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'''Kompatibilitätsbedingungen''' sind in der [[Kontinuumsmechanik]] Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit aus [[Differentialrechnung|Ableitungen]] eines Bewegungsfeldes nach dem Ort gebildeten Größen, das Bewegungsfeld rekonstruiert werden kann. Die abgeleiteten Größen sind dann ''kompatibel'' mit einem Bewegungsfeld. | '''Kompatibilitätsbedingungen''' sind in der [[Kontinuumsmechanik]] Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit aus [[Differentialrechnung|Ableitungen]] eines Bewegungsfeldes nach dem Ort gebildeten Größen, das Bewegungsfeld rekonstruiert werden kann. Die abgeleiteten Größen sind dann ''kompatibel'' mit einem Bewegungsfeld. | ||
Anwendung finden die Kompatibilitätsbedingungen in der Theorie der [[Spannungsfunktion]]en, mit deren Hilfe analytische Lösungen der ebenen und räumlichen, linearen Elastostatik berechnet werden können, z. B. bei der [[Airysche Spannungsfunktion|Airy’schen Spannungsfunktion]]. | |||
== Einführung == | |||
=== Motivation === | |||
[[Datei:dehnungsfeld1.png|mini|Bei der Verformung in der Ebene entsprechen zwei Verschiebungen drei Verzerrungsfeldern <math>\varepsilon_{11},\varepsilon_{22}</math> und <math>\varepsilon_{12}</math>. Aus ihnen kann das Verschiebungsfeld unten rekonstruiert werden, wenn die Kompatibilitätsbedingungen eingehalten werden.]] | |||
Bei der Bewegung eines Körpers durch den Raum treten in den für die Kontinuumsmechanik interessanten Fällen Verformungen auf, die sich durch die [[Verzerrungstensor|Verzerrungen]] quantifizieren lassen, die aus Ableitungen des Bewegungsfeldes nach dem Ort berechnet werden. Von den Verzerrungen gibt es im allgemeinen dreidimensionalen Fall sechs Komponenten. Sollen aus ihnen die drei Komponenten der Bewegung in x-, y- bzw. z-Richtung rekonstruiert werden, ist klar, dass die Verzerrungen nicht voneinander unabhängig sein können. Bei einer ebenen Bewegung liegen drei Verzerrungsfelder <math>\varepsilon_{11},\varepsilon_{22}</math> und <math>\varepsilon_{12}</math> vor, die zwei Verschiebungskomponenten in x- bzw. y-Richtung entsprechen (nach Umbenennung gemäß dem Schema 1 → x und 2 → y). Einen solchen Fall zeigt die nebenstehende Abbildung. Nun kann sich die Frage stellen, ob sich aus den Verzerrungsfeldern die Bewegung rekonstruieren lässt. Dies kann genau dann gelingen, wenn die Verzerrungen die für sie formulierten Kompatibilitätsbedingungen einhalten. | |||
Indem die drei Komponenten der Bewegung in x-, y- und z-Richtung nach den drei Ortskoordinaten in x-, y- bzw. z-Richtung abgeleitet werden, entstehen insgesamt neun Ableitungen, die die Komponenten des [[Deformationsgradient]]en bilden. Auch für die neun Komponenten des Deformationsgradienten existieren Kompatibilitätsbedingungen, die diese einhalten müssen, damit aus ihnen die Bewegung wieder hergestellt werden kann. | |||
== Bewegungen == | === Bewegungen === | ||
Um die Bewegung eines Körpers zu beschreiben, wird zunächst jedem Partikel des Körpers über die [[Konfiguration (Mechanik)|Referenzkonfiguration]] eineindeutig ein „Name“ oder „Etikett“ zugeordnet. Dieser „Name“ soll hier die Position | Um die Bewegung eines Körpers zu beschreiben, wird zunächst jedem Partikel des Körpers über die [[Konfiguration (Mechanik)|Referenzkonfiguration]] eineindeutig ein „Name“ oder „Etikett“ zugeordnet. Dieser „Name“ soll hier die Position | ||
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:<math>\vec{\chi}(\vec{X},t) | :<math>\vec{\chi}(\vec{X},t) | ||
=\vec{x} | =\vec{x} | ||
=\sum_{i=1}^{3}x_{i}\hat{e}_{i}\in\mathbb{V}^{3}</math> | =\sum_{i=1}^{3}x_{i}\hat{e}_{i}\in\mathbb{V}^{3} | ||
</math> | |||
mathematisch beschreibt. In Bezug auf die Standardbasis hat nun jedes Partikel zu einer Zeit <math>t\ge t_{0}</math> ''räumliche Koordinaten'' <math>x_{1,2,3}\in\mathbb{R}</math>. | mathematisch beschreibt. In Bezug auf die Standardbasis hat nun jedes Partikel zu einer Zeit <math>t\ge t_{0}</math> ''räumliche Koordinaten'' <math>x_{1,2,3}\in\mathbb{R}</math>. | ||
== Linearisierter Verzerrungstensor == | == Kompatibilitätsbedingungen == | ||
=== Linearisierter Verzerrungstensor === | |||
Der [[Verzerrungstensor#Linearisierter Verzerrungstensor|linearisierte Verzerrungstensor]] entsteht aus Ableitungen des ''Verschiebungsfeldes''. Die Verschiebung <math>\vec{u}</math> eines Partikels ist sein zurückgelegter Weg, mathematisch der Differenzvektor zwischen seiner aktuellen Position und seiner Position in der Ausgangskonfiguration: | Der [[Verzerrungstensor#Linearisierter Verzerrungstensor|linearisierte Verzerrungstensor]] entsteht aus Ableitungen des ''Verschiebungsfeldes''. Die Verschiebung <math>\vec{u}</math> eines Partikels ist sein zurückgelegter Weg, mathematisch der Differenzvektor zwischen seiner aktuellen Position und seiner Position in der Ausgangskonfiguration: | ||
:<math>\vec{u}(\vec{X},t):=\vec{\chi}(\vec{X},t)-\vec{X} | :<math>\vec{u}(\vec{X},t):=\vec{\chi}(\vec{X},t)-\vec{X} | ||
=\sum_{i=1}^{3}u_{i}(\vec{X},t)\hat{e}_{i} | =\sum_{i=1}^{3}u_{i}(\vec{X},t)\hat{e}_{i}</math>. | ||
Häufig kann, vor allem in technischen Anwendungen, angenommen werden, dass erstens diese Verschiebung im Vergleich zu Abmessungen des Körpers klein ist und zweitens auch die Ableitungen der Verschiebungen nach dem Ort klein gegen eins sind. Dann brauchen die materiellen Koordinaten <math>\vec{X}</math> und die räumlichen <math>\vec{x}</math> nicht mehr auseinandergehalten zu werden und die Verzerrungen des Körpers werden mit dem linearisierten Verzerrungstensor gemessen, der die Darstellung | Häufig kann, vor allem in technischen Anwendungen, angenommen werden, dass erstens diese Verschiebung im Vergleich zu Abmessungen des Körpers klein ist und zweitens auch die Ableitungen der Verschiebungen nach dem Ort klein gegen eins sind. Dann brauchen die materiellen Koordinaten <math>\vec{X}</math> und die räumlichen <math>\vec{x}</math> nicht mehr auseinandergehalten zu werden und die Verzerrungen des Körpers werden mit dem linearisierten Verzerrungstensor gemessen, der die Darstellung | ||
:<math>\boldsymbol{\varepsilon} | :<math>\begin{align} | ||
:=\ | \boldsymbol{\varepsilon} | ||
=\varepsilon_{ij}\hat{e}_{i}\otimes\hat{e}_{j} | :=& | ||
=\ | \frac12\left(\mathrm{grad}(\vec{u})+\mathrm{grad}(\vec{u})^\top\right) | ||
</math> | = | ||
\frac12(\nabla\otimes\vec{u}^\top+\nabla\otimes\vec{u}) | |||
\\=& | |||
\varepsilon_{ij}\hat{e}_{i}\otimes\hat{e}_{j} | |||
= | |||
\frac12(u_{i,j}+u_{j,i})\hat{e}_{i}\otimes\hat{e}_{j} | |||
\end{align}</math> | |||
besitzt. Darin ist „grad“ der [[Gradient (Mathematik)|Gradienten-]] und 𝜵 der [[Nabla-Operator]], das hochgestellte Zeichen <sup>⊤</sup> steht für die [[Transponierte Matrix|Transposition]], das Rechenzeichen „⊗“ bildet das [[Dyadisches Produkt|dyadische Produkt]] und in den letzten beiden Gleichungen wurde die [[Einsteinsche Summenkonvention]] angewendet. Hier wie im Folgenden ist über in einem Produkt doppelt vorkommende Indizes, oben ''i'' und ''j'', von eins bis drei zu summieren. Des Weiteren ist ein Index nach einem Komma eine abkürzende Schreibweise für die Ableitung nach der genannten Koordinate: | |||
:<math>u_{i,j}:=\frac{\partial u_i}{\partial x_j}</math>. | |||
Berechnung der [[Rotation eines Vektorfeldes|Rotation]] des Verzerrungstensors liefert: | |||
:<math>\begin{align} | :<math>\begin{align} | ||
\ | \nabla\times\boldsymbol{\varepsilon} | ||
:=& | :=& | ||
\hat{e}_k\times\frac{\partial}{\partial x_k}\boldsymbol{\varepsilon} | \hat{e}_k\times\frac{\partial}{\partial x_k}\boldsymbol{\varepsilon} | ||
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\\=& | \\=& | ||
\frac{1}{2} u_{i,jk}(\hat{e}_k\times\hat{e}_i)\otimes\hat{e}_j | \frac{1}{2} u_{i,jk}(\hat{e}_k\times\hat{e}_i)\otimes\hat{e}_j | ||
+\frac{1}{2}\underbrace{u_{j,ik}(\hat{e}_k\times\hat{e}_i)\otimes\hat{e}_j}_{=\ | +\frac{1}{2}\underbrace{u_{j,ik}(\hat{e}_k\times\hat{e}_i)\otimes\hat{e}_j}_{=\mathbf0} | ||
\\ | \\ | ||
\rightarrow | \rightarrow | ||
\ | \nabla\times\left((\nabla\times\boldsymbol{\varepsilon})^\top\right) | ||
=& | =& | ||
\hat{e}_l\times\frac{\partial}{\partial x_l}\left( | \hat{e}_l\times\frac{\partial}{\partial x_l}\left( | ||
\frac{1}{2} u_{i,jk}\hat{e}_j\otimes(\hat{e}_k\times\hat{e}_i)\right) | \frac{1}{2} u_{i,jk}\hat{e}_j\otimes(\hat{e}_k\times\hat{e}_i)\right) | ||
=\frac{1}{2}u_{i,jkl}\hat{e}_l\times\hat{e}_j\otimes\hat{e}_k\times\hat{e}_i | \\=& | ||
=\ | \frac{1}{2}u_{i,jkl}\hat{e}_l\times\hat{e}_j\otimes\hat{e}_k\times\hat{e}_i | ||
=\mathbf0 | |||
\end{align}</math> | \end{align}</math> | ||
Der obere rechte Term verschwindet, weil Komponenten mit vertauschten Indizes i und k gleich groß aber umgekehrtes Vorzeichen haben, so dass sie sich in der Summe aufheben, oder bei i=k verschwinden, was in der letzten Gleichung auch für die Indizes j und l in analoger Weise zutrifft. Die aus dem Verschiebungsfeld abgeleiteten Verzerrungen erfüllen also<ref group="F">In der Literatur findet sich auch die Bedingung <math>\ | |||
Der obere rechte Term verschwindet, weil Komponenten mit vertauschten Indizes ''i'' und ''k'' gleich groß aber umgekehrtes Vorzeichen haben, so dass sie sich in der Summe aufheben, oder bei ''i = k'' verschwinden, was in der letzten Gleichung auch für die Indizes ''j'' und ''l'' in analoger Weise zutrifft. Die aus dem Verschiebungsfeld abgeleiteten Verzerrungen erfüllen also<ref group="F">In der Literatur findet sich auch die Bedingung <math>\mathrm{rot(rot}\boldsymbol{\varepsilon})=\mathbf0</math>, was angesichts der Definition der Rotation <math>\mathrm{rot}\mathbf{T}=\nabla\times\mathbf{T}^\top=\hat{e}_k\times\left(\mathbf{T}^\top_{,k}\right)</math> kein Widerspruch ist.</ref> | |||
:<math>\begin{align} | :<math>\begin{align} | ||
\ | \nabla\times\left((\nabla\times\boldsymbol{\varepsilon})^\top\right) | ||
=\varepsilon_{ij,kl} | =\varepsilon_{ij,kl}\epsilon_{jlm}\epsilon_{ikn}\hat{e}_m\otimes\hat{e}_n | ||
=&\ | =&\mathbf0 | ||
\\ | \\ | ||
\downarrow& | \downarrow& | ||
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\end{align}</math> | \end{align}</math> | ||
''ϵ<sub>ijk</sub> = (ê<sub>i</sub> × ê<sub>j</sub>) · ê<sub>k</sub>'' ist das [[Permutationssymbol]]. Die Gleichungen sind die Kompatibilitätsbedingungen der Verzerrungen, denn werden diese Gleichungen von einem Verzerrungsfeld eingehalten, dann gibt es ein Verschiebungsfeld, das die gegebenen Verzerrungen hervorruft<ref group="L" name="KBV">M. E. Gurtin (1972), S. 40</ref>. | |||
{| class="wikitable mw-collapsible mw-collapsed" | {| class="wikitable mw-collapsible mw-collapsed" | ||
Zeile 84: | Zeile 98: | ||
! Beweis 1 | ! Beweis 1 | ||
|- | |- | ||
| Der Schluss von der Kompatibilitätsbedingung <math>\ | | Der Schluss von der Kompatibilitätsbedingung <math>\nabla\times\left((\nabla\times\boldsymbol{\varepsilon})^\top\right)=\mathbf0</math> auf die Existenz des Verschiebungsfeldes gelingt mit dem Tensorfeld <math>\nabla\times\boldsymbol{\varepsilon} | ||
=\varepsilon_{ij,k}(\hat{e}_k\times\hat{e}_i)\otimes\hat{e}_j</math>, das [[Spur (Mathematik)|spurfrei]] ist: | =\varepsilon_{ij,k}(\hat{e}_k\times\hat{e}_i)\otimes\hat{e}_j</math>, das [[Spur (Mathematik)|spurfrei]] ist: | ||
<math>\ | |||
:<math>\mathrm{Sp}(\nabla\times\boldsymbol{\varepsilon}) | |||
=\varepsilon_{ij,k}\,(\hat{e}_k\times\hat{e}_i)\cdot\hat{e}_j | =\varepsilon_{ij,k}\,(\hat{e}_k\times\hat{e}_i)\cdot\hat{e}_j | ||
=\varepsilon_{ij,k}\,(\hat{e}_i\times\hat{e}_j)\cdot\hat{e}_k | =\varepsilon_{ij,k}\,(\hat{e}_i\times\hat{e}_j)\cdot\hat{e}_k | ||
= 0 | = 0 | ||
</math>, | |||
denn Terme mit vertauschten Indizes i und j sind gleich groß, haben aber entgegengesetztes Vorzeichen, so dass sie sich in der Summe aufheben, oder verschwinden bei i=j. Nach dem [[Poincaré-Lemma]] in der Ausprägung | |||
<math>\ | denn Terme mit vertauschten Indizes ''i'' und ''j'' sind gleich groß, haben aber entgegengesetztes Vorzeichen, so dass sie sich in der Summe aufheben, oder verschwinden bei ''i = j'', siehe [[Spatprodukt]]. Nach dem [[Poincaré-Lemma]] in der Ausprägung | ||
=\ | |||
:<math>\nabla\times(\mathbf{T}^\top) | |||
=\mathbf0 | |||
\;\text{und}\; | \;\text{und}\; | ||
\ | \mathrm{Sp}(\mathbf{T}) | ||
=0 | =0 | ||
\ | \;\rightarrow\; | ||
\exists\mathbf{W}\colon\mathbf{T} | \exists\mathbf{W}\colon\mathbf{T} | ||
=\ | =\nabla\times\mathbf{W} | ||
\;\text{mit}\; | \;\text{mit}\; | ||
\mathbf{W}^\top = -\mathbf{W} | \mathbf{W}^\top=-\mathbf{W} | ||
</math> | </math> | ||
existiert ein [[Schiefsymmetrische Matrix|schiefsymmetrisches]] Tensorfeld '''W''', dessen Rotation | |||
existiert ein [[Schiefsymmetrische Matrix|schiefsymmetrisches]] Tensorfeld '''W''', dessen Rotation 𝜵 × '''''ε''''' ist: | |||
:<math>\nabla\times\boldsymbol{\varepsilon}=\nabla\times\mathbf{W} | |||
\quad\rightarrow\quad | \quad\rightarrow\quad | ||
\ | \mathbf0 | ||
=\ | =\nabla\times(\boldsymbol{\varepsilon}-\mathbf{W}) | ||
=\ | =\nabla\times[(\boldsymbol{\varepsilon}+\mathbf{W})^\top] | ||
</math>. | </math>. | ||
Gemäß dem Poincaré-Lemma in der Ausprägung | |||
<math>\ | Gemäß dem Poincaré-Lemma in der Ausprägung | ||
:<math>\nabla\times(\mathbf{T}^\top)=\mathbf0 | |||
\quad\rightarrow\quad | \quad\rightarrow\quad | ||
\exists\vec{u}\colon\mathbf{T}=\ | \exists\vec{u}\colon\mathbf{T}=\nabla\otimes\vec{u}^\top</math> | ||
gibt es nun ein Vektorfeld <math>\vec{u}</math>, für das gilt: | |||
<math>\boldsymbol{\varepsilon}+\mathbf{W}=\ | gibt es nun ein Vektorfeld <math>\vec{u}</math>, für das gilt: | ||
und dessen [[Symmetrische Matrix|symmetrischer]] Anteil der Verzerrungstensor ist: | |||
<math>\frac{1}{2}[\ | :<math>\boldsymbol{\varepsilon}+\mathbf{W} | ||
=\frac{1}{2}(\boldsymbol{\varepsilon}+\mathbf{W} +\boldsymbol{\varepsilon}^\top+\mathbf{W}^\top) | =\nabla\otimes\vec{u}^\top</math> | ||
und dessen [[Symmetrische Matrix|symmetrischer]] Anteil der Verzerrungstensor ist: | |||
:<math>\frac{1}{2}[\nabla\otimes\vec{u}^\top+\nabla\otimes\vec{u}] | |||
=\frac{1}{2}(\boldsymbol{\varepsilon}+\mathbf{W} | |||
+\boldsymbol{\varepsilon}^\top+\mathbf{W}^\top) | |||
=\boldsymbol{\varepsilon} | =\boldsymbol{\varepsilon} | ||
</math>. | |||
|} | |} | ||
Zeile 125: | Zeile 153: | ||
Die Kompatibilitätsbedingung kann auch ohne die Rotation geschrieben werden: | Die Kompatibilitätsbedingung kann auch ohne die Rotation geschrieben werden: | ||
:<math>\begin{align} | :<math>\begin{align} | ||
\Delta\boldsymbol{\varepsilon} | \Delta\boldsymbol{\varepsilon} | ||
+\ | +\nabla\otimes\nabla\mathrm{Sp}(\boldsymbol{\varepsilon}) | ||
- 2\ | -2\mathrm{sym}\big(\nabla\otimes(\nabla\cdot\boldsymbol{\varepsilon})\big) | ||
=&\ | =&\mathbf0 | ||
\\ | \\ | ||
\leftrightarrow\quad | \leftrightarrow\quad | ||
Zeile 136: | Zeile 165: | ||
\end{align}</math> | \end{align}</math> | ||
Der Operator „Sp“ gibt die [[Spur (Mathematik)|Spur]] eines Tensors | Der Operator „Sp“ gibt die [[Spur (Mathematik)|Spur]] eines Tensors und „sym“ liefert den symmetrischen Anteil <math>\mathrm{sym}(\mathbf{T}) =\tfrac{1}{2}(\mathbf{T}+\mathbf{T}^\top)</math>. | ||
{| class="wikitable mw-collapsible mw-collapsed" | {| class="wikitable mw-collapsible mw-collapsed" | ||
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! Beweis 2 | ! Beweis 2 | ||
|- | |- | ||
|Für die Herleitung wird das wie folgt definierte [[Äußeres Tensorprodukt|äußere Tensorprodukt]] „#“ benutzt: | |Für die Herleitung wird das wie folgt definierte [[Äußeres Tensorprodukt|äußere Tensorprodukt]] „#“ benutzt: | ||
<math>\begin{align} | |||
:<math>\begin{align} | |||
(\vec{a}\otimes\vec{g})\#(\vec{b}\otimes\vec{h}) | (\vec{a}\otimes\vec{g})\#(\vec{b}\otimes\vec{h}) | ||
:=& | :=& | ||
Zeile 151: | Zeile 180: | ||
\mathbf{A}\#\mathbf{B} | \mathbf{A}\#\mathbf{B} | ||
=& | =& | ||
-\ | -\mathrm{Sp}(\mathbf{A})\mathbf{B}^\top | ||
-\ | -\mathrm{Sp}(\mathbf{B})\mathbf{A}^\top | ||
+\mathbf{A}^\top\cdot\mathbf{B}^\top | +\mathbf{A}^\top\cdot\mathbf{B}^\top | ||
+\mathbf{B}^\top\cdot\mathbf{A}^\top | +\mathbf{B}^\top\cdot\mathbf{A}^\top | ||
+[\ | \\& | ||
-\ | +[\mathrm{Sp}(\mathbf{A})\mathrm{Sp}(\mathbf{B}) | ||
-\mathrm{Sp}(\mathbf{A}\cdot\mathbf{B})]\mathbf1 | |||
Der Tensor | \end{align}</math> | ||
<math>\begin{align} | |||
Der Tensor '''1''' ist der [[Einheitstensor]]. Damit berechnet sich: | |||
:<math>\begin{align} | |||
\mathfrak{R}(\boldsymbol{\varepsilon}) | \mathfrak{R}(\boldsymbol{\varepsilon}) | ||
:=& | :=& | ||
\ | \nabla\times(\nabla\times\boldsymbol{\varepsilon}^\top) | ||
= | = | ||
\varepsilon_{ij,kl}(\hat{e}_l\times\hat{e}_j\otimes\hat{e}_k\times\hat{e}_i) | |||
\\=& | |||
\varepsilon_{ij,kl}\overbrace{(\hat{e}_l\otimes\hat{e}_k)}^{\mathbf{A}} | \varepsilon_{ij,kl}\overbrace{(\hat{e}_l\otimes\hat{e}_k)}^{\mathbf{A}} | ||
\#\overbrace{(\hat{e}_j\otimes\hat{e}_i)}^{\mathbf{B}} | \#\overbrace{(\hat{e}_j\otimes\hat{e}_i)}^{\mathbf{B}} | ||
\\=& | \\=& | ||
\varepsilon_{ij,kl}\ | \varepsilon_{ij,kl}\big[-\delta_{lk}(\hat{e}_j\otimes\hat{e}_i)^\top | ||
-\delta_{ji}(\hat{e}_l\otimes\hat{e}_k)^\top | -\delta_{ji}(\hat{e}_l\otimes\hat{e}_k)^\top | ||
+(\hat{e}_l\otimes\hat{e}_k)^\top\cdot(\hat{e}_j\otimes\hat{e}_i)^\top | +(\hat{e}_l\otimes\hat{e}_k)^\top\cdot(\hat{e}_j\otimes\hat{e}_i)^\top | ||
\\& | \\&\qquad\; | ||
+(\hat{e}_j\otimes\hat{e}_i)^\top\cdot(\hat{e}_l\otimes\hat{e}_k)^\top | +(\hat{e}_j\otimes\hat{e}_i)^\top\cdot(\hat{e}_l\otimes\hat{e}_k)^\top | ||
+(\delta_{lk}\delta_{ji} -\delta_{kj}\delta_{li})\ | +(\delta_{lk}\delta_{ji} -\delta_{kj}\delta_{li})\mathbf1 | ||
\ | \big] | ||
\\=& | \\=& | ||
-\varepsilon_{ij,kk}(\hat{e}_i\otimes\hat{e}_j) | -\varepsilon_{ij,kk}(\hat{e}_i\otimes\hat{e}_j) | ||
-\varepsilon_{kk,ij}(\hat{e}_i\otimes\hat{e}_j) | -\varepsilon_{kk,ij}(\hat{e}_i\otimes\hat{e}_j) | ||
+\varepsilon_{jk,ik}(\hat{e}_i\otimes\hat{e}_j) | +\varepsilon_{jk,ik}(\hat{e}_i\otimes\hat{e}_j) | ||
\\& | |||
+\varepsilon_{ik,jk}(\hat{e}_i\otimes\hat{e}_j) | +\varepsilon_{ik,jk}(\hat{e}_i\otimes\hat{e}_j) | ||
+[\varepsilon_{ii,kk} -\varepsilon_{ij,ij}]\ | +[\varepsilon_{ii,kk} -\varepsilon_{ij,ij}]\mathbf1 | ||
\\=& | \\=& | ||
-[\underbrace{\Delta\boldsymbol{\varepsilon} | -[\underbrace{\Delta\boldsymbol{\varepsilon} | ||
+\ | +\nabla\otimes\big(\nabla{\rm Sp}(\boldsymbol{\varepsilon})\big) | ||
- 2\ | -2\mathrm{sym}\big(\nabla\otimes(\nabla\cdot\boldsymbol{\varepsilon})\big) | ||
}_{=:\mathfrak{L}(\boldsymbol{\varepsilon})}] | }_{=:\mathfrak{L}(\boldsymbol{\varepsilon})}] | ||
+ | \\& | ||
[\underbrace{\Delta\ | +[\underbrace{\Delta\mathrm{Sp}(\boldsymbol{\varepsilon}) | ||
-\ | -\nabla\cdot(\nabla\cdot\boldsymbol{\varepsilon})}_{=:s} | ||
]\ | ]\mathbf1 | ||
\\ | \\ | ||
\rightarrow\mathfrak{R}(\boldsymbol{\varepsilon}) | \rightarrow\mathfrak{R}(\boldsymbol{\varepsilon}) | ||
=& -\mathfrak{L}(\boldsymbol{\varepsilon}) + | =&-\mathfrak{L}(\boldsymbol{\varepsilon}) + s\mathbf1 | ||
\end{align}</math> | \end{align}</math> | ||
Der Operator | |||
<math>\begin{align} | Der Operator „Δ“ ist der [[Laplace-Operator]]. Die Spur von <math>\mathfrak{L}(\boldsymbol{\varepsilon})</math> berechnet sich zu | ||
\ | |||
:<math>\begin{align} | |||
\mathrm{Sp}(\mathfrak{L}(\boldsymbol{\varepsilon})) | |||
=& | =& | ||
\ | \mathrm{Sp}(\varepsilon_{ij,kk}\hat{e}_i\otimes\hat{e}_j | ||
+\varepsilon_{kk,ij}\hat{e}_i\otimes\hat{e}_j | +\varepsilon_{kk,ij}\hat{e}_i\otimes\hat{e}_j | ||
-\varepsilon_{jk,ik}\hat{e}_i\otimes\hat{e}_j | -\varepsilon_{jk,ik}\hat{e}_i\otimes\hat{e}_j | ||
Zeile 205: | Zeile 240: | ||
\\=& | \\=& | ||
\varepsilon_{ii,kk}+\varepsilon_{kk,ii}-\varepsilon_{ik,ik}-\varepsilon_{ik,ik} | \varepsilon_{ii,kk}+\varepsilon_{kk,ii}-\varepsilon_{ik,ik}-\varepsilon_{ik,ik} | ||
=2\Delta\ | =2\Delta\mathrm{Sp}(\boldsymbol{\varepsilon}) | ||
-2\ | -2\nabla\cdot(\nabla\cdot\boldsymbol{\varepsilon}) | ||
=2 | =2 s | ||
\end{align}</math> | \end{align}</math> | ||
mit der Konsequenz | |||
<math>\ | mit der Konsequenz | ||
Deshalb verschwindet <math>\mathfrak{R}(\boldsymbol{\varepsilon})</math> genau dann, wenn auch <math>\mathfrak{L}(\boldsymbol{\varepsilon})</math> verschwindet: Denn wenn <math>\mathfrak{R}(\boldsymbol{\varepsilon})=\ | |||
<math>\begin{align} | :<math>\mathrm{Sp}(\mathfrak{R}(\boldsymbol{\varepsilon}))=-2s+3s=s</math>. | ||
Deshalb verschwindet <math>\mathfrak{R}(\boldsymbol{\varepsilon})</math> genau dann, wenn auch <math>\mathfrak{L}(\boldsymbol{\varepsilon})</math> verschwindet: Denn wenn <math>\mathfrak{R}(\boldsymbol{\varepsilon})=\mathbf0</math> ist, dann ist auch ''s'' = 0 und es folgt <math>\mathfrak{L}(\boldsymbol{\varepsilon})=\mathbf0</math>. Umgekehrt folgt auch aus <math>\mathfrak{L}(\boldsymbol{\varepsilon})=\mathbf0</math>, dass ''s'' = 0 ist und dementsprechend <math>\mathfrak{R}(\boldsymbol{\varepsilon})=\mathbf0</math> gilt. Also kann die Kompatibilität der Verzerrungen mit einem Verschiebungsfeld auch mit | |||
:<math>\begin{align} | |||
\mathfrak{L}(\boldsymbol{\varepsilon}) | \mathfrak{L}(\boldsymbol{\varepsilon}) | ||
= | = | ||
\Delta\boldsymbol{\varepsilon} | \Delta\boldsymbol{\varepsilon} | ||
+\ | +\nabla\otimes\big(\nabla{\rm Sp}(\boldsymbol{\varepsilon})\big) | ||
- 2\ | -2\mathrm{sym}\big(\nabla\otimes(\nabla\cdot\boldsymbol{\varepsilon})\big) | ||
=&\ | =&\mathbf0 | ||
\\ | \\ | ||
\leftrightarrow\quad | \leftrightarrow\quad | ||
\varepsilon_{ij,kk} +\varepsilon_{kk,ij} -\varepsilon_{ik,jk} -\varepsilon_{jk,ik} =& 0\,, | \varepsilon_{ij,kk} +\varepsilon_{kk,ij} -\varepsilon_{ik,jk} -\varepsilon_{jk,ik} =& 0\,, | ||
\quad i,j = 1,2,3 | \quad i,j = 1,2,3 | ||
\end{align}</math> | \end{align}</math> | ||
sichergestellt werden. | sichergestellt werden. | ||
|} | |} | ||
== Spannungen == | === Spannungen === | ||
Beim Lösungsansatz für die Bewegungsgleichungen über Spannungsfunktionen, sind die [[Spannungstensor|Spannungen]] die primären Unbekannten. Sind diese für gegebene Randbedingungen gefunden, dann gilt es aus ihnen das Bewegungsfeld zu rekonstruieren. Das gelingt bei [[Hookesches Gesetz|linearer, isotroper Elastizität]], wenn die Spannungen | Beim Lösungsansatz für die Bewegungsgleichungen über Spannungsfunktionen, sind die [[Spannungstensor|Spannungen]] die primären Unbekannten. Sind diese für gegebene Randbedingungen gefunden, dann gilt es aus ihnen das Bewegungsfeld zu rekonstruieren. Das gelingt bei [[Hookesches Gesetz|linearer, isotroper Elastizität]], wenn die Spannungen '''''σ''''' in einem Schwerefeld <math>\vec b</math> wie es die Schwerkraft eines ist die folgenden für sie formulierten Kompatibilitätsbedingungen erfüllen: | ||
:<math>\begin{align} | :<math>\begin{align} | ||
\Delta\boldsymbol{\sigma} | &\Delta\boldsymbol{\sigma} | ||
+\ | +\frac1{1+\nu}\nabla\otimes\big(\nabla\mathrm{Sp}(\boldsymbol{\sigma})\big) | ||
+\frac{\nu}{1-\nu}\ | +\frac{\nu}{1-\nu}(\nabla\cdot\vec{b})\mathbf1 | ||
+\ | +2\mathrm{sym}(\nabla\otimes\vec{b}) | ||
= | |||
= | \mathbf0 | ||
\ | |||
\\ | \\ | ||
\leftrightarrow | \leftrightarrow& | ||
\sigma_{ij,kk} +\frac{1}{1+\nu}\sigma_{kk,ij} +\frac{\nu}{1-\nu} b_{k,k}\delta_{ij} | \sigma_{ij,kk} +\frac{1}{1+\nu}\sigma_{kk,ij} +\frac{\nu}{1-\nu} b_{k,k}\delta_{ij} | ||
+ b_{i,j} + b_{j,i} | + b_{i,j} + b_{j,i} | ||
= | =0 | ||
\;,\quad | \;,\quad | ||
i,j = 1,2,3 | i,j = 1,2,3 | ||
Zeile 249: | Zeile 288: | ||
oder in Abwesenheit einer Schwerkraft: | oder in Abwesenheit einer Schwerkraft: | ||
:<math> | :<math>\begin{align} | ||
\Delta\boldsymbol{\sigma} | &\Delta\boldsymbol{\sigma} | ||
+\ | +\frac1{1+\nu}\nabla\otimes\big(\nabla\mathrm{Sp}(\boldsymbol{\sigma})\big) | ||
= | = | ||
\ | \mathbf0 | ||
\ | \\ \leftrightarrow& | ||
\sigma_{ij,kk} +\frac{1}{1+\nu}\sigma_{kk,ij} = 0 | \sigma_{ij,kk} +\frac{1}{1+\nu}\sigma_{kk,ij} = 0 | ||
\;,\quad | \;,\quad | ||
i,j = 1,2,3 | i,j = 1,2,3 | ||
</math> | \end{align}</math> | ||
Das Symbol <math>\delta_{ij}</math> ist das [[Kronecker-Delta]] und <math>\nu</math> ist die [[Querkontraktionszahl]]. | Das Symbol <math>\delta_{ij}</math> ist das [[Kronecker-Delta]] und <math>\nu</math> ist die [[Querkontraktionszahl]]. | ||
Zeile 266: | Zeile 305: | ||
! Beweis 3 | ! Beweis 3 | ||
|- | |- | ||
|Die Herleitung basiert auf Beweis 2, der zeigte, dass wenn | |Die Herleitung basiert auf Beweis 2, der zeigte, dass wenn | ||
<math>\mathfrak{L}(\boldsymbol{\varepsilon}):=\Delta\boldsymbol{\varepsilon} | |||
+\ | :<math> | ||
- 2\ | \mathfrak{L}(\boldsymbol{\varepsilon}) | ||
</math> | := | ||
verschwindet, das Verzerrungsfeld | \Delta\boldsymbol{\varepsilon} | ||
<math>\ | +\nabla\otimes\big(\nabla{\rm Sp}(\boldsymbol{\varepsilon})\big) | ||
-2\mathrm{sym}\big(\nabla\otimes(\nabla\cdot\boldsymbol{\varepsilon})\big) | |||
</math> | |||
verschwindet, das Verzerrungsfeld '''ε''' kompatibel ist. In der Statik ist die Divergenz der Spannungen im Gleichgewicht mit der spezifischen Schwerkraft <math>\vec{b}</math>: | |||
:<math>\nabla\cdot\boldsymbol{\sigma}+\vec{b}=\vec{0} | |||
\quad\leftrightarrow\quad | \quad\leftrightarrow\quad | ||
\sigma_{ij,i} + b_j = 0\,,\quad j=1,2,3 | \sigma_{ij,i}+b_j=0\,,\quad j=1,2,3 | ||
</math> | </math> | ||
Mit der Abkürzung | |||
<math>p:=\ | Mit der Abkürzung | ||
folgt wegen | |||
<math>\begin{align} | :<math>p:=\mathrm{Sp}(\boldsymbol{\sigma})</math> | ||
folgt wegen 𝜵·𝜵f = Δf, 𝜵·(f '''1''') = 𝜵f und Sp(𝜵⊗f) = 𝜵·f: | |||
:<math>\begin{align} | |||
\mathfrak{L}(\boldsymbol{\sigma}) | \mathfrak{L}(\boldsymbol{\sigma}) | ||
=& | =& | ||
\Delta\boldsymbol{\sigma} +\ | \Delta\boldsymbol{\sigma}+\nabla\otimes\nabla p | ||
+ 2\ | + 2\mathrm{sym}(\nabla\otimes\vec{b}) | ||
\\ | \\ | ||
\mathfrak{L}(p\,\ | \mathfrak{L}(p\,\mathbf1) | ||
=& | =& | ||
\Delta p\,\ | \Delta p\,\mathbf1+\nabla\otimes\nabla p | ||
\end{align}</math> | |||
Bei linearer, isotroper Elastizität ist die Spannungs-Dehnungs-Beziehung linear: | |||
<math>\boldsymbol{\varepsilon}=\frac{1}{2G}\left[\boldsymbol{\sigma} | Bei linearer, isotroper Elastizität ist die Spannungs-Dehnungs-Beziehung linear: | ||
-\frac{\nu}{1+\nu}\ | |||
:<math>\boldsymbol{\varepsilon}=\frac{1}{2G}\left[\boldsymbol{\sigma} | |||
-\frac{\nu}{1+\nu}\mathrm{Sp}(\boldsymbol{\sigma})\,\mathbf1\right] | |||
\quad\leftrightarrow\quad | \quad\leftrightarrow\quad | ||
\varepsilon_{ij} =\frac{1}{2 G}\left[\sigma_{ij} | \varepsilon_{ij} =\frac{1}{2 G}\left[\sigma_{ij} | ||
-\frac{\nu}{1+\nu}\sigma_{kk}\delta_{ij}\right] | -\frac{\nu}{1+\nu}\sigma_{kk}\delta_{ij}\right] | ||
</math>. | |||
Der Materialparameter G ist der [[Schubmodul]]. Jetzt kann die Kompatibilitätsbedingung mit den Spannungen ausgedrückt werden: | |||
<math> | Der Materialparameter ''G'' ist der [[Schubmodul]]. Jetzt kann die Kompatibilitätsbedingung mit den Spannungen ausgedrückt werden: | ||
\mathfrak{L}( | |||
= | :<math>\begin{align} | ||
\mathfrak{L}(2G\boldsymbol{\varepsilon}) | |||
=& | |||
\mathfrak{L}(\boldsymbol{\sigma}) | \mathfrak{L}(\boldsymbol{\sigma}) | ||
-\frac{\nu}{1+\nu}\mathfrak{L}( p\,\ | -\frac{\nu}{1+\nu}\mathfrak{L}(p\,\mathbf1) | ||
= | \\=& | ||
\Delta\boldsymbol{\sigma} | \Delta\boldsymbol{\sigma} | ||
+\frac{1}{1+\nu}\ | +\frac{1}{1+\nu}\nabla\otimes\nabla p | ||
-\frac{\nu}{1+\nu}\Delta p\,\ | -\frac{\nu}{1+\nu}\Delta p\,\mathbf1 | ||
+ 2\ | +2\mathrm{sym}(\nabla\otimes\vec{b}) | ||
=\ | =\mathbf0 | ||
\end{align}</math>. | |||
Anwendung der Spur auf diese Gleichung ergibt | |||
<math>\Delta p= -\frac{1+\nu}{1-\nu}\ | Anwendung der Spur auf diese Gleichung ergibt | ||
und führt schließlich auf die | |||
:<math>\Delta p= -\frac{1+\nu}{1-\nu}\mathrm{div}(\vec{b})</math> | |||
und führt schließlich auf die im Text aufgeführten Kompatibilitätsbedingungen. | |||
|} | |} | ||
Zeile 322: | Zeile 374: | ||
Es existieren auch Kompatibilitätsbedingungen bei [[Kubische Anisotropie|kubisch anisotroper]] (Albrecht 1951) und [[Transversale Isotropie|transversal isotroper]] (von Moisil 1952) linearer Elastizität<ref group="L">M. E. Gurtin (1972), S. 92</ref>. | Es existieren auch Kompatibilitätsbedingungen bei [[Kubische Anisotropie|kubisch anisotroper]] (Albrecht 1951) und [[Transversale Isotropie|transversal isotroper]] (von Moisil 1952) linearer Elastizität<ref group="L">M. E. Gurtin (1972), S. 92</ref>. | ||
== Deformationsgradient == | === Deformationsgradient === | ||
Die Komponenten des Deformationsgradienten werden aus den Ableitungen der Bewegungskomponenten <math>\chi_{1,2,3}</math> nach den materiellen Koordinaten <math>X_{1,2,3}</math> berechnet: | Die Komponenten des Deformationsgradienten werden aus den Ableitungen der Bewegungskomponenten <math>\chi_{1,2,3}</math> nach den materiellen Koordinaten <math>X_{1,2,3}</math> berechnet: | ||
:<math>F_{ij}(\vec{X},t) | :<math>F_{ij}(\vec{X},t) | ||
=\ | =\frac{\partial\chi_{i}(\vec{X},t)}{\partial X_{j}}, | ||
\quad | \quad | ||
i,j=1,2,3 | i,j=1,2,3</math>. | ||
Nun liegen also <math>3\cdot 3=9</math> Komponenten <math>F_{ij}</math> des Deformationsgradienten vor, die aus den drei Bewegungsfunktionen <math>\chi_{1,2,3}</math> abgeleitet wurden. | Nun liegen also <math>3\cdot 3=9</math> Komponenten <math>F_{ij}</math> des Deformationsgradienten vor, die aus den drei Bewegungsfunktionen <math>\chi_{1,2,3}</math> abgeleitet wurden. | ||
Sollen umgekehrt aus neun Komponenten <math>F_{ij}(\vec{X},t)</math> des Deformationsgradienten die drei Bewegungsfunktionen <math>\chi_{1,2,3}(\vec{X},t)</math> bezogen werden können, müssen die Komponenten des Deformationsgradienten die folgenden, für sie formulieren Kompatibilitätsbedingungen einhalten: | Sollen umgekehrt aus neun Komponenten <math>F_{ij}(\vec{X},t)</math> des Deformationsgradienten die drei Bewegungsfunktionen <math>\chi_{1,2,3}(\vec{X},t)</math> bezogen werden können, müssen die Komponenten des Deformationsgradienten die folgenden, für sie formulieren Kompatibilitätsbedingungen einhalten: | ||
:<math>\ | |||
:=\hat{e}_k\times\frac{\partial F_{ij}}{\partial X_k}\hat{e}_j\otimes\hat{e}_i | :<math>\nabla\times(\mathbf{F}^\top) | ||
=\ | :=\hat{e}_k\times\frac{\partial F_{ij}}{\partial X_k} | ||
\hat{e}_j\otimes\hat{e}_i | |||
=\frac{\partial F_{ij}}{\partial X_k}\epsilon_{kjl}\hat{e}_l\otimes\hat{e}_i | |||
=\mathbf0</math> | |||
wo ''ϵ<sub>ijk</sub> = (ê<sub>i</sub> × ê<sub>j</sub>) · ê<sub>k</sub>'' ist das [[Permutationssymbol]] ist, oder<ref group="L">Haupt (2002), S. 65.</ref> | |||
:<math>\frac{\partial F_{ij}}{\partial X_k} | |||
=\frac{\partial F_{ik}}{\partial X_j}\,,\quad i,j,k=1,2,3</math> | |||
\ | |||
\ | |||
\ | |||
</math> | |||
Falls das zutrifft, stellt das Poincaré-Lemma in der Form | Falls das zutrifft, stellt das Poincaré-Lemma in der Form | ||
:<math>\ | |||
:<math>\nabla\times(\mathbf{F}^\top)=\mathbf0 | |||
\quad\rightarrow\quad | \quad\rightarrow\quad | ||
\exists\vec{\chi}\colon\mathbf{F} =\ | \exists\vec{\chi}\colon\mathbf{F} =\mathrm{grad}(\vec{\chi}) | ||
</math> | </math> | ||
sicher, dass es ein Vektorfeld <math>\vec{\chi}(\vec{X})</math> gibt, dessen Gradient das Tensorfeld <math>\mathbf{F}</math> ist. | sicher, dass es ein Vektorfeld <math>\vec{\chi}(\vec{X})</math> gibt, dessen Gradient das Tensorfeld <math>\mathbf{F}</math> ist. | ||
== Strecktensor == | === Strecktensor === | ||
Der Deformationsgradient kann wegen | Der Deformationsgradient kann wegen | ||
:<math>\mathbf{F} | :<math>\mathbf{F} | ||
= | = | ||
\ | \frac{\partial\chi_{i}}{\partial X_{j}}\hat{e}_{i}\otimes\hat{e}_{j} | ||
= | = | ||
\ | \frac{\partial (\chi_{i}\hat{e}_{i})}{\partial X_{j}} | ||
\otimes\hat{e}_{j} | \otimes\hat{e}_{j} | ||
=: | =: | ||
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:<math> | :<math> | ||
\vec{g}_{j}:=\ | \vec{g}_{j}:=\frac{\partial\vec{\chi}(\vec{X},t)}{\partial X_{j}} | ||
</math> | </math> | ||
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aus den Skalarprodukten dieser Tangentenvektoren: | aus den Skalarprodukten dieser Tangentenvektoren: | ||
:<math>g_{ik}:=\vec{g}_{i}\cdot\vec{g}_{k} | :<math>g_{ik}:=\vec{g}_{i}\cdot\vec{g}_{k}</math>. | ||
Mit den ''[[Christoffelsymbole]]n der ersten Art'' | Mit den ''[[Christoffelsymbole]]n der ersten Art'' | ||
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:= | := | ||
\vec{g}_{m}\cdot | \vec{g}_{m}\cdot | ||
\ | \frac{\partial\vec{g}_{k}}{\partial X_{l}} | ||
= | = | ||
\ | \frac12\left( | ||
\ | \frac{\partial g_{km}}{\partial X_{l}} | ||
+\ | +\frac{\partial g_{ml}}{\partial X_{k}} | ||
- | - | ||
\ | \frac{\partial g_{lk}}{\partial X_{m}}\right) | ||
=\Gamma_{mlk}</math> | =\Gamma_{mlk}</math> | ||
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:<math>R_{ijkl} | :<math>R_{ijkl} | ||
=\ | =\frac{\partial\Gamma_{ijk}}{\partial X_{l}} | ||
-\ | -\frac{\partial\Gamma_{ijl}}{\partial X_{k}} | ||
+g^{pq}(\Gamma_{pik}\Gamma_{qjl}-\Gamma_{pil}\Gamma_{qjk}) | +g^{pq}(\Gamma_{pik}\Gamma_{qjl}-\Gamma_{pil}\Gamma_{qjk}) | ||
=0 | =0 | ||
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:<math>\mathbf{C}^{-1}=g^{pq}\hat{e}_{p}\otimes\hat{e}_{q}</math> | :<math>\mathbf{C}^{-1}=g^{pq}\hat{e}_{p}\otimes\hat{e}_{q}</math> | ||
und <math>R_{ijkl}</math> sind die Komponenten des ''[[Riemannscher Krümmungstensor|Riemann-Christoffel Krümmungstensors]]''. Von den obigen Gleichungen für die 81 Komponenten des Riemann-Christoffel Tensors sind nur sechs unabhängig<ref group="L">{{Literatur|Autor=E. Klingbeil|Titel=Tensorrechnung für Ingenieure|Verlag=B.I. Wissenschaftsverlag| | und <math>R_{ijkl}</math> sind die Komponenten des ''[[Riemannscher Krümmungstensor|Riemann-Christoffel Krümmungstensors]]''. Von den obigen Gleichungen für die 81 Komponenten des Riemann-Christoffel Tensors sind nur sechs unabhängig<ref group="L">{{Literatur |Autor=E. Klingbeil |Titel=Tensorrechnung für Ingenieure |Verlag=B.I. Wissenschaftsverlag |Datum=1989 |ISBN=3-411-05197-3 |Seiten=122}}</ref>. Wegen des linearen Zusammenhangs | ||
:<math>\mathbf{E}=\ | :<math>\mathbf{E}=\frac12(\mathbf{C}-\mathbf1)</math> | ||
zwischen dem rechten Cauchy-Green Tensor <math>\mathbf{C}</math> und dem Green-Lagrange’schen Verzerrungstensor <math>\mathbf{E}</math> können daraus auch Kompatibilitätsbedingungen für die Komponenten | zwischen dem rechten Cauchy-Green Tensor <math>\mathbf{C}</math> und dem Green-Lagrange’schen Verzerrungstensor <math>\mathbf{E}</math> können daraus auch Kompatibilitätsbedingungen für die Komponenten | ||
:<math>E_{ij}=\ | :<math>E_{ij}=\frac12(g_{ij}-\delta_{ij}) | ||
\rightarrow | \rightarrow | ||
g_{ij}=2E_{ij}+\delta_{ij}</math> | g_{ij}=2E_{ij}+\delta_{ij}</math> | ||
des Green-Lagrange’schen Verzerrungstensors abgeleitet werden, die aber weitaus schwieriger zu lösen sind als im geometrisch linearen Fall, wo <math>\mathbf{E}</math> in den linearisierten Verzerrungstensor | des Green-Lagrange’schen Verzerrungstensors abgeleitet werden, die aber weitaus schwieriger zu lösen sind als im geometrisch linearen Fall, wo <math>\mathbf{E}</math> in den linearisierten Verzerrungstensor '''ε''' übergeht, siehe oben und folgendes Beispiel. | ||
== Beispiel == | == Beispiel == | ||
Zeile 439: | Zeile 487: | ||
mit Proportionalitätsfaktor <math>-m</math> und [[Elastizitätsmodul]] <math>E</math> des Materials des Balkens, siehe Abbildung rechts. Gemäß dem [[Hookesches Gesetz|Hooke’schen Gesetz]] entsprechen die Spannungen den Dehnungen | mit Proportionalitätsfaktor <math>-m</math> und [[Elastizitätsmodul]] <math>E</math> des Materials des Balkens, siehe Abbildung rechts. Gemäß dem [[Hookesches Gesetz|Hooke’schen Gesetz]] entsprechen die Spannungen den Dehnungen | ||
:<math>\begin{pmatrix} | :<math>\begin{align} | ||
\varepsilon_{xx}\\ | \begin{pmatrix}\varepsilon_{xx}\\ \varepsilon_{yy}\\ \varepsilon_{zz} | ||
\varepsilon_{yy}\\ | |||
\varepsilon_{zz} | |||
\end{pmatrix} | \end{pmatrix} | ||
=& | |||
\frac{1}{E} | |||
\begin{pmatrix}1&-\nu&-\nu\\-\nu&1&-\nu\\-\nu&-\nu&1\end{pmatrix} | |||
\begin{pmatrix}\sigma_{xx}\\ \sigma_{yy}\\ \sigma_{zz}\end{pmatrix} | |||
\\=& | |||
\begin{pmatrix}1&-\nu&-\nu\\-\nu&1&-\nu\\-\nu&-\nu&1\end{pmatrix} | |||
\begin{pmatrix}-mz\\0\\0\end{pmatrix} | |||
= | = | ||
\begin{pmatrix}-mz\\ \nu mz\\ \nu mz\end{pmatrix} | |||
\begin{pmatrix} | \end{align}</math> | ||
\end{pmatrix} | |||
\end{ | |||
denn Schubspannungen sind nicht vorgegeben, weswegen auch keine [[Scherung (Mechanik)|Scherungen]] auftreten. Die Größe <math>\nu</math> ist die [[Querdehnzahl]] des Materials des Balkens. Weil sämtliche zweiten Ableitungen der Dehnungen verschwinden, sind die Kompatibilitätsbedingungen erfüllt: es gibt also ein Verschiebungsfeld, das die vorgegebenen Dehnungen hervorruft. Mit den im Bild skizzierten Randbedingungen lauten diese Verschiebungen | denn Schubspannungen sind nicht vorgegeben, weswegen auch keine [[Scherung (Mechanik)|Scherungen]] auftreten. Die Größe <math>\nu</math> ist die [[Querdehnzahl]] des Materials des Balkens. Weil sämtliche zweiten Ableitungen der Dehnungen verschwinden, sind die Kompatibilitätsbedingungen erfüllt: es gibt also ein Verschiebungsfeld, das die vorgegebenen Dehnungen hervorruft. Mit den im Bild skizzierten Randbedingungen lauten diese Verschiebungen | ||
Zeile 481: | Zeile 508: | ||
v =&\nu m y z | v =&\nu m y z | ||
\\ | \\ | ||
w =&\ | w =&\frac{m}{2}(x^{2}-\nu y^{2}+\nu z^{2}) | ||
\end{align}</math> | \end{align}</math> | ||
denn: | denn: | ||
:<math>\begin{ | |||
:<math>\begin{align} | |||
\varepsilon_{xx} | \varepsilon_{xx} | ||
=& | |||
\ | \frac{\partial u}{\partial x} | ||
= -m z, | = -m z, | ||
& | & | ||
2\varepsilon_{xy} | 2\varepsilon_{xy} | ||
=& | |||
\ | \frac{\partial u}{\partial y}+\frac{\partial v}{\partial x} | ||
=0+0 | =0+0 | ||
&=&0 | \!\!\!\!\!\!\!\!&=&0 | ||
\\[2ex] | \\[2ex] | ||
\varepsilon_{yy} | \varepsilon_{yy} | ||
=& | |||
\ | \frac{\partial v}{\partial y} | ||
=\nu m z, | =\nu m z, | ||
& | & | ||
2\varepsilon_{yz} | 2\varepsilon_{yz} | ||
=&\frac{\partial v}{\partial z}+\frac{\partial w}{\partial y} | |||
=\nu m y -\nu m y | =\nu m y -\nu m y | ||
&=&0 | \!\!\!\!\!\!\!\!&=&0 | ||
\\[2ex] | \\[2ex] | ||
\varepsilon_{zz} | \varepsilon_{zz} | ||
=&\frac{\partial w}{\partial z} | |||
=\nu m z, | =\nu m z, | ||
& | & | ||
2\varepsilon_{xz} | 2\varepsilon_{xz} | ||
=& | |||
\ | \frac{\partial u}{\partial z}+\frac{\partial w}{\partial x} | ||
= -m x + m x | = -m x + m x | ||
&=&0 | \!\!\!\!\!\!\!\!&=&0 | ||
\end{ | \end{align}</math> | ||
und | und | ||
:<math> | :<math> | ||
u(x=0)=0 | u(x=0)=0 | ||
Zeile 524: | Zeile 554: | ||
\,,\quad | \,,\quad | ||
w(x=0, y=0, z=0)=0 | w(x=0, y=0, z=0)=0 | ||
</math> | |||
Im Beispiel bei den Spannungsfunktionen zeigt sich, dass dieses Bewegungsfeld auch im Gleichgewicht ist. | Im Beispiel bei den Spannungsfunktionen zeigt sich, dass dieses Bewegungsfeld auch im Gleichgewicht ist. | ||
Zeile 539: | Zeile 570: | ||
== Literatur == | == Literatur == | ||
* {{Literatur|Autor= M. E. Gurtin | * {{Literatur | ||
|Titel= The Linear Theory of Elasticity | |Autor=M. E. Gurtin | ||
|Sammelwerk= Handbuch der Physik | |Hrsg=S. Flügge | ||
|Band=Bd. VI2/a, Bandherausgeber C. Truesdell | |Titel=The Linear Theory of Elasticity | ||
|Sammelwerk=Handbuch der Physik | |||
|Verlag=Springer | |Band=Bd. VI2/a, Bandherausgeber C. Truesdell | ||
| | |Verlag=Springer | ||
|ISBN=3-540-05535-5}} | |Datum=1972 | ||
* {{Literatur| Autor=P. Haupt | |ISBN=3-540-05535-5}} | ||
| Titel=Continuum Mechanics and Theory of Materials | * {{Literatur | ||
| Verlag=Springer | |Autor=P. Haupt | ||
| | |Titel=Continuum Mechanics and Theory of Materials | ||
| ISBN=978-3-642-07718-0}} | |Verlag=Springer | ||
* {{Literatur|Autor=E. Klingbeil | |Datum=2010 | ||
|Titel=Tensorrechnung für Ingenieure | |ISBN=978-3-642-07718-0}} | ||
|Verlag=B.I. Wissenschaftsverlag | * {{Literatur | ||
| | |Autor=E. Klingbeil | ||
|ISBN=3-411-05197-3}} | |Titel=Tensorrechnung für Ingenieure | ||
* {{Literatur|Autor=Martin H. Sadd | |Verlag=B.I. Wissenschaftsverlag | ||
|Titel=Elasticity – Theory, applications and numerics | |Datum=1989 | ||
|Verlag=Elsevier Butterworth-Heinemann | |ISBN=3-411-05197-3}} | ||
| | * {{Literatur | ||
|ISBN=0-12-605811-3}} | |Autor=Martin H. Sadd | ||
* {{Literatur|Autor=P. K. Raschewski | |Titel=Elasticity – Theory, applications and numerics | ||
|Titel=Riemannsche Geometrie und Tensoranalysis | |Verlag=Elsevier Butterworth-Heinemann | ||
|Verlag=VEB Deutscher Verlag der Wissenschaft | |Datum=2005 | ||
| | |ISBN=0-12-605811-3}} | ||
* {{Literatur|Autor=T. Y. Thomas | * {{Literatur | ||
|Titel=Systems of Total Differential Equations Defined over Simply Connected Domains | |Autor=P. K. Raschewski | ||
|Sammelwerk=Annals of Mathematics|Band=35|Seiten=730–734 | |Titel=Riemannsche Geometrie und Tensoranalysis | ||
| | |Verlag=VEB Deutscher Verlag der Wissenschaft | ||
|Datum=1959}} | |||
* {{Literatur | |||
|Autor=T. Y. Thomas | |||
|Titel=Systems of Total Differential Equations Defined over Simply Connected Domains | |||
|Sammelwerk=Annals of Mathematics | |||
|Band=35 | |||
|Datum=1934 | |||
|Seiten=730–734 | |||
|Sprache=en | |||
|JSTOR=10.2307/1968488}} | |||
{{SORTIERUNG:Kompatibilitatsbedingung}} | {{SORTIERUNG:Kompatibilitatsbedingung}} | ||
[[Kategorie:Kontinuumsmechanik]] | [[Kategorie:Kontinuumsmechanik]] |
Kompatibilitätsbedingungen sind in der Kontinuumsmechanik Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit aus Ableitungen eines Bewegungsfeldes nach dem Ort gebildeten Größen, das Bewegungsfeld rekonstruiert werden kann. Die abgeleiteten Größen sind dann kompatibel mit einem Bewegungsfeld.
Anwendung finden die Kompatibilitätsbedingungen in der Theorie der Spannungsfunktionen, mit deren Hilfe analytische Lösungen der ebenen und räumlichen, linearen Elastostatik berechnet werden können, z. B. bei der Airy’schen Spannungsfunktion.
Bei der Bewegung eines Körpers durch den Raum treten in den für die Kontinuumsmechanik interessanten Fällen Verformungen auf, die sich durch die Verzerrungen quantifizieren lassen, die aus Ableitungen des Bewegungsfeldes nach dem Ort berechnet werden. Von den Verzerrungen gibt es im allgemeinen dreidimensionalen Fall sechs Komponenten. Sollen aus ihnen die drei Komponenten der Bewegung in x-, y- bzw. z-Richtung rekonstruiert werden, ist klar, dass die Verzerrungen nicht voneinander unabhängig sein können. Bei einer ebenen Bewegung liegen drei Verzerrungsfelder $ \varepsilon _{11},\varepsilon _{22} $ und $ \varepsilon _{12} $ vor, die zwei Verschiebungskomponenten in x- bzw. y-Richtung entsprechen (nach Umbenennung gemäß dem Schema 1 → x und 2 → y). Einen solchen Fall zeigt die nebenstehende Abbildung. Nun kann sich die Frage stellen, ob sich aus den Verzerrungsfeldern die Bewegung rekonstruieren lässt. Dies kann genau dann gelingen, wenn die Verzerrungen die für sie formulierten Kompatibilitätsbedingungen einhalten.
Indem die drei Komponenten der Bewegung in x-, y- und z-Richtung nach den drei Ortskoordinaten in x-, y- bzw. z-Richtung abgeleitet werden, entstehen insgesamt neun Ableitungen, die die Komponenten des Deformationsgradienten bilden. Auch für die neun Komponenten des Deformationsgradienten existieren Kompatibilitätsbedingungen, die diese einhalten müssen, damit aus ihnen die Bewegung wieder hergestellt werden kann.
Um die Bewegung eines Körpers zu beschreiben, wird zunächst jedem Partikel des Körpers über die Referenzkonfiguration eineindeutig ein „Name“ oder „Etikett“ zugeordnet. Dieser „Name“ soll hier die Position
des Partikels zu einem bestimmten Zeitpunkt $ t_{0} $ sein. Die Zahlen $ X_{1,2,3}\in \mathbb {R} $ werden materielle Koordinaten des Partikels genannt und gelten in Bezug auf die Standardbasis $ {\hat {e}}_{1,2,3} $ des euklidischen Vektorraumes $ \mathbb {V} ^{3} $. Zumeist wird $ t_{0} $ so gewählt, dass zu diesem Zeitpunkt der Körper undeformiert und in Ruhe ist und die Bewegung beginnt. Im Zuge seiner Bewegung durch den Raum wandert jedes Partikel auf seiner Bahnlinie vorwärts, die die Bewegungsfunktion
mathematisch beschreibt. In Bezug auf die Standardbasis hat nun jedes Partikel zu einer Zeit $ t\geq t_{0} $ räumliche Koordinaten $ x_{1,2,3}\in \mathbb {R} $.
Der linearisierte Verzerrungstensor entsteht aus Ableitungen des Verschiebungsfeldes. Die Verschiebung $ {\vec {u}} $ eines Partikels ist sein zurückgelegter Weg, mathematisch der Differenzvektor zwischen seiner aktuellen Position und seiner Position in der Ausgangskonfiguration:
Häufig kann, vor allem in technischen Anwendungen, angenommen werden, dass erstens diese Verschiebung im Vergleich zu Abmessungen des Körpers klein ist und zweitens auch die Ableitungen der Verschiebungen nach dem Ort klein gegen eins sind. Dann brauchen die materiellen Koordinaten $ {\vec {X}} $ und die räumlichen $ {\vec {x}} $ nicht mehr auseinandergehalten zu werden und die Verzerrungen des Körpers werden mit dem linearisierten Verzerrungstensor gemessen, der die Darstellung
besitzt. Darin ist „grad“ der Gradienten- und 𝜵 der Nabla-Operator, das hochgestellte Zeichen ⊤ steht für die Transposition, das Rechenzeichen „⊗“ bildet das dyadische Produkt und in den letzten beiden Gleichungen wurde die Einsteinsche Summenkonvention angewendet. Hier wie im Folgenden ist über in einem Produkt doppelt vorkommende Indizes, oben i und j, von eins bis drei zu summieren. Des Weiteren ist ein Index nach einem Komma eine abkürzende Schreibweise für die Ableitung nach der genannten Koordinate:
Berechnung der Rotation des Verzerrungstensors liefert:
Der obere rechte Term verschwindet, weil Komponenten mit vertauschten Indizes i und k gleich groß aber umgekehrtes Vorzeichen haben, so dass sie sich in der Summe aufheben, oder bei i = k verschwinden, was in der letzten Gleichung auch für die Indizes j und l in analoger Weise zutrifft. Die aus dem Verschiebungsfeld abgeleiteten Verzerrungen erfüllen also[F 1]
ϵijk = (êi × êj) · êk ist das Permutationssymbol. Die Gleichungen sind die Kompatibilitätsbedingungen der Verzerrungen, denn werden diese Gleichungen von einem Verzerrungsfeld eingehalten, dann gibt es ein Verschiebungsfeld, das die gegebenen Verzerrungen hervorruft[L 1].
Beweis 1 |
---|
Der Schluss von der Kompatibilitätsbedingung $ \nabla \times \left((\nabla \times {\boldsymbol {\varepsilon }})^{\top }\right)=\mathbf {0} $ auf die Existenz des Verschiebungsfeldes gelingt mit dem Tensorfeld $ \nabla \times {\boldsymbol {\varepsilon }}=\varepsilon _{ij,k}({\hat {e}}_{k}\times {\hat {e}}_{i})\otimes {\hat {e}}_{j} $, das spurfrei ist:
denn Terme mit vertauschten Indizes i und j sind gleich groß, haben aber entgegengesetztes Vorzeichen, so dass sie sich in der Summe aufheben, oder verschwinden bei i = j, siehe Spatprodukt. Nach dem Poincaré-Lemma in der Ausprägung
existiert ein schiefsymmetrisches Tensorfeld W, dessen Rotation 𝜵 × ε ist:
Gemäß dem Poincaré-Lemma in der Ausprägung
gibt es nun ein Vektorfeld $ {\vec {u}} $, für das gilt:
und dessen symmetrischer Anteil der Verzerrungstensor ist:
|
In ebenen Problemen, wie bei der Airy’schen Spannungsfunktion, wo nur zwei Koordinaten involviert sind, reduzieren sich diese Kompatibilitätsbedingungen weiter auf nur eine von den drei ersten skalaren Gleichungen.
Die Kompatibilitätsbedingung kann auch ohne die Rotation geschrieben werden:
Der Operator „Sp“ gibt die Spur eines Tensors und „sym“ liefert den symmetrischen Anteil $ \mathrm {sym} (\mathbf {T} )={\tfrac {1}{2}}(\mathbf {T} +\mathbf {T} ^{\top }) $.
Beweis 2 |
---|
Für die Herleitung wird das wie folgt definierte äußere Tensorprodukt „#“ benutzt:
Der Tensor 1 ist der Einheitstensor. Damit berechnet sich:
Der Operator „Δ“ ist der Laplace-Operator. Die Spur von $ {\mathfrak {L}}({\boldsymbol {\varepsilon }}) $ berechnet sich zu
mit der Konsequenz
Deshalb verschwindet $ {\mathfrak {R}}({\boldsymbol {\varepsilon }}) $ genau dann, wenn auch $ {\mathfrak {L}}({\boldsymbol {\varepsilon }}) $ verschwindet: Denn wenn $ {\mathfrak {R}}({\boldsymbol {\varepsilon }})=\mathbf {0} $ ist, dann ist auch s = 0 und es folgt $ {\mathfrak {L}}({\boldsymbol {\varepsilon }})=\mathbf {0} $. Umgekehrt folgt auch aus $ {\mathfrak {L}}({\boldsymbol {\varepsilon }})=\mathbf {0} $, dass s = 0 ist und dementsprechend $ {\mathfrak {R}}({\boldsymbol {\varepsilon }})=\mathbf {0} $ gilt. Also kann die Kompatibilität der Verzerrungen mit einem Verschiebungsfeld auch mit
sichergestellt werden. |
Beim Lösungsansatz für die Bewegungsgleichungen über Spannungsfunktionen, sind die Spannungen die primären Unbekannten. Sind diese für gegebene Randbedingungen gefunden, dann gilt es aus ihnen das Bewegungsfeld zu rekonstruieren. Das gelingt bei linearer, isotroper Elastizität, wenn die Spannungen σ in einem Schwerefeld $ {\vec {b}} $ wie es die Schwerkraft eines ist die folgenden für sie formulierten Kompatibilitätsbedingungen erfüllen:
oder in Abwesenheit einer Schwerkraft:
Das Symbol $ \delta _{ij} $ ist das Kronecker-Delta und $ \nu $ ist die Querkontraktionszahl.
Beweis 3 |
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Die Herleitung basiert auf Beweis 2, der zeigte, dass wenn
verschwindet, das Verzerrungsfeld ε kompatibel ist. In der Statik ist die Divergenz der Spannungen im Gleichgewicht mit der spezifischen Schwerkraft $ {\vec {b}} $:
Mit der Abkürzung
folgt wegen 𝜵·𝜵f = Δf, 𝜵·(f 1) = 𝜵f und Sp(𝜵⊗f) = 𝜵·f:
Bei linearer, isotroper Elastizität ist die Spannungs-Dehnungs-Beziehung linear:
Der Materialparameter G ist der Schubmodul. Jetzt kann die Kompatibilitätsbedingung mit den Spannungen ausgedrückt werden:
Anwendung der Spur auf diese Gleichung ergibt
und führt schließlich auf die im Text aufgeführten Kompatibilitätsbedingungen. |
Diese Kompatibilitätsbedingungen werden als Beltrami-Michell Gleichungen bezeichnet.[F 2]
Es existieren auch Kompatibilitätsbedingungen bei kubisch anisotroper (Albrecht 1951) und transversal isotroper (von Moisil 1952) linearer Elastizität[L 2].
Die Komponenten des Deformationsgradienten werden aus den Ableitungen der Bewegungskomponenten $ \chi _{1,2,3} $ nach den materiellen Koordinaten $ X_{1,2,3} $ berechnet:
Nun liegen also $ 3\cdot 3=9 $ Komponenten $ F_{ij} $ des Deformationsgradienten vor, die aus den drei Bewegungsfunktionen $ \chi _{1,2,3} $ abgeleitet wurden.
Sollen umgekehrt aus neun Komponenten $ F_{ij}({\vec {X}},t) $ des Deformationsgradienten die drei Bewegungsfunktionen $ \chi _{1,2,3}({\vec {X}},t) $ bezogen werden können, müssen die Komponenten des Deformationsgradienten die folgenden, für sie formulieren Kompatibilitätsbedingungen einhalten:
wo ϵijk = (êi × êj) · êk ist das Permutationssymbol ist, oder[L 3]
Falls das zutrifft, stellt das Poincaré-Lemma in der Form
sicher, dass es ein Vektorfeld $ {\vec {\chi }}({\vec {X}}) $ gibt, dessen Gradient das Tensorfeld $ \mathbf {F} $ ist.
Der Deformationsgradient kann wegen
mit den Tangentenvektoren
dargestellt werden. Die Komponenten $ g_{ik} $ des rechten Cauchy-Green Tensors $ \mathbf {C} =\mathbf {F} ^{\top }\cdot \mathbf {F} $ berechnen sich wegen
aus den Skalarprodukten dieser Tangentenvektoren:
Mit den Christoffelsymbolen der ersten Art
kann gezeigt werden, dass bei gegebenen Komponenten $ g_{ij} $ des rechten Cauchy-Green Tensors die Bewegung genau dann rekonstruierbar ist, wenn
gilt. Die Komponenten $ g^{pq} $ gehören zum Inversen des rechten Cauchy-Green Tensors
und $ R_{ijkl} $ sind die Komponenten des Riemann-Christoffel Krümmungstensors. Von den obigen Gleichungen für die 81 Komponenten des Riemann-Christoffel Tensors sind nur sechs unabhängig[L 4]. Wegen des linearen Zusammenhangs
zwischen dem rechten Cauchy-Green Tensor $ \mathbf {C} $ und dem Green-Lagrange’schen Verzerrungstensor $ \mathbf {E} $ können daraus auch Kompatibilitätsbedingungen für die Komponenten
des Green-Lagrange’schen Verzerrungstensors abgeleitet werden, die aber weitaus schwieriger zu lösen sind als im geometrisch linearen Fall, wo $ \mathbf {E} $ in den linearisierten Verzerrungstensor ε übergeht, siehe oben und folgendes Beispiel.
Auf einen in x-Richtung ausgerichteten, linear elastischen Balken wirke ausschließlich eine zur z-Koordinate proportionale Spannung
mit Proportionalitätsfaktor $ -m $ und Elastizitätsmodul $ E $ des Materials des Balkens, siehe Abbildung rechts. Gemäß dem Hooke’schen Gesetz entsprechen die Spannungen den Dehnungen
denn Schubspannungen sind nicht vorgegeben, weswegen auch keine Scherungen auftreten. Die Größe $ \nu $ ist die Querdehnzahl des Materials des Balkens. Weil sämtliche zweiten Ableitungen der Dehnungen verschwinden, sind die Kompatibilitätsbedingungen erfüllt: es gibt also ein Verschiebungsfeld, das die vorgegebenen Dehnungen hervorruft. Mit den im Bild skizzierten Randbedingungen lauten diese Verschiebungen
denn:
und
Im Beispiel bei den Spannungsfunktionen zeigt sich, dass dieses Bewegungsfeld auch im Gleichgewicht ist.