Minimale Kopplung,[greiner 1] minimale Substitution oder auch Prinzip der minimalen elektromagnetischen Wechselwirkung[rollnik2 1] beschreibt ein Prinzip der Quantenmechanik zur Einführung der elektromagnetischen Wechselwirkung in die Gleichungen freier Teilchen. Das Prinzip legt die durchzuführende Ersetzung im Hamiltonoperator eines freien Teilchens fest, um seine Wechselwirkung mit einem elektromagnetischen Feld zu erreichen. Die Berechtigung dieses Prinzips rührt daraus, dass eine Ankopplung freier Teilchen an Wechselwirkungsfelder nach diesem Prinzip zu Eichinvarianz der betreffenden Gleichungen führt.[Schleich 1]
In der nichtrelativistischen Quantenmechanik wird die Dynamik eines Teilchens durch die Schrödingergleichung
beschrieben. Dabei ist
gegeben, für ein Teilchen in einem Potential
mit dem Impulsoperator
Zur Ankopplung eines geladenen Teilchens an das elektromagnetische Feld werden folgende Ersetzungen in der Schrödingergleichung durchgeführt:
Der Impulsoperator
ersetzt. Dies entspricht der Ersetzung des kinetischen Impulses durch den kanonischen Impuls.[Schwabl 1] Dabei ist die Stärke der Ankopplung des Teilchens an das Feld die elektrische Ladung
Außerdem wird auf der linken Seite der Schrödingergleichung die Zeitableitung durch
ersetzt, wobei
In der relativistischen Quantenmechanik, dessen Analogon der Schrödingergleichung die Dirac-Gleichung ist, können beide Ersetzungen zu einer einzigen zusammengefasst werden. Im Rahmen des Tensorkalküls der Relativitätstheorie werden das Skalarpotential und Vektorpotential des elektromagnetischen Feldes zu einem Viererpotential zusammengefasst:
Der Impulsoperator ist in der relativistischen Quantenmechanik auch ein Vierervektor, der Viererimpuls:
Das Prinzip der minimalen Kopplung verlangt nun die Ersetzung
In der Ortsdarstellung stimmt die minimale Kopplung mit der aufgrund von Eichinvarianz geforderten kovarianten Ableitung überein,[rollnik2 1] obwohl beide Terme auf verschiedene Weisen hergeleitet werden. Der Term der minimalen Kopplung und die damit verbundene Ersetzungsregel entspringt dem Verlangen, die Schrödingergleichung oder Dirac-Gleichung eines freien Teilchens an ein elektromagnetisches Feld zu koppeln. Dagegen entspringt die Ersetzungsregel, dass alle partiellen Ableitungen durch die kovariante Ableitung ersetzt werden sollen, dem Verlangen nach einer eichinvarianten Bewegungsgleichung. Es stellt sich heraus, dass beide Ersetzungsregeln identisch sind. Im Abschnitt Eichfreiheit im Sinne der Eichtheorie wird skizziert, wie die Forderung nach Eichinvarianz die Ankopplung der freien Gleichung an ein Wechselwirkungsfeld fordert und somit die kovariante Ableitung zu Tage fördert. Man beobachtet, dass die dort hergeleitete kovariante Ableitung genau der minimalen Kopplung entspricht. Im Abschnitt Kovariante Ableitung wird skizziert, warum beide Ersetzungsregeln identisch sein müssen.
In der Hamiltonschen Mechanik wird die Bewegung eines geladenen Teilchens der Ladung
beschrieben, die sich ausgehend von der Lorentzkraft herleiten lässt.[greiner 2] Dabei werden das elektrische Feld
Zu dieser Hamilton-Funktion gelangt man auch von der Hamilton-Funktion eines freien Teilchens (freies Teilchen bedeutet verschwindendes Potential
Die Ersetzungen
führen genau auf die Hamilton-Funktion eines klassischen geladenen Teilchens im elektromagnetischen Feld.[Blöchl 1] Diese Ersetzungen entsprechen den oben für die Quantenmechanik angegebenen Ersetzungen. Die erste Ersetzung ist dieselbe wie in der quantenmechanischen Version. Die zweite Ersetzung entspricht auch gerade der zweiten Ersetzung für die Quantenmechanik, da in der zeitabhängigen Schrödingergleichung der Energieoperator
Eine Motivation der minimalen Kopplung ist, dass sie zur Eichinvarianz im Sinne der klassischen Elektrodynamik in den Bewegungsgleichungen, die sich aus den Hamiltonschen Gleichungen ergeben, führt. Die Hamilton-Funktion selbst ist dagegen in diesem Sinne nicht eichinvariant.[greiner 3]
Man spricht von Eichfreiheit, wenn sich die Potentiale
Man darf nun solche Eichungen
mit einer beliebigen skalaren Funktion
Wählt man die Weyl-Eichung,[Bemerkungen 1] also eine Eichung, in der das skalare Potential immer verschwindet,
so muss nur die erste Ersetzung auf die Hamilton-Funktion eines freien Teilchens zur Ankopplung an das elektromagnetische Feld durchgeführt werden.
Die Schrödingergleichung eines freien Teilchens ohne Spin lautet
Der Hamiltonoperator des freien Teilchens ist demnach
Alle messbaren physikalische Größen sind nur vom Betragsquadrat der Wellenfunktion
Schreibt man dagegen den Hamiltonoperator mit der minimalen Kopplung, so bleibt die Schrödingergleichung unter Eichung der Phase invariant. Dies nennt man Kovarianz. Die Forderung nach lokaler Eichfreiheit der Phase macht die Existenz der elektromagnetischen Felder daher zwingend notwendig. Theorien, in denen Wechselwirkungsfelder aufgrund von Invarianzen unter bestimmten Transformationen (hier lokale Phasentransformation) automatisch generiert werden, heißen Eichfeldtheorien. Außerdem ist der Hamiltonoperator nun auch forminvariant unter Eichung der elektromagnetischen Potentiale. Die Ersetzung des Impulsoperators
Betrachtet man nun den Hamiltonoperator
auf die ungestrichene Schrödingergleichung
Beide Eichtransformationen heben sich also gegeneinander auf, so dass die Schrödingergleichung geschrieben mit kovarianter Ableitung forminvariant unter Eichtransformation der Potentiale und der Wellenfunktionen ist.
Das Prinzip der minimalen Kopplung führt erst in der relativistischen Quantenmechanik (also bei Anwendung auf die Dirac-Gleichung) zu der quantitativen Kopplung zwischen geladenen Teilchen und elektromagnetischem Feld, die bislang experimentell nachgewiesenen wurde. In der „klassischen“ Schrödingergleichung fehlt noch der Anteil der Wechselwirkung zwischen Elektron und Licht, der vom Spin des Elektrons abhängt. Um diesen Spin-Anteil auch in der nicht relativistischen Quantenmechanik über das Prinzip der minimalen Kopplung einzuführen, kann man einen Trick anwenden.[rollnik2 1]
Für die Pauli-Matrizen
Wenn man nun das Prinzip der minimalen Kopplung auf diesen modifizierten freien Hamiltonoperator anwendet, so erhält man
Ausmultiplizieren unter Beachtung der Reihenfolge sowie der Verwendung der oben angegebenen Definition des Magnetfeldes
Dies entspricht der Pauli-Gleichung, die die Dynamik eines nicht relativistischen Spin-1/2-Teilchens mit Ladung
Die freie Dirac-Gleichung lautet unter Verwendung der Dirac-Matrizen
und ist lorentzinvariant. Genauso wie im Fall der Schrödingergleichung ist die Gleichung aber unter Phasentransformation nicht eichinvariant. Einfügen der minimalen Kopplung in der Vierervektorschreibweise, also
mit
wird auch kovariante Ableitung genannt, da das Ersetzen der „normalen partiellen Ableitung“ durch die „kovariante Ableitung“ zur Kovarianz bzgl. Eichtransformationen der betreffenden Gleichung führt.
Die Hamilton-Funktion für ein geladenes Teilchen in einem elektromagnetischen Feld und einem Potential
gegeben. Diese Hamilton-Funktion beschreibt ein klassisches geladenes Teilchen in einem Potential. Die quantenmechanische Version (Übergang von der Hamilton-Funktion zum Hamiltonoperator) würde ein einzelnes Elektron gebunden an ein Atom (Wasserstoffatom) beschreiben. Der Einfachheit halber soll aber im folgenden Abschnitt die Dipolnäherung an der klassischen Hamilton-Funktion gezeigt werden.
Die Hamilton-Funktion kann in zwei Teile aufgeteilt werden. Ein Teil beschreibt das System (Elektron im Potential) selbst und der andere seine Wechselwirkung mit dem elektromagnetischen Feld.
Betrachtet man nun die Situation in einem elektromagnetischen Feld in der Strahlungseichung (
Das Vektorpotential kann außerdem als
In der Dipolnäherung ist das elektrische Feld
Der letzte Term kann weggelassen werden, da die Hamilton-Funktion nur bis auf die totale zeitliche Ableitung einer beliebigen Funktion bestimmt ist. Schließlich ergibt sich die Wechselwirkungs-Hamilton-Funktion für ein gebundenes geladenes Teilchen in der Dipolnäherung zu
Dieses Ergebnis wurde aus dem Prinzip der minimalen Kopplung hergeleitet und wird auch in seiner quantenmechanischen Entsprechung (hier klassische Herleitung) der Quantenelektrodynamik verwendet. Ein häufig verwendeter Name für diese Wechselwirkung ist auch „
definieren (in Analogie eines elektrischen Dipols). Damit ist offensichtlich, dass das Feld in der Dipolnäherung nur an das Dipolmoment des Wasserstoffatoms ankoppelt. Allgemein kann obige Prozedur auch für Atome mit mehr als einem Elektron durchgeführt werden.
Allgemein lässt sich der Minimale-Kopplungs-Hamiltonoperator mit der unitären Power-Zinau-Woolley-Transformation in die äquivalente Darstellung des Multipolare-Kopplungs-Hamiltonoperators bringen. Hier ist das elektromagnetische Feld über das Vektorpotential an die Polarisation und Magnetisierung angekoppelt. Durch diese Form des Wechselwirkungs-Hamiltonoperator können Licht-Materie-Wechselwirkungen von Dielektrika beschrieben werden.
In der Allgemeinen Relativitätstheorie bezeichnet der Terminus Prinzip der minimalen Kopplung ein leicht verändertes Prinzip. Die Einsteinschen Feldgleichungen im Vakuum können aus einer Lagrange-Dichte der Form
mit der Metrik
Ein Prinzip der Allgemeinen Relativitätstheorie ist das Kovarianzprinzip, welches besagt, dass Gleichungen, die in der Speziellen Relativitätstheorie gültig und daher lorentzinvariant sind, durch Ersetzung der partiellen Ableitungen
In der Eichfeldtheorie (z. B. alle Theorien bzgl. der fundamentalen Wechselwirkungen im Standardmodell der Teilchenphysik) unterliegen die Wellenfunktionen der Teilchen bestimmten Symmetrien. Diese Symmetrien manifestieren sich in der Invarianz der Lagrange-Dichte der Theorie auf die Wirkung einer Gruppe
Die Lagrange-Dichte des elektromagnetischen Feldes mit minimaler Kopplung lautet:
Dabei ist der erste Teil der kinetische Term mit dem Feldstärketensor
Der Name minimale Kopplung rührt daher, da es die einfachste Verknüpfung von Ladungsstromdichte
Außerdem führt genau diese minimale Kopplungsprozedur auf eine eichinvariante Wirkung.
Die obige Darstellung der minimalen Kopplung in der Lagrange-Dichte entspricht genau der in der Einleitung geschilderten Prozedur für ein punktförmig geladenes Teilchen. Dazu betrachtet man die Viererstromdichte eines punktförmigen Teilchens:
Dabei wurden die üblichen Symbole aus der Speziellen Relativitätstheorie verwendet:
Schreibt man nun das Skalarprodukt der beiden Vierervektoren aus, so ergibt sich:
Um die gesamte Lagrange-Dichte
Der kanonische Impuls ergibt sich aus
Der kinetische Impuls ist demnach
Die Wechselwirkungs-Lagrange-Dichte