. Ende September 2021 wurde es auf das Schiff MN Colibri verladen, das dann zum Raumfahrtzentrum Guayana auslief. Berücksichtigt wurde, dass Piraten das Schiff kapern könnten, um Lösegeld zu erpressen; deswegen wurden die Details über den Transport nicht medial verbreitet. Ein Transport auf dem Luftweg war aufgrund fehlender Infrastruktur in Französisch-Guayana keine Option, die Brücken zwischen Flughafen und Startbasis sind für einen solchen Schwertransport nicht ausgelegt.[29] Am 12. Oktober kam das Teleskop in einem Spezialtransport am Hafen Pariacabo bei Kourou an.[30]
Die Nutzlastverkleidung der Ariane-5-Trägerrakete wurde für das Teleskop modifiziert, weil bei vorherigen Missionsstarts der Rakete potentiell schädliche Vibrationen gemessen worden waren.[29] Die Nutzlastverkleidung hatte nun 28 Entlüftungsöffnungen, um den Druckausgleich während der Startsequenz zu gewährleisten.[7] Das Teleskop wurde für den Transport in der Rakete zusammengefaltet. Seine Gesamtmasse betrug beim Start inklusive Treibstoff etwa 6,2 Tonnen.[8] Der Schwerpunkt des zusammengefalteten Teleskops lag nicht auf der Rotationsachse der Rakete; zum Ausgleich musste Ballast mitgeführt werden.
Die Ariane-Rakete startete am 25. Dezember 2021 um 12:20 UTC vom Raumfahrtzentrum Guayana in Französisch-Guayana.[7] Beide Raketenstufen brachten das Teleskop auf Geschwindigkeit mit Kurs auf den 1,5 Millionen Kilometer entfernten Lagrange-Punkt L2 von Erde und Sonne. Die modifizierte Ariane ging nach dem Abstoßen der Verkleidung, drei Minuten nach dem Start, in eine langsame Rotation über, um Webb vor einer einseitigen Sonnenbestrahlung und Überhitzung zu schützen. Nach dem Abtrennen der Hauptstufe innerhalb der ersten 10 Minuten nach dem Start befand sich das Teleskop weitere 17 Minuten an der kryogenen ESC-A-Oberstufe, ehe es sich auch davon löste. Vom Start bis zur Abtrennung von der Trägerrakete hatte die französische Raumfahrtagentur CNES die Ariane 5 von Bodenstationen in Kourou, auf der Insel Ascension (im Südatlantik), in Natal (Brasilien), Libreville (Gabun) und Malindi (Kenia) aus nachverfolgt. Unmittelbar nach der Abtrennung des JWST von der ESC-A-Oberstufe der Ariane 5 übernahm ESTRACK, das Tracking-Bodenstationsnetzwerk der ESA, und verfolgte das JWST durch die frühe Orbitphase hindurch. Hierfür wurden die ESA-Bodenstation in Malindi (Kenia) und das Stationsnetzwerk der NASA genutzt.[7] 31 Minuten nach dem Start öffneten sich die Solarpaneele zur Energieversorgung.
Zum Zeitpunkt der Abschaltung des Triebwerks der ESC-A-Oberstufe hatte das JWST seine größte Geschwindigkeit von 9,90 km/s erreicht.[31] Danach sank die Geschwindigkeit kontinuierlich, weil das JWST in der meisten Zeit ohne Antrieb in Gegenrichtung zu den Gravitationskräften von Sonne und Erde flog. Dadurch wird die kinetische Energie in potentielle Energie umgewandelt. Bereits nach wenigen Tagen war die Geschwindigkeit auf unter 1 km/s abgesunken.
12 Stunden nach dem Start zündeten die Triebwerke für das MCC-1a (Mid-Course Correction) Manöver und feuerten über 65 Minuten für ein $ \Delta v $ von 20 m/s.[32] Mit dieser Schub-Korrektur („thrust correction“) wurde eine präzise Geschwindigkeitserhöhung erreicht. Da die Gesamtbeschleunigung der Ariane-Rakete aufgrund der großen Massen und großen Schubkraft nicht so präzise wie erwünscht eingestellt werden konnte, wurde sie absichtlich etwas zu gering gewählt. Für ein dadurch vermiedenes Bremsmanöver hätte sich die Sonde sonst um 180° drehen müssen, was die empfindlichen Instrumente dem Sonnenlicht ausgesetzt und dazu geführt hätte, sie zu überhitzen und irreparabel zu beschädigen.[33] Ein Tag nach dem Start wurden die beiden Richtantennen ausgefahren.[34][35] Nach ungefähr zweieinhalb Tagen erfolgte am 27. Dezember eine 9 Minuten und 27 Sekunden lange Brennphase MCC-1b mit einem $ \Delta v $ von 2,8 m/s.
Die komplizierte Entfaltung des Sonnenschilds zog sich über mehrere Tage hin. 2,7 Tage nach dem Start wurden die beiden Hauptträger für das Sonnensegel ausgeklappt. Um das JWST nach dem Ausfahren der Hauptträger vor Instabilität wegen des Sonnenwindes zu schützen, wurden Trimmklappen an den Hauptträgern des Sonnenschilds ausgefahren. Am vierten Tag nach dem Start wurde das Teleskop angehoben, um es von den übrigen Teilen wie Antrieb und Versorgungseinheit thermisch abzukoppeln. Sechs bis sieben Tage nach dem Start wurden die Schutzhüllen der Folien geöffnet, die beiden teleskopischen Seitenmasten zum Entfalten des Sonnenschilds ausgeschoben und damit einhergehend der Sonnenschild entfaltet. Vom siebten bis zum zehnten Tag nach dem Start wurden die Folien gestrafft und separiert, sodass zwischen jeder Lage ein Zwischenraum zur Wärmeabfuhr entstand. Nach 11 Tagen wurde der Sekundärspiegel ausgeklappt. Einen Tag später wurden die Kühlelemente der Instrumente hinter dem Primärspiegel ausgefahren. Am dreizehnten und vierzehnten Tag wurden die Seitenteile des Hauptspiegels in die Endposition ausgeklappt und verriegelt. Damit war die Entfaltung am 8. Januar 2022 abgeschlossen.[35][32][36]
Beim Start waren die 18 Segmente des Primärspiegels zur Sicherheit verriegelt. Ab dem 15. Tag nach dem Start waren die Segmente so weit abgekühlt, dass erste Ausrichtungstests ausgeführt werden konnten. Dann wurden sie um ca. 12,5 mm aus ihrer Parkkonfiguration mit etwas mehr als 1 mm pro Tag ausgefahren; dieser Prozess dauerte ungefähr vom 18. bis zum 28. Tag. Erst als alle Teile des Teleskops in einem thermischen Gleichgewicht waren, konnte mit der genauen Ausrichtung der Segmente begonnen werden.[35][32][36]
Am 24. Januar 2022, nach einem 29,5 Tage andauernden Flug, wurden die Triebwerke für die Brennphase MCC-2 knapp fünf Minuten gezündet, um mit einem $ \Delta v $ von 1,6 m/s die Bahn von Webb ein letztes Mal zu korrigieren und in die Umlaufbahn um den Lagrange-Punkt L2 zu gelangen.[35][32] Zum ersten Mal wurden nun auch die Hauptantenne und der Ka-Band-Sender in Betrieb genommen.
Das Teleskop kreist bei einer Geschwindigkeit von 202 Metern pro Sekunde (727 km/h) in einem Halo-Orbit um den Lagrange-Punkt L2 im System Erde-Sonne, etwa 1,5 Millionen km über der Nachtseite der Erde.[35][37] Die störende Infrarotstrahlung von Sonne, Erde und Mond trifft hier aus gleicher Richtung kommend auf das Teleskop und kann wirksam abgeschirmt werden. Außerdem sind, anders als in einem niedrigen Erdorbit, lange ununterbrochene Belichtungs- und Beobachtungszeiten möglich. Wichtig ist, die Sonde dauerhaft außerhalb des Erd- oder Mondschattens zu halten, damit die Stromversorgung durch die Solarzellen und die thermische Stabilität gewährleistet bleibt.
Ein weiterer Vorteil der Umlaufbahn um L2 ist, dass das Teleskop kaum gefährdet ist, von Weltraummüll getroffen zu werden. Ein Nachteil ist die im Vergleich beispielsweise zum Hubble-Teleskop große Entfernung zur Erde, was den Einsatz des Deep Space Networks zur Kommunikation notwendig macht.
Der Abstand zu L2 schwankt zwischen 250.000 km und 832.000 km.[38] Der gewählte Orbit war vom Startfenster innerhalb des synodischen Monats abhängig und ergab sich somit erst nach dem Start.[39] Ein Umlauf braucht ungefähr sechs Monate. Dabei muss alle 21 Tage durch Raketentriebwerke korrigiert werden, um den Orbit stabil zu halten.
Für die gleichmäßige Abkühlung aller Komponenten bis auf Betriebstemperatur, die Funktionstests, die Kalibrierung der Instrumente und die Feinjustierung der Spiegel sind ab Start sechs Monate Vorbereitungszeit angesetzt; Mitte 2022 werden die ersten wissenschaftlichen Daten erwartet.[35]
Zur Inbetriebnahme mussten mindestens 300 Mechanismen funktionieren, davon entfielen – je nach Definition – zwischen 144 und 178 auf die Entfaltung des JWST.[32][42] Diese Mechanismen lassen sich auf 59 „kritische Vorgänge“, von denen das Gelingen der Mission abhängt, zusammenfassen.[21] Das Teleskop ist vom Design her nicht für Reparatur- oder Wartungsarbeiten ausgelegt.[7]
Um sicherzustellen, dass die Beobachtungen nicht von der Infrarotstrahlung (Wärmestrahlung) des Teleskops und der Instrumente selbst gestört werden, müssen diese Bauteile dauerhaft unter 50 Kelvin (−223 °C) gehalten werden und insbesondere vor Sonnenstrahlung geschützt sein.[8] Der 21,2 m × 14,2 m große[8] Sonnenschild schirmt sie gegen Sonne, Erde und Mond ab. Das MIRI (Mid Infrared Instrument) wird zusätzlich aktiv auf unter 6 K (−267 °C) gekühlt. Am 13. April 2022 wurde gemeldet, dass das Instrument die Betriebstemperatur erreicht und alle Funktionstests bestanden hat und danach anhand bekannter Objekte kalibriert wird.[43]
Für Beobachtungen wird das ganze Observatorium auf das zu untersuchende Objekt ausgerichtet. Da sich der Sonnenschild immer zwischen Sonne und der Optik befinden muss, kann das JWST jedoch nicht frei um alle drei Achsen gedreht werden. Daher ist zum jeweiligen Zeitpunkt nur ein ringförmiger Ausschnitt von etwa 39 % des Himmels beobachtbar. Da sich das Teleskop zusammen mit der Erde um die Sonne bewegt, ist jedoch auf Dauer der gesamte Himmel im Blickfeld, wobei die Umgebung der beiden Pole der Ekliptik das ganze Jahr über beobachtet werden kann.[44]
Zum Ausrichten der Spiegelsegmente wurde als erstes Ziel HD 84406 im Großen Bären ausgewählt, ein Stern in 260 Lichtjahren Entfernung mit einer Magnitude von 6,7. Später wurde auf einen lichtschwächeren Stern gewechselt (2MASS J17554042+6551277, Magnitude 11). Am 16. März 2022 konnte die Kalibrierung auf die NIRCam erfolgreich abgeschlossen werden.[45]
Ein Drittel der Beobachtungszeit ist von Anfang an fest an Early Release Science and Guaranteed Time (GTO) Programme vergeben. Diese Beobachtungszeiten werden von den beteiligten Weltraumorganisationen gemäß einem Schlüssel zugewiesen. Zwei Drittel der Beobachtungszeit sind frei zu vergeben. Für den ersten Beobachtungszyklus mit über 6000 Stunden wurden 1172 Anträge aus 44 Ländern geprüft. Die Auswahl der Projekte wird von einem internationalen Gremium von Astronomen in verschiedenen Arbeitsgruppen entschieden, die jeweils die interessantesten davon auswählen. Die Vergabe geschieht dabei in einem Doppel-Blind-Verfahren. Weder wissen die Einreicher der Projekte, welche Wissenschaftler die Auswahl treffen, noch wissen die Wissenschaftler, von wem, oder aus welchem Land ein Projekt eingereicht wird. ESA hat sich das Mitspracherecht gesichert und Wissenschaftler aus den ESA-Staaten sind in allen Gremien vertreten. Von den 266 ausgewählten Projekten stammen 33 % von ESA-Mitgliedsstaaten, die 30 % der Beobachtungszeit belegen. Von den ausgewählten Projekten werden 41 % primär das NIRSpec- und 28 % das MIRI-Instrument benutzen.[46]
Das JWST besteht aus der Versorgungseinheit, dem Sonnenschild, dem Teleskop und mehreren Instrumenten. Zur Datenübertragung zwischen den Hauptkomponenten wird SpaceWire benutzt.[47]
Die Versorgungseinheit (offizielle Bezeichnung: Spacecraft Bus) stellt die Technik für die grundlegenden Funktionen für den Betrieb der Sonde bereit. Untergebracht ist sie in einer Box aus Kohlefaserverbundmaterial. Sie besitzt einen Adapterring, mit der das Teleskop auf der Trägerrakete befestigt wurde. Alle elektronischen Komponenten und stromführenden Teile sind gegen Weltraumstrahlung gehärtet und entsprechend gegen einschlagende Staubpartikel und geladene Teilchen geschirmt.[48]
Die Sonde verfügt über Solarmodule mit einer Leistung von 2000 W über die Missionszeit und Akkumulatoren zur Stromversorgung auf der heißen Seite. Dabei sind die Alterung der Solarzellen und mögliche sich akkumulierende Schäden durch Mikrometeoriten, sowie der Ausfall einzelner Zellen oder Stränge berücksichtigt.[49]
Die Sonde ist dreiachsenstabilisiert und hat zur Lagekontrolle Sonnensensoren, drei Sternsensoren, Hemispherical-Resonator-Gyroskope, sechs Reaktionsräder und Steuerdüsen. Die Sternsensoren haben ein Gesichtsfeld von etwa 16° und einen 512 × 512-Pixel-Sensor. Sie sind im Winkel von 45° zur Teleskopachse und gegeneinander angeordnet. Die beobachteten Sterne mit einer Magnitude bis 6 werden mit einer gespeicherten Sternkarte verglichen und daran wird die Raumausrichtung in drei Achsen erkannt. Die Ausrichtung der Teleskopachse geschieht durch Ausrichtung der gesamten Sonde. Die Ausrichtung der Teleskopachse anhand der Lagekontrolle liegt dabei im Bereich von 8″, noch bevor ein Leitstern erfasst ist und die Feinregulierung eingesetzt wird. Die Feinregulierung, die über einen beweglichen Spiegel ermöglicht wird, ist ein Teil des Teleskops und der Instrumente und nicht Teil der Lagekontrolle.[50]
Zwei ungerichtete Rundstrahlantennen mit Halbkugelcharakteristik im S-Band für Telemetrie, Kommandoübertragung und Satellite Laser Ranging dienen der Entfernungs- und Positionsbestimmung. Die Kommunikation über diese Antennen kann zu jeder beliebigen Zeit und in jeder Raumlage stattfinden, solange Sichtkontakt zu einer Bodenstation besteht. Die mögliche Datenrate reicht für einfache Steuerbefehle.
Eine Antenne mit 20 cm Durchmesser, die in gleicher Richtung wie die Haupt-Parabolantenne montiert ist, dient der Datenübertragung mit bis zu 40 kbit/s im S-Band.[51] Die Datenrate kann im Downlink (2,2…2,3 GHz, Sendeleistung 6 Watt) für Telemetrie zwischen 0,2 und 40 kbit/s und im Uplink (2,025…2,12 GHz) für Kommandos 2 bis 16 kbit/s betragen. Während der Einrichtzeit und in der Arbeitsphase wird das S-Band benutzt; es dient auch zur Notfallkommunikation. Im Gegensatz zum Ka-Band wird die Übertragung der Daten bei dieser Frequenz kaum durch schlechtes Wetter beeinflusst.
Über eine bewegliche 60-cm-Parabolantenne zur Kommunikation im Ka-Band (26 GHz) erfolgt die Übertragung der Wissenschaftsdaten. Diese Antenne kann aus jeder Lage auch während der Beobachtungen in Richtung Erde gerichtet werden. Die Antenne muss ungefähr alle 2 Stunden und 45 Minuten neu ausgerichtet werden, somit ist dieses die maximale Integrationszeit für Beobachtungen während der Datenübertragung und für spezielle Aufgaben, die während der Beobachtungszeit eine gleichzeitige Datenübertragung benötigen. Die Übertragung ist wahlweise mit einer Datenrate von 7, 14 oder 28 Mbit/s möglich. Normalerweise wird die höchste Datenrate benutzt, sie kann aber reduziert werden, wenn schlechte Wetterbedingungen an der Empfangsstation herrschen. Es ist eine vierstündige Datenübertragungsphase alle zwölf Stunden vorgesehen. Jeder vierstündige Kontakt kann im Normalbetrieb mindestens 28,6 GB Daten übermitteln.[51] Für den Downlink sind im regulären Betrieb die drei Antennenstationen des Deep Space Networks in Goldstone, Canberra und Madrid vorgesehen.
Das Kontrollsystem besteht aus dem Bordcomputer und einem Solid-State-Drive. Dieser Speicher hat eine Kapazität von 58,9 GB, ist ausgelegt für die in 24 Stunden anfallende Datenmenge und enthält sowohl die wissenschaftlichen Daten, als auch die Daten aus der Versorgungseinheit.
Die Antriebe sind an der Versorgungseinheit angebracht. Ihr Treibstoff ist für mindestens zehn Jahre Betrieb und das halbe Jahr Vorbereitungszeit ausgelegt.
Die präzise Flugbahn der Sonde zum Zielgebiet sparte einen großen Teil des Treibstoffs, der nun für Kurskorrekturen in der Umlaufbahn um den Lagrange-Punkt zur Verfügung steht; die Funktionsdauer des Teleskops verdoppelt sich damit auf voraussichtlich 20 Jahre.[53] Es gibt eine Vorrichtung zum Betanken des Teleskops vor dem Start. Diese Vorrichtung könnte mit einer Robotermission zum Nachfüllen der Treibstoffvorräte genutzt werden, es ist aber bisher keine solche Mission geplant.[54]
Die Versorgungseinheit mit dem Bordcomputer befindet sich auf der heißen Seite und wird bei einer Temperatur von ungefähr 300 K oder 27 °C betrieben. Zur Wärmeabführung gibt es Radiatoren. Der Hauptspiegel und die übrigen Spiegel sind gegen Wärmestrahlung abgeschirmt und passiv gekühlt. Die Instrumente der Nutzlast sind gegenüber der Versorgungseinheit thermisch isoliert und haben eine zusätzliche Kühlung und eigene Radiatoren auf der Rückseite des Hauptspiegels.
Der ca. 21 × 14 m[55] große Sonnenschild hat die Aufgabe, Infrarot- bzw. Wärmestrahlung vom Teleskop und den Instrumenten fernzuhalten. Der Mehrlagen-Strahlungsschild besteht aus fünf Lagen Kapton, einem Polyimid, das mit Aluminium beschichtet ist. Die beiden äußersten Lagen sind mit dotiertem Silizium beschichtet, das besonders gut Wärme abstrahlt. Die Dotierung erhöht die elektrische Leitfähigkeit und vermindert damit die statische Aufladung durch geladene Partikel; sie gibt den Folien einen rosa Schimmer. Die erste Lage zeigt in Richtung Sonne und ist 50 μm stark, die übrigen vier Lagen nur 25 μm. Die Aluminiumschicht ist 100 Nanometer dick, die Siliziumschicht 50 Nanometer.[56] Kleine verstärkte Löcher an unterschiedlichen Stellen sorgten dafür, dass die Luft zwischen den Lagen während der Startphase gleichmäßig entweichen konnte. Ein komplizierter Mechanismus sicherte die Folien während des Starts und sorgte für die korrekte Entfaltung auf dem Weg zum Ziel. Nach dem Entfalten besteht zwischen den Lagen ungefähr ein Abstand von 40 cm.
Die fünf Lagen Kaptonfolie schirmen das Teleskop nicht nur gegen Strahlung von Sonne und Erde ab, sondern auch von der Wärme der Versorgungseinheit, deren Elektronik eine gewisse Mindesttemperatur haben muss, um zuverlässig zu arbeiten. Die Temperaturdifferenz zwischen der sonnenzugewandten Seite mit ca. 358 K (85 °C) und der sonnenabgewandten Seite mit ca. 40 K (−233 °C) beträgt über 300 K.[57] Im mehrlagigen Design ist berücksichtigt, dass der Schild von Partikeln durchschlagen werden und Folien an einzelnen Stellen einreißen könnten und trotzdem die Funktionalität nicht verlorengeht; spezielle Verstärkungen verhindern, dass sich längere Risse bilden.
Das JWST ist als Korsch-Teleskop (TMA – Three-Mirror-Anastigmat) aufgebaut. Die effektive Brennweite beträgt 131,4 Meter.[8]
Der Hauptspiegel hat 6,5 Meter Durchmesser und besteht aus 18 sechseckigen Segmenten, die sich erst im All entfalten. Die Spiegel bestehen aus Beryllium, das hauptsächlich wegen seiner geringen Dichte, seiner hohen Festigkeit und seines unterhalb 100 K niedrigen Wärmeausdehnungskoeffizienten gewählt wurde.[8] Die Spiegel sind so konstruiert, dass sie dem Einschlag von Mikrometeoriten standhalten können, ohne dass sich dadurch die optischen Eigenschaften merklich verschlechtern. Das Flächengewicht der Berylliumplatten beträgt 10,3 kg/m², einschließlich der Spiegelmontierung 15,6 kg/m². Die einzelnen Segmente können mit Aktuatoren genau ausgerichtet werden. Jedes Segment hat einen Inkreisdurchmesser von 1,3 Metern, bei einer Masse von 20 Kilogramm. Gefertigt wurden sie von Ball Aerospace in Boulder (Colorado). Die Primär-, Sekundär- und Tertiärspiegel wurden in einer Vakuumkammer mit einer 100 nm starken Schicht Gold bedampft, das auch im Infrarotbereich sehr gut reflektiert. Nach der Goldschicht wurde noch eine dünne Glasschicht aus Siliziumdioxid aufgedampft, die die weiche Goldoberfläche vor Kratzern und Partikeln beschützt.[58]
Die Verformung der Spiegelsegmente bei der Abkühlung wurde bei ihrer Herstellung berücksichtigt; außerdem befindet sich in der Mitte eines jeden Segments ein siebter Aktuator, der die Krümmung noch genauer anpassen kann. Im Endzustand bilden alle Spiegelflächen eine gemeinsame Wellenfront, dafür müssen die Spiegel bis auf eine Toleranz von weniger als einer Wellenlänge ausgerichtet werden.[35]
Der konvexe Fangspiegel (Sekundärspiegel) lässt sich in sechs Freiheitsgraden ausrichten und ist an einer faltbaren Haltestruktur angebracht. Über den unbeweglichen Tertiärspiegel und einen Feinausrichtungsspiegel wird das Licht auf die Instrumente in der Bildebene geleitet. Der Feinausrichtungsspiegel dient zusätzlich zur Bildstabilisierung und kompensiert die Vibrationen, die von den Reaktionsrädern verursacht werden.
Die Instrumente für die wissenschaftlichen Beobachtungen befinden sich im Integrated Science Instrument Module (ISIM) hinter dem Primärspiegel. Sie verfügen jeweils über mehr als hundert verschiedene Einstellungsmöglichkeiten bzw. Beobachtungsmodi.[59]
NIRCam und MIRI verfügen über sternlichtblockierende Koronografen zur Beobachtung schwach leuchtender Ziele, wie extrasolarer Planeten und zirkumstellarer Scheiben, in unmittelbarer Nähe greller Sterne.[62]
Modell der NIRSpec (NIR-Spektroskopie)
Reflektorbauteile bei einem kryotechnischen Test im Marshall Space Flight Center
Montierter Primärspiegel im Goddard Space Flight Center mit eingeklapptem Sekundärspiegel
Test der NIRCam. Im Bild sind Kollimationslinsen zu erkennen
Größenvergleich JWST und Hubble (Animation)
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