Schwache Wechselwirkung: Unterschied zwischen den Versionen

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[[File:Beta-minus Decay.svg|miniatur|Der Radioaktive [[Betazerfall]] basiert auf der schwachen Wechselwirkung, bei dem ein [[Neutron]] in ein [[Proton]], ein [[Elektron]] und ein [[Elektron-Antineutrino]] umgewandelt wird.]]
[[Datei:Beta-minus Decay.svg|mini|hochkant=1.4|Der [[Betazerfall]] eines Atomkerns erfolgt durch schwache Wechselwirkung. Dabei wandelt sich ein [[Neutron]] in ein [[Proton]], ein [[Elektron]] und ein [[Elektron-Antineutrino]] um.]]
Die '''schwache Wechselwirkung''' (auch '''schwache Kernkraft''' genannt, vereinzelt auch '''β-Wechselwirkung''') ist eine der vier [[Fundamentale Wechselwirkung|Grundkräfte der Physik]]. Im Gegensatz zu den aus dem Alltag bekannten Wechselwirkungen der [[Gravitation]] und des [[Elektromagnetische Wechselwirkung|Elektromagnetismus]] wirkt sie jedoch nur auf sehr kleinen Abständen. Dabei kann sie wie andere Kräfte für [[Energie]]- und [[Impuls (Physik)|Impuls]]-Austausch sorgen, wirkt aber vor allem bei Zerfällen oder Umwandlungen der beteiligten Teilchen, etwa dem [[Betazerfall]] bestimmter [[Radioaktivität|radioaktiver]] [[Atomkern]]e. Durch die schwache Wechselwirkung lassen sich keine [[Gebundener Zustand|gebundenen Zustände]] bilden, was sie von den anderen drei Wechselwirkungen unterscheidet.
Die '''schwache Wechselwirkung''' (auch '''schwache Kernkraft''' oder '''Quantenflavordynamik''' genannt) ist eine der vier [[Fundamentale Wechselwirkung|Grundkräfte der Physik]]. Im Gegensatz zu den aus dem Alltag bekannten Wechselwirkungen der [[Gravitation]] und des [[Elektromagnetische Wechselwirkung|Elektromagnetismus]] wirkt sie jedoch nur auf sehr kurze Distanzen, so wie die [[starke Wechselwirkung]]. Dabei kann sie wie andere Kräfte für [[Energie]]- und [[Impuls (Physik)|Impuls]]-Austausch sorgen, wirkt aber vor allem bei Zerfällen oder Umwandlungen der beteiligten Teilchen, etwa dem [[Betazerfall]] bestimmter [[Radioaktivität|radioaktiver]] [[Atomkern]]e. Durch die schwache Wechselwirkung lassen sich keine [[Gebundener Zustand|gebundenen Zustände]] bilden, was sie von den anderen drei Wechselwirkungen unterscheidet.


Entscheidende Bedeutung hat die schwache Wechselwirkung durch ihre Rolle bei der [[Kernfusion|Fusion]] von [[Wasserstoff]] zu [[Helium]] in der [[Sonne]] ([[Proton-Proton-Reaktion]]), da nur durch sie die Umwandlung von [[Proton]]en in [[Neutron]]en möglich ist. So entsteht aus vier Protonen (den Wasserstoffkernen) über mehrere Zwischenschritte der stabile Heliumkern mit zwei Protonen und zwei Neutronen. Durch diesen Prozess setzt die Sonne Energie frei. Aufgrund der geringen Stärke der schwachen Wechselwirkung läuft dieser Prozess so langsam ab, dass die Sonne schon seit 4,5 Milliarden Jahren stabil leuchtet und dies voraussichtlich noch fünf bis sechs Milliarden Jahre tun wird.
Entscheidende Bedeutung für das Leben auf der Erde hat die schwache Wechselwirkung durch ihre Rolle bei der [[Kernfusion|Fusion]] von [[Wasserstoff]] zu [[Helium]] in der [[Sonne]] ([[Proton-Proton-Reaktion]]), da nur durch sie die Umwandlung von [[Proton]]en in [[Neutron]]en möglich ist. So entsteht aus vier Protonen (den Wasserstoffkernen) über mehrere Zwischenschritte ein stabiler Heliumkern mit zwei Protonen und zwei Neutronen. Durch diesen Prozess setzt die Sonne Energie frei. Aufgrund der geringen Stärke der schwachen Wechselwirkung läuft dieser Prozess so langsam ab, dass die Sonne schon seit 4,5 Milliarden Jahren stabil leuchtet und dies voraussichtlich noch fünf bis sechs Milliarden Jahre tun wird.


== Überblick ==
== Überblick ==
Die schwache Wechselwirkung lässt sich unterscheiden in:
* geladene [[Strom (Physik)|Ströme]]; sie wirken zwischen allen ([[Chiralität (Physik)|linkshändigen]]) [[Quark (Physik)|Quarks]] und (linkshändigen) [[Lepton]]en sowie den ([[Chiralität (Physik)|rechtshändigen]]) [[Quark (Physik)|Antiquarks]] und (rechtshändigen) Anti-Leptonen.
* ungeladene Ströme; sie wirken zwischen denselben Teilchen, die durch geladene Ströme wechselwirken, aber zusätzlich auch zwischen allen geladenen (Anti-)Quarks und (Anti-)Leptonen, unabhängig von ihrer [[Chiralität (Physik)|Chiralität]], d. h. auch zwischen rechtshändigen Quarks, rechtshändigen Leptonen, linkshändigen Antiquarks und linkshändigen Anti-Leptonen.


Die schwache Wechselwirkung lässt sich in geladene Ströme und ungeladene Ströme unterscheiden. Geladene Ströme wirken zwischen allen ([[Chiralität (Physik)|linkshändigen]]) [[Quark (Physik)|Quarks]] und (linkshändigen) [[Lepton]]en sowie den ([[Chiralität (Physik)|rechtshändigen]]) [[Quark (Physik)|Antiquarks]] und (rechtshändigen) Anti-[[Lepton]]en. Ungeladene Ströme wirken zwischen denselben Teilchen, die durch geladene Ströme wechselwirken, aber zusätzlich auch zwischen allen geladenen (Anti-)Quarks und (Anti-)Leptonen unabhängig von ihrer [[Chiralität (Physik)|Chiralität]].
Die schwache Wechselwirkung ist ca. 10<sup>11</sup> mal schwächer als die [[Elektromagnetische Wechselwirkung|elektromagnetische]] und ca. 10<sup>13</sup> mal schwächer als die [[starke Wechselwirkung]]. Wie die starke und die elektromagnetische Wechselwirkung wird sie durch den Austausch von [[Eichboson]]en beschrieben. Diese Austauschteilchen der schwachen Wechselwirkung sind das neutrale [[Z-Boson]] (für die ungeladenen Ströme) sowie die beiden positiv bzw. negativ geladenen [[W-Boson]]en (für die geladenen Ströme). Da ihre Austauschteilchen [[Masse (Physik)|massiv]] sind, hat die schwache Kraft nur eine extrem kurze Reichweite unterhalb eines [[Atomkern]]radius.
 
Die [[Elektromagnetische Wechselwirkung|elektromagnetische]] ist ca. 10<sup>11</sup> Mal, die [[starke Wechselwirkung]] ca. 10<sup>13</sup> Mal stärker als die schwache Wechselwirkung. Wie die starke und die elektromagnetische Wechselwirkung wird sie durch den Austausch von [[Eichboson]]en beschrieben. Diese Austauschteilchen der schwachen Wechselwirkung sind das neutrale [[Z-Boson]] sowie die beiden positiv bzw. negativ geladenen [[W-Boson]]en. Da diese [[Masse (Physik)|massiv]] sind, ist die schwache Kraft nur von geringer Reichweite (kleiner als ein [[Atomkern]]radius).


Die schwache Wechselwirkung lässt sich am einfachsten bei Zerfällen von Quarks oder Leptonen beobachten. In [[Streuung (Physik)|Streuexperimenten]] hingegen ist diese eher schwer zugänglich, da sie bei geladenen Leptonen oder [[Hadron]]en von der starken bzw. elektromagnetischen Wechselwirkung überlagert wird. Teilchen, die weder der starken noch der elektromagnetischen Wechselwirkung unterliegen (keine [[Farbladung]] und keine [[elektrische Ladung]] tragen), sind die ungeladenen Leptonen, also die [[Neutrino]]s, die aber in Streuexperimenten äußerst kleine [[Wirkungsquerschnitt]]e besitzen.
Die schwache Wechselwirkung lässt sich am einfachsten bei Zerfällen von Quarks oder Leptonen beobachten. In [[Streuung (Physik)|Streuexperimenten]] hingegen ist diese eher schwer zugänglich, da sie bei geladenen Leptonen oder [[Hadron]]en von der starken bzw. elektromagnetischen Wechselwirkung überlagert wird. Teilchen, die weder der starken noch der elektromagnetischen Wechselwirkung unterliegen (keine [[Farbladung]] und keine [[elektrische Ladung]] tragen), sind die ungeladenen Leptonen, also die [[Neutrino]]s, die aber in Streuexperimenten äußerst kleine [[Wirkungsquerschnitt]]e besitzen.


Die schwache Wechselwirkung verletzt die [[Paritätsverletzung|Paritätserhaltung]], wie im [[Wu-Experiment]] nachgewiesen wurde. Außerdem verletzt sie die [[CP-Verletzung|CP-Erhaltung]] etwa beim Zerfall des ungeladenen K<sup>0</sup>-[[Meson]]s ([[Kaon]]en).
Die schwache Wechselwirkung [[Paritätsverletzung|verletzt die Paritätserhaltung]], wie im [[Wu-Experiment]] beim Betazerfall nachgewiesen wurde. Auch die C-Symmetrie zwischen Teilchen und Antiteilchen ist verletzt, da wie erwähnt der geladene Sektor nur Wechselwirkungen zwischen linkshändigen Fermionen und rechtshändigen Antifermionen hat. Außerdem [[CP-Verletzung|verletzt sie die CP-Erhaltung]] etwa beim Zerfall des ungeladenen K<sup>0</sup>-[[Meson]]s ([[Kaon]]en).


Eine [[Quantenfeldtheorie]], die die schwache Wechselwirkung zusammen mit der [[Elektromagnetische Wechselwirkung|elektromagnetischen Wechselwirkung]] beschreibt, ist das [[Glashow-Weinberg-Salam-Theorie|Glashow-Weinberg-Salam-Modell]]. Man spricht in dieser Formulierung auch von zwei Aspekten der [[Elektroschwache Wechselwirkung|elektroschwachen Wechselwirkung]], die durch den [[Higgs-Mechanismus]] vereinheitlicht werden.
Eine [[Quantenfeldtheorie]], die die schwache Wechselwirkung zusammen mit der elektromagnetischen Wechselwirkung beschreibt, ist das [[Glashow-Weinberg-Salam-Theorie|Glashow-Weinberg-Salam-Modell]]. Man spricht in dieser Formulierung auch von zwei Aspekten der [[Elektroschwache Wechselwirkung|elektroschwachen Wechselwirkung]], die durch den [[Higgs-Mechanismus]] vereinheitlicht werden.


== Austauschteilchen ==
== Austauschteilchen ==
Die Austauschteilchen der schwachen Wechselwirkung sind massive [[Vektorboson]]en, sie haben den [[Spin]]&nbsp;1. Ihr Verhalten kann durch die [[Proca-Gleichung]] beschrieben werden.


Die Austauschteilchen der schwachen Wechselwirkung sind massive Vektorbosonen. Sie haben den Spin 1. Ihr Verhalten kann durch die [[Proca-Gleichung]] beschrieben werden.
Folgende Tabelle gibt eine Übersicht der Eigenschaften der Austauschteilchen (Masse und [[Zerfallsbreite|Resonanzbreite]] nach [[Particle Data Group]], [[Lebensdauer (Physik)|Lebensdauer]] über die [[Energie-Zeit-Unschärferelation]] berechnet):
 
Folgende Tabelle gibt eine Übersicht der Eigenschaften der Austauschteilchen (Masse und [[Zerfallsbreite|Resonanzbreite]] nach [[Particle Data Group]], [[Lebensdauer (Physik)|Lebensdauer]] über die [[Energie-Zeit-Unschärferelation]] berechnet).


{| class="wikitable"
:{| class="wikitable"
|-
|-
! Boson !! Masse·c<sup>2</sup> in GeV !! Resonanzbreite in GeV !! Lebensdauer in s
! Boson !! Masse<br />(GeV/c<sup>2</sup>) !! Resonanzbreite<br />(GeV) !! Lebensdauer<br />(s)
|-
|-
| <math>W^\pm</math> || <math>80{,}385 \pm 0{,}015</math> || <math>2{,}085 \pm 0{,}042</math> || <math>3{,}16 \cdot 10^{-25}</math>
| <math>W^\pm</math> || <math>80{,}379\;\; \pm 0{,}012\;\;</math> || <math>2{,}085\;\; \pm 0{,}042\;\;</math> || <math>3{,}16 \cdot 10^{-25}</math>
|-
|-
| <math>Z^0</math> || <math>91{,}1876 \pm 0{,}0021</math> || <math>2{,}4952 \pm 0{,}0023</math> || <math>2{,}64 \cdot 10^{-25}</math>
| <math>Z^0</math> || <math>91{,}1876 \pm 0{,}0021</math> || <math>2{,}4952 \pm 0{,}0023</math> || <math>2{,}64 \cdot 10^{-25}</math>
|}
|}


Die Reichweite <math>r</math> lässt sich grob abschätzen, indem man annimmt dass sich die Teilchen während ihrer Lebensdauer <math>\tau</math> (im Ruhesystems des Teilchens) mit 71 % der Lichtgeschwindigkeit <math>c</math> im Laborsystem bewegen ([[Lorentzfaktor]] <math>\gamma = 1{,}41</math>): <math>r\approx \gamma v\tau\approx c\tau</math>. Dies ergibt bei einer Lebensdauer von 3·10<sup>−25</sup>&nbsp;s eine Reichweite von etwa 0,09&nbsp;[[Femtometer]] – der kleinste Atomkern, das Proton, hat einen Durchmesser von etwa einem Femtometer.
Die Reichweite <math>r</math> lässt sich grob abschätzen, indem man annimmt, dass sich die Teilchen während ihrer Lebensdauer <math>\tau</math> (im Ruhesystems des Teilchens) mit 71 % der [[Lichtgeschwindigkeit]] <math>c</math> im [[Laborsystem]] bewegen ([[Lorentzfaktor]] <math>\gamma = 1{,}41</math>): <math>r\approx \gamma v\tau\approx c\tau</math>. Dies ergibt für eine Lebensdauer von 3·10<sup>−25</sup>&nbsp;s eine Reichweite von etwa 0,09&nbsp;[[Femtometer]] – der kleinste [[Atomkern]], das Proton, hat einen Durchmesser von etwa 1,7&nbsp;Femtometer.
 
Das Massenverhältnis von W- und Z-Bosonen wird durch die elektroschwache Theorie mit dem [[Weinbergwinkel]] <math>\theta_W \approx 28,18^\circ</math> ([[CODATA]] 2014) verknüpft:


:<math>\frac{m_W}{m_Z} = \cos \theta_W \approx 0{,}8788</math>
In der Theorie der elektroschwachen Wechselwirkung ist das Z-Boson eine Mischung aus einem dritten, ungeladenen W-Boson W<sup>0</sup> und einem B-Boson. Die Mischung wird durch den [[Weinbergwinkel]] beschrieben (Details siehe dort), der den Wert <math>\theta_W \approx 28{,}74^\circ</math> hat.<ref name="thetaW" /> Aus dieser Mischung ergibt sich zum einen das Massenverhältnis
:<math>\frac{m_W}{m_Z} = \cos \theta_W \approx 0{,}8788</math>&nbsp;,
außerdem folgt daraus, dass die [[Kopplungsstärke]] der W-Bosonen nicht mit derjenigen der Z-Bosonen identisch ist: Die Kopplungsstärke des W-Bosons an ein linkshändiges [[Fermion]] ist gegeben durch


Als Konsequenz der Weinbergmischung ergibt sich, dass die Kopplungsstärke der Z-Bosonen nicht mit der der W-Bosonen identisch ist. Die Kopplungsstärke des W-Bosons an ein linkshändiges [[Fermion]] ist gegeben durch
:<math>Q_W = g \, T_z \;</math>,


:<math>Q_W = g \, T_z \;</math> ,
die Kopplungsstärke des <math>Z^0</math> an ein Fermion dagegen durch


die Kopplungsstärke des <math>Z^0</math> an ein Fermion ist dagegen
:<math>Q_Z = \frac{g}{\cos \theta_W} \left( T_z - z_f \, \sin^2 \theta_W \right)</math>&nbsp;,


:<math>Q_Z = \frac{g}{\cos \theta_W} \left( T_z - z_f \, \sin^2 \theta_W \right)</math>
mit
* <math>z_f</math> der Ladung des Fermions in Einheiten der [[Elementarladung]] <math>e</math>
* <math>T_z</math> der dritten Komponente des [[Schwacher Isospin|schwachen Isospins]]; für linkshändige Neutrinos gilt z.&nbsp;B. <math>T_z = 1/2</math>.
* <math>g</math> der Kopplungskonstante der schwachen Wechselwirkung (siehe den Abschnitt Lagrange-Dichte unten)


wobei <math>z_f</math> die Ladung des Fermions in Einheiten der [[Elementarladung]] <math>e</math> ist. <math>T_z</math> bezeichnet die dritte Komponente des [[Isospin# Erweiterung auf schwachen Isospin|schwachen Isospin]]s. Für linkshändige Neutrinos gilt beispielsweise <math>T_z = 1/2</math>.
Die Kopplungskonstanten von schwacher und elektromagnetischer Wechselwirkung hängen zusammen über


Die Kopplungsstärken von schwacher und elektromagnetischer Wechselwirkung, also die [[schwache Ladung]] <math>g</math> und die elektrische Ladung <math>e</math> hängen zusammen über:
:<math>e =\sin \theta_W\cdot g \approx 0{,}481 \, g</math>;


:<math> e = g \, \sin \theta_W \approx 0{,}481 g </math>
dabei ist <math>e</math> die [[Elementarladung]].


== Reaktionen, Crossing-Symmetrie, Reaktionswahrscheinlichkeit ==
== Reaktionen, Crossing-Symmetrie, Reaktionswahrscheinlichkeit ==
Zur Beschreibung eines schwachen Prozesses verwendet man üblicherweise die Schreibweise einer [[Reaktionsgleichung]], wie


Zur Beschreibung eines schwachen Prozesses verwendet man üblicherweise die Schreibweise einer Reaktionsgleichung, wie
:<math>a + b \rightarrow c + d</math>


: <math>a + b \rightarrow c + d</math>
Die Teilchen&nbsp;a und&nbsp;b werden also in einem Prozess in die Teilchen&nbsp;c und&nbsp;d umgewandelt. Ist dieser Vorgang möglich, so sind auch alle anderen möglich, die nach der [[Vertauschungsregel des Kreuzens]] (engl. [[:en:Crossing (physics)|Crossing]]) entstehen. Ein Teilchen kann also auf die andere Seite der Reaktionsgleichung geschrieben werden, indem dort sein entsprechendes [[Antiteilchen]] notiert wird:


Die Teilchen a und b werden also in einem Prozess zu den Teilchen c und d umgewandelt. Ist dieser Vorgang möglich, so sind auch alle anderen möglich, die nach der [[Vertauschungsregel des Kreuzens]] (engl. {{lang|en|crossing}}) entstehen. Ein Teilchen kann also auf die andere Seite der Reaktionsgleichung geschrieben werden, indem dort sein entsprechendes [[Antiteilchen]] notiert wird:
:<math>b \rightarrow c + d + \bar a </math>


: <math>b \rightarrow c + d + \bar a </math>
Außerdem sind die Umkehrprozesse möglich:


Außerdem sind die Umkehrprozesse möglich.
:<math>c + d \rightarrow a + b</math>
:<math> c + d + \bar a \rightarrow b</math>


: <math>c + d \rightarrow a + b</math>
Ob diese Prozesse tatsächlich in der Natur beobachtet werden (also ihre Wahrscheinlichkeit, die sich um viele ''Größenordnungen'' unterscheiden kann), hängt nicht nur von der Stärke der schwachen Wechselwirkung ab, sondern u.&nbsp;a. auch von [[Energie]], [[Masse (Physik)|Masse]] und [[Impuls]] der beteiligten Teilchen.


: <math> c + d + \bar a \rightarrow b</math>
Für jede Reaktion gelten die bekannten Sätze der [[Energieerhaltungssatz|Energieerhaltung]], [[Impulserhaltung]] und [[Drehimpulserhaltung]], die nach dem [[Noether-Theorem]] verbunden sind mit den [[Invarianz]]en gegenüber
* [[Zeitinvarianz|zeitlicher Translation]] (Energieerhaltung)
* [[Raum (Physik)|räumlicher]] [[Parallelverschiebung|Translation]] (Impulserhaltung) und
* [[Drehung]]en im Raum (Drehimpulserhaltung).


Ob diese Prozesse tatsächlich in der Natur beobachtet werden (also ihre Wahrscheinlichkeit, die sich um viele ''Größenordnungen'' unterscheiden kann), hängt nicht nur von der Stärke der schwachen Wechselwirkung ab, sondern unter anderem auch von [[Energie]], [[Ruhemasse]] und [[Impuls]] der beteiligten Teilchen.
Sind die Summen der Massen der beteiligten Teilchen auf der rechten Seite größer als auf der linken, so handelt es sich um eine [[endotherme Reaktion]], die nur möglich ist, wenn die Teilchen auf der linken Seite ausreichend [[kinetische Energie]] tragen. Sollte auf der linken Seite nur ein Teilchen stehen, dann ist die Reaktion in diesem Fall verboten, denn es gibt für ein massives Teilchen immer ein [[Bezugssystem]], in dem dieses Teilchen in Ruhe ist (d.&nbsp;h., dass Masse aus dem Nichts erzeugt werden müsste, was nicht möglich ist). Auf der anderen Seite existiert für ein masseloses Teilchen auf der linken Seite nie ein [[Ruhesystem]], sodass im [[Schwerpunktssystem]] der Teilchen auf der rechten Seite in diesem Fall die Impulserhaltung verletzt wäre.


Für jede Reaktion gelten die bekannten Sätze der [[Energieerhaltungssatz|Energieerhaltung]], [[Impulserhaltung]] und [[Drehimpulserhaltung]], die nach dem [[Noether-Theorem|Theorem von Noether]] mit den [[Invarianz]]en gegenüber [[Zeit|zeitlicher]] und [[Raum (Physik)|räumlicher]] [[Translation (Physik)|Translation]] sowie [[Drehung]]en im Raum verbunden sind.
Sind die Massen der eingehenden Teilchen größer als die Massen der erzeugten Teilchen, so ist die [[Exotherme Reaktion|Reaktion exotherm]], und die Differenz der Massen findet sich als Differenz der kinetischen Energien zwischen Ausgangsteilchen und erzeugten Teilchen wieder.
 
Sind die Summen der Ruhemassen der beteiligten Teilchen auf der rechten Seite größer als auf der linken, so handelt es sich um eine [[endotherme Reaktion]], die nur möglich ist, wenn die Teilchen auf der linken Seite ausreichend [[kinetische Energie]] tragen. Sollte auf der linken Seite nur ein Teilchen stehen, dann ist die Reaktion in diesem Fall verboten, denn es gibt immer ein Bezugssystem, in dem dieses Teilchen in Ruhe ist (d.&nbsp;h., dass Masse aus dem Nichts erzeugt werden müsste, was nicht möglich ist).
 
Sind die Ruhemassen der eingehenden Teilchen größer als die Ruhemassen der erzeugten Teilchen, so ist die [[Exotherme Reaktion|Reaktion exotherm]], und die Differenz der Ruhemassen findet sich als kinetische Energie der erzeugten Teilchen wieder.


== Prozesse ==
== Prozesse ==
Man unterscheidet schwache Prozesse sowohl danach, ob Leptonen und/oder Quarks an ihnen beteiligt sind, als auch danach, ob der Prozess durch ein elektrisch geladenes <math>W^+</math>- oder <math>W^-</math>-Boson (geladene Ströme bzw. charged currents: CC) oder das neutrale <math>Z^0</math>-Boson (neutrale Ströme bzw. neutral currents: NC) vermittelt wurde. Die Bezeichnungen schwacher Prozesse lauten wie folgt:
Man unterscheidet schwache Prozesse sowohl danach, ob Leptonen und/oder Quarks an ihnen beteiligt sind, als auch danach, ob der Prozess durch ein elektrisch geladenes <math>W^+</math>- bzw. <math>W^-</math>-Boson (geladene Ströme bzw. ''charged currents'': CC) oder das neutrale <math>Z^0</math>-Boson (neutrale Ströme bzw. ''neutral currents'': NC) vermittelt wurde. Die Bezeichnungen schwacher Prozesse lauten wie folgt:


{| class="wikitable" style="text-align:center"
:{| class="wikitable" style="text-align:center;"
  |- class="hintergrundfarbe6"
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  ! Beteiligt
  ! beteiligt
  ! colspan="2" | Vermittelt durch
  ! colspan="2" | vermittelt durch
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  |-
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  |<math>W^{+}</math>,<math>W^{-}</math>
  | <math>W^{+}</math>, <math>W^{-}</math>
  |<math>Z^0</math>
  | <math>Z^0</math>
  |-
  |-
  |nur [[Quark (Physik)|Quarks]]
  | nur [[Quark (Physik)|Quarks]]
  |„[[hadron]]isch geladen“
  | „[[hadron]]isch geladen“
  |„hadronisch neutral“
  | „hadronisch neutral“
  |-
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  |Quarks und Leptonen
  | Quarks und Leptonen
  |„semileptonisch geladen“
  | „semileptonisch geladen“
  |„semileptonisch neutral“
  | „semileptonisch neutral“
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  |nur [[Lepton]]en
  | nur [[Lepton]]en
  |„leptonisch geladen“
  | „leptonisch geladen“
  |„leptonisch neutral“
  | „leptonisch neutral“
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Alle Reaktionen, an denen Neutrinos beteiligt sind, verlaufen ausschließlich über die schwache Wechselwirkung (die Gravitation vernachlässigt). Umgekehrt gibt es aber auch schwache Reaktionen ohne Beteiligung von Neutrinos.
Alle Reaktionen, an denen Neutrinos beteiligt sind, verlaufen ausschließlich über die schwache Wechselwirkung (die Gravitation vernachlässigt). Umgekehrt gibt es aber auch schwache Reaktionen ohne Beteiligung von Neutrinos.


Ähnlich wie das [[Photon]] und im Gegensatz zu den W-Bosonen vermittelt das Z-Boson eine Wechselwirkung zwischen Teilchen, ohne die Teilchenart (genauer: [[Flavour]]) dabei zu verändern. Während das Photon aber nur Kräfte zwischen elektrisch geladenen Teilchen vermittelt, wechselwirkt das Z-Boson auch mit den ungeladenen Neutrinos. Bei neutralen Prozessen bleiben die beteiligten Fermionen unverändert (keine Änderung von Masse oder Ladung). Das Z<sup>0</sup>-Boson wirkt auf alle linkshändigen Fermionen und durch die [[Weinbergwinkel|Weinberg-Mischung]] auch auf die [[Chiralität (Physik)|rechtshändigen Anteile]] von geladenen Fermionen. Es ist nicht wie die W-Bosonen maximal [[Paritätsverletzung|paritätsverletzend]], da es einen Anteil des B<sup>0</sup>-Bosons enthält (siehe: [[Elektroschwache Wechselwirkung]]).  
=== Neutrale Prozesse ===
Ähnlich wie das [[Photon]] und im Gegensatz zu den W-Bosonen vermittelt das Z-Boson eine Wechselwirkung zwischen Teilchen, ohne die Teilchenart (genauer: [[Flavour]]) zu verändern; dies wird genauer beschrieben durch den [[GIM-Mechanismus]]; siehe hierzu jedoch auch ''[[Flavour changing neutral current]]''. Während das Photon aber nur Kräfte zwischen elektrisch geladenen Teilchen vermittelt, wechselwirkt das Z-Boson auch mit den ungeladenen Neutrinos.
 
Bei neutralen Prozessen bleiben die beteiligten Fermionen unverändert (keine Änderung von Masse oder Ladung). Das Z<sup>0</sup>-Boson wirkt auf alle [[Chiralität (Physik)|linkshändigen]] Fermionen und durch die [[Weinbergwinkel|Weinberg-Mischung]] auch auf die rechtshändigen Anteile geladener Fermionen. Es ist nicht wie die W-Bosonen maximal [[Paritätsverletzung|paritätsverletzend]], da es einen Anteil des [[Elektroschwache Wechselwirkung #Eichbosonen|B<sup>0</sup>-Bosons]] enthält.


Beispiele für neutrale Prozesse sind: Die Streuung zweier Elektronen aneinander (wird für geringe Energien aber durch die stärkere elektromagnetische Wechselwirkung überlagert und erst bei hohen Energien werden die Wechselwirkungen in der Stärke vergleichbar). Die Streuung von Myon-Neutrinos an Elektronen (keine konkurrierenden Prozesse, erster experimenteller Nachweis der neutralen Ströme 1973 am [[CERN]]).
Beispiele für neutrale Prozesse sind:
* die [[Streuung (Physik)|Streuung]] zweier Elektronen aneinander (wird für geringe Energien aber durch die stärkere elektromagnetische Wechselwirkung überlagert, erst bei hohen Energien werden die Wechselwirkungen in der Stärke vergleichbar)
* die Streuung von Myon-Neutrinos an Elektronen (keine konkurrierenden Prozesse, erster experimenteller Nachweis der neutralen Ströme 1973 am&nbsp;[[CERN]]).


=== Leptonischer Prozess ===
=== Geladene Prozesse ===
Ein elementarer geladener leptonischer Prozess ist ein Zerfallsprozess eines Leptons L in ein Lepton L' unter Beteiligung ihrer entsprechenden [[Neutrino]]s bzw. Antineutrinos (<math>\nu_L, \bar\nu_L</math>):  
==== Leptonischer Prozess ====
Ein elementarer geladener leptonischer Prozess ist ein Zerfallsprozess eines Leptons&nbsp;L in ein Lepton&nbsp;L' unter Beteiligung ihrer entsprechenden Neutrinos bzw. Antineutrinos (<math>\nu_L, \bar\nu_L</math>):


:<math>L \rightarrow \nu_L + L^\prime + \bar\nu_{L^\prime}</math>
:<math>L \rightarrow \nu_L + L^\prime + \bar\nu_{L^\prime}</math>
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Ein Beispiel dazu ist der Zerfall von [[Myon]]en:
Ein Beispiel dazu ist der Zerfall von [[Myon]]en:


:<math>\mu^-\to e^- + \bar\nu_e + \nu_\mu</math>  
:<math>\mu^-\to e^- + \bar\nu_e + \nu_\mu</math>


wie auch die damit verbundenen Streuprozesse
wie auch die damit verbundenen Streuprozesse


:<math>\mu^- + \bar\nu_\mu\to e^- + \bar\nu_e</math>  
:<math>\mu^- + \bar\nu_\mu\to e^- + \bar\nu_e</math>
:<math>\mu^- + \nu_e\to e^- + \nu_\mu</math>
:<math>\mu^- + \nu_e\to e^- + \nu_\mu</math>


=== Semileptonischer Prozess ===
==== Semileptonischer Prozess ====
[[Datei:BetaDecay.svg|mini|Betazerfall des Neutrons]]
[[Datei:BetaDecay.svg|mini|Betazerfall des Neutrons]]
Bei einem elementaren geladenen semileptonischen Prozess sind neben Leptonen auch Quarks bzw. Antiquarks (<math>q_1,\bar q_2</math>) beteiligt:  
Bei einem elementaren geladenen semileptonischen Prozess sind neben Leptonen auch Quarks bzw. [[Antiquark]]s (<math>q_1,\bar q_2</math>) beteiligt:


:<math>q_1 + \bar q_2 \rightarrow L + \bar\nu_L</math>
:<math>q_1 + \bar q_2 \rightarrow L + \bar\nu_L</math>


Ein Beispiel für einen semileptonischen Prozess ist der bereits genannte [[Betazerfall|β<sup>−</sup>-Zerfall]] des [[Neutron]]s, bei welchem sich ein Down-Quark des Neutrons in ein Up-Quark umwandelt:
Ein Beispiel für einen semileptonischen Prozess ist der bereits genannte [[Betazerfall|β<sup>−</sup>-Zerfall]] des Neutrons, bei welchem sich ein Down-Quark des Neutrons in ein Up-Quark umwandelt:


:<math>d^{-\frac 1 3} \rightarrow u^{+\frac 2 3} + e^- + \bar \nu_e</math> (Quarkdarstellung)
:<math>d^{-\frac 1 3} \rightarrow u^{+\frac 2 3} + e^- + \bar \nu_e</math> (Quarkdarstellung)


Dadurch wird ein Neutron ''n = udd'' zu einem Proton ''p = uud'':
Dadurch wird ein Neutron ''n&nbsp;=&nbsp;udd'' zu einem Proton ''p&nbsp;=&nbsp;uud'':


:<math>n \rightarrow p + e^- + \bar \nu_e</math> (Hadronendarstellung)
:<math>n \rightarrow p + e^- + \bar \nu_e</math> (Hadronendarstellung)


Ein Down- und ein Up-Quark sind unbeteiligt. Sie werden „Zuschauerquarks“ (engl. spectator quarks) genannt.
Ein Down- und ein Up-Quark sind unbeteiligt. Sie werden „Zuschauerquarks“ (engl. ''spectator quarks'') genannt.


Dieser Prozess wird durch ein <math>W^-</math>-Boson vermittelt, wobei das negativ geladene Down-Quark in ein positiv geladenes Up-Quark umgewandelt wird — die negative Ladung wird durch ein <math>W^-</math>-Boson „weggetragen“. <math>d^{-1/3}</math> und <math>u^{+2/3}</math> müssen also Quarks sein, deren Ladungsdifferenz gerade <math>-e</math> ist.
Dieser Prozess wird durch ein <math>W^-</math>-Boson vermittelt, wobei das negativ geladene Down-Quark in ein positiv geladenes Up-Quark umgewandelt wird — die negative Ladung wird durch ein <math>W^-</math>-Boson „weggetragen“. <math>d^{-1/3}</math> und <math>u^{+2/3}</math> müssen also Quarks sein, deren Ladungsdifferenz gerade <math>-e</math> ist.
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Weitere Beispiele von semileptonischen Prozessen sind:
Weitere Beispiele von semileptonischen Prozessen sind:


:<math>\pi^- \equiv d + \bar u \to \mu^- + \bar\nu_\mu</math>  
:<math>\pi^- \equiv d + \bar u \to \mu^- + \bar\nu_\mu</math>
:<math>K^- \equiv s + \bar u \to \mu^- + \bar\nu_\mu</math>
:<math>K^- \equiv s + \bar u \to \mu^- + \bar\nu_\mu</math>


=== Hadronischer Prozess ===
==== Hadronischer Prozess ====
[[Datei:KaonDecay.svg|mini|Kaon-Zerfall]]
[[Datei:KaonDecay.svg|mini|Kaon-Zerfall]]
Bei einem elementaren geladenen hadronischen (bzw. nichtleptonischen) Prozess sind nur Quarks bzw. Antiquarks beteiligt:  
Bei einem elementaren geladenen hadronischen (bzw. nichtleptonischen) Prozess sind nur Quarks bzw. Antiquarks beteiligt:


:<math>q_1 + \bar q_2 \rightarrow q_3 + \bar q_4</math>
:<math>q_1 + \bar q_2 \rightarrow q_3 + \bar q_4</math>
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Hadronendarstellung: <math>K^+ \rightarrow \pi^+ + \pi^0</math>
Hadronendarstellung: <math>K^+ \rightarrow \pi^+ + \pi^0</math>


Wobei die beteiligten Teilchen folgendermaßen aufgebaut sind: <math>K^+ = u\bar s</math> und <math>\pi^+ = u\bar d</math> sowie <math>\pi^0 = u\bar u</math>. Bei diesem Prozess ist das Up-Quark des Kaons wieder ein unbeteiligter Zuschauer. Die positive Ladung des Strange-Antiquarks wird durch ein <math>W^+</math>-Boson weggetragen. Durch diesen Austausch ändert das Quark seinen [[Quark (Physik)|Flavor]] zu einem Anti-Up-Quark.
Wobei die beteiligten Teilchen folgendermaßen aufgebaut sind: <math>K^+ = u\bar s</math> und <math>\pi^+ = u\bar d</math> sowie <math>\pi^0 = u\bar u</math>. Bei diesem Prozess ist das Up-Quark des Kaons wieder ein unbeteiligter Zuschauer. Die positive Ladung des Strange-Antiquarks wird durch ein <math>W^+</math>-Boson weggetragen. Durch diesen Austausch ändert das Quark seinen Flavour zu einem Anti-Up-Quark.


Weitere Beispiele von hadronischen Prozessen sind zwei Zerfallskanäle des [[Λ-Baryon]]s:
Weitere Beispiele von hadronischen Prozessen sind zwei [[Zerfallskanal|Zerfallskanäle]] des [[Λ-Baryon]]s:


:<math>\Lambda^0 \equiv (u,d,s) \to (u,d,u) + (\bar u, d) \equiv p + \pi^-</math>  
:<math>\Lambda^0 \equiv (u,d,s) \to (u,d,u) + (\bar u, d) \equiv p + \pi^-</math>
:<math>\Lambda^0 \equiv (u,d,s) \to (u,d,d) + (\bar u, u) \equiv n + \pi^0</math>
:<math>\Lambda^0 \equiv (u,d,s) \to (u,d,d) + (\bar u, u) \equiv n + \pi^0</math>


== Teilchenumwandlungen ==
== Teilchenumwandlungen ==
=== Geladene Ströme ===
Bei geladenen Strömen der schwachen Wechselwirkung können sich nur Teilchen aus demselben [[Multiplizität|Dublett]] (dargestellt als große Klammer) ineinander umwandeln:
* Leptonen-Dubletts:<math>
\begin{pmatrix}\nu_{e}        \\ e^{-}                      \end{pmatrix}_{L}\ ,\quad
\begin{pmatrix}\nu_{\mu}      \\ \mu^{-}                    \end{pmatrix}_{L}\ ,\quad
\begin{pmatrix}\nu_{\tau}    \\ \tau^{-}                    \end{pmatrix}_{L}
</math>
* Quark-Dubletts:<math>
\begin{pmatrix}u^{\frac{2}{3}}\\ (d^{\prime})^{-\frac{1}{3}} \end{pmatrix}_{L}\ ,\quad
\begin{pmatrix}c^{\frac{2}{3}}\\ (s^{\prime})^{-\frac{1}{3}} \end{pmatrix}_{L}\ ,\quad
\begin{pmatrix}t^{\frac{2}{3}}\\ (b^{\prime})^{-\frac{1}{3}} \end{pmatrix}_{L}
</math>


Bei geladenen Strömen der schwachen Wechselwirkung können sich nur Teilchen aus demselben [[Multiplizität|Dublett]] ineinander umwandeln:
Es handelt sich nur um linkshändige Fermionen. Diese besitzen einen schwachen Isospin <math>T = 1/2</math>, wobei seine dritte Komponente für die oberen Teilchen jedes Dubletts jeweils <math>T_3 = +1/2</math> und für die unteren jeweils <math>T_3 = -1/2</math> ist.


:<math>\begin{pmatrix}\nu_{e}\\ e^{-} \end{pmatrix}_{L}\ ,\quad\begin{pmatrix}\nu_{\mu}\\ \mu^{-} \end{pmatrix}_{L}\ ,\quad\begin{pmatrix}\nu_{\tau}\\ \tau^{-} \end{pmatrix}_{L}\ ,\quad\begin{pmatrix}u^{\frac{2}{3}}\\ (d^{\prime})^{-\frac{1}{3}} \end{pmatrix}_{L}\ ,\quad\begin{pmatrix}c^{\frac{2}{3}}\\ (s^{\prime})^{-\frac{1}{3}} \end{pmatrix}_{L}\ ,\quad\begin{pmatrix}t^{\frac{2}{3}}\\ (b^{\prime})^{-\frac{1}{3}} \end{pmatrix}_{L}</math>
Die [[schwache Hyperladung]] <math>Y_W=2(Q - T_3)</math>, also die doppelte Differenz aus [[elektrische Ladung|elektrischer Ladung]] und dritter Komponente des schwachen Isospins, ist innerhalb eines Dubletts konstant. Sie beträgt:
* für die Leptonendubletts <math>Y_W=-1</math>
* für die Quarkdubletts    <math>Y_W=1/3</math>.


Es handelt sich nur um linkshändige Fermionen. Diese besitzen einen schwachen Isospin <math>T=1/2</math>, wobei die dritte Komponente des schwachen Isospins für die oberen Teilchen <math>T_3 = +1/2</math> und die unteren <math>T_3 = -1/2</math> ist. Die [[schwache Hyperladung]] <math>Y_W=2(Q - T_3)</math>, also die doppelte Differenz aus elektrischer Ladung und dritter schwacher Isospinkomponente, ist innerhalb eines Dubletts konstant. Sie beträgt für die Leptonendubletts <math>Y_W=-1</math> und für die Quarkdubletts <math>Y_W=1/3</math>.
Rechtshändige Fermionen koppeln nicht an W-Bosonen und tragen deshalb keinen schwachen Isospin.


Rechtshändige Fermionen koppeln nicht an W-Bosonen und tragen deshalb keinen schwachen Isospin. Weiterhin stellt man fest, dass [[Neutrino]]s in der Natur nur linkshändig vorkommen ([[Goldhaber-Experiment]]). Somit werden rechtshändige Fermionen als [[Multiplizität|Singuletts]] <math>T=T_3=0</math> beschrieben. Da die geladenen Ströme ausschließlich an die linkshändigen Dubletts koppeln, tritt bei diesen Vorgängen eine maximale Verletzung der Parität auf. Experimentell wurde dies im [[Wu-Experiment]] untersucht und durch die [[V-A-Theorie]] erklärt.
Weiterhin stellt man fest, dass [[Neutrino]]s in der Natur nur linkshändig vorkommen ([[Goldhaber-Experiment]]). Somit werden rechtshändige Fermionen als [[Multiplizität|Singuletts]] <math>T=T_3=0</math> beschrieben.


Bei den Quarks sind die Dubletts (u,d'), (c,s'), (t,b') Eigenzustände der schwachen Wechselwirkung und nicht (u,d), (c,s), (t,b). Die Zustände der gestrichenen Teilchen sind jeweils eine Linearkombination von drei Zuständen. D.h. die gestrichenen Quarkzustände <math>d^\prime, s^\prime, b^\prime</math> sind gegenüber den Quarkzuständen <math>d, s, b</math> wie folgt rotiert:<ref>J. Beringer et al., [[Particle Data Group]], PR D86, 010001 (2012), [http://pdg.lbl.gov/2012/reviews/rpp2012-rev-ckm-matrix.pdf THE CKM QUARK-MIXING MATRIX]</ref>
Da die geladenen Ströme ausschließlich an die linkshändigen Dubletts koppeln, tritt bei diesen Vorgängen eine maximale Verletzung der Parität auf. Experimentell wurde dies im [[Wu-Experiment]] untersucht und durch die [[V-A-Theorie]] erklärt.


:<math>\begin{pmatrix}|d^{\prime}\rangle\\ |s^{\prime}\rangle\\ |b^{\prime}\rangle \end{pmatrix}
==== Quarks ====
= \mathbf{V}\begin{pmatrix}|d\rangle\\ |s\rangle\\ |b\rangle \end{pmatrix}
[[Datei:Weak decay diagram.svg|mini|hochkant=1.6|Masse-Ladung-Diagramm der Quarks und ihre Zerfallsmöglichkeiten unter schwacher Wechsel&shy;wirkung (Je feiner gestrichelt die Pfeile, desto unwahrscheinlicher der Prozess.)]]
\quad\text{mit}\quad
Bei den Quarks sind die Dubletts (u, d'), (c, s'), (t, b') [[Eigenzustand|Eigenzustände]] der schwachen Wechselwirkung und nicht (u,d), (c,s), (t,b). Die Zustände der gestrichenen Teilchen sind jeweils eine [[Linearkombination]] von drei Zuständen, d.&nbsp;h. die gestrichenen Quarkzustände <math>d^\prime, s^\prime, b^\prime</math> sind gegenüber den Quarkzuständen <math>d, s, b</math> wie folgt [[Drehmatrix|rotiert]]:<ref>J. Beringer et al., [[Particle Data Group]], PR D86, 010001 (2012), [http://pdg.lbl.gov/2012/reviews/rpp2012-rev-ckm-matrix.pdf THE CKM QUARK-MIXING MATRIX]</ref>
|\mathbf{V}|\approx
\begin{pmatrix}0{,}9743 & 0{,}2253 & 0{,}0035\\ 0{,}2252 & 0{,}9734 & 0{,}0412\\ 0{,}0087 & 0{,}0404 & 0{,}9991 \end{pmatrix}</math>


[[Datei:Weak decay diagram.svg|mini|Masse-Ladung-Diagramm der Quarks und ihre Zerfallsmöglichkeiten unter schwacher Wechselwirkung (Je feiner gestrichelt die Pfeile sind, desto unwahrscheinlicher ist der Prozess)]]
:<math>     \begin{pmatrix}|d^{\prime}\rangle\\ |s^{\prime}\rangle\\ |b^{\prime}\rangle \end{pmatrix}
Dabei ist <math>\mathbf{V}</math> die sog. [[CKM-Matrix]]. Diese ist [[Unitäre Matrix|unitär]] und hat vier unabhängige Parameter. Die Quadrate der Elemente der angegebenen Matrix <math>|\mathbf{V}|</math> sind proportional zu den Übergangswahrscheinlichkeiten zwischen den Quarks.
= \mathbf{V}\begin{pmatrix}|d        \rangle\\ |s        \rangle\\ |b        \rangle \end{pmatrix}</math>


{| class="wikitable"
mit der [[CKM-Matrix]] <math>|\mathbf{V}|\approx
\begin{pmatrix}0{,}9743 & 0{,}2253 & 0{,}0035\\ 0{,}2252 & 0{,}9734 & 0{,}0412\\ 0{,}0087 & 0{,}0404 & 0{,}9991 \end{pmatrix}</math>.
 
Diese [[unitäre Matrix]] hat vier unabhängige Parameter. Die Quadrate der Elemente der Matrix <math>|\mathbf{V}|</math> sind proportional zu den [[Übergangswahrscheinlichkeit]]en zwischen den Quarks:
 
:{| class="wikitable"
|-
|-
! <math>|V_{ij}|^2</math> !! d !! s !! b  
! <math>|V_{ij}|^2</math> !! d !! s !! b
|-
|-
! scope="row" | u
! scope="row"| u
| 0,9492 || 0,0508 || 0,00001
| '''0,9492''' || 0,0508 || 0,00001
|-
|-
! scope="row" | c
! scope="row"| c
| 0,0507 || 0,9476 || 0,0017
| 0,0507 || '''0,9476''' || 0,0017
|-
|-
! scope="row" | t
! scope="row"| t
| 0,00007 || 0,0016 || 0,9983
| 0,00007 || 0,0016 || '''0,9983'''
|}
|}


Die Übergänge innerhalb derselben Quarkfamilie (u,d), (c,s), (t,b) finden am häufigsten statt, da die Diagonalelemente die größten Übergangswahrscheinlichkeiten anzeigen. Es besteht mit geringerer Wahrscheinlichkeit auch die Möglichkeit, dass sich die [[Generation (Teilchenphysik)|Generation]] des Teilchens ändert. Dieses Verhalten wird dadurch verursacht, dass die Masseneigenzustände nicht mit den so genannten Wechselwirkungseigenzuständen übereinstimmen.
Die Übergänge innerhalb derselben Quarkfamilie (u,d), (c,s), (t,b) finden am häufigsten statt, da die Diagonalelemente (fett markiert) die größten Übergangswahrscheinlichkeiten anzeigen. Mit geringerer Wahrscheinlichkeit besteht auch die Möglichkeit, dass sich die [[Generation (Teilchenphysik)|Generation]] des Teilchens ändert (Nicht-Diagonalelemente). Dieses Verhalten wird dadurch verursacht, dass die Masseneigenzustände nicht mit den Wechselwirkungseigenzuständen übereinstimmen.


Der Zerfall von Quarks oder Leptonen durch neutrale Ströme, also z.&nbsp;B. die Übergänge c&nbsp;→&nbsp;u oder s&nbsp;→&nbsp;d oder μ&nbsp;→&nbsp;e wurden bisher nicht beobachtet.
=== Neutrale Ströme ===
Der Zerfall von Quarks oder Leptonen durch neutrale Ströme, also z.&nbsp;B. die Übergänge c&nbsp;→&nbsp;u oder s&nbsp;→&nbsp;d oder μ&nbsp;→&nbsp;e wurden bisher nicht beobachtet. Mit dem [[Mu3e]]-Experiment soll nach einem solchen Übergang gesucht werden.


== Neutrinooszillationen ==
== Neutrinooszillationen ==
{{Hauptartikel|Neutrinooszillation}}
Die Neutrino-Eigenzustände der schwachen Wechselwirkung <math>|\nu_e\rangle</math>, <math>|\nu_\mu\rangle</math>, <math>|\nu_\tau\rangle</math> (Flavour-Zustände sind Eigenzustände des schwach wechselwirkenden Teils des [[Hamilton-Operator]]s) sind ''nicht'' identisch mit den Eigenzuständen <math>|\nu_1\rangle</math>, <math>|\nu_2\rangle</math>, <math>|\nu_3\rangle</math> des Massenoperators (Eigenzustände des kinematischen Teils des Hamilton-Operators).


Die Neutrino-Eigenzustände der schwachen Wechselwirkung <math>|\nu_e\rangle</math>, <math>|\nu_\mu\rangle</math>, <math>|\nu_\tau\rangle</math> (Flavour-Zustände sind Eigenzustände des schwach wechselwirkenden Teils des Hamilton-Operators) sind nicht identisch mit den Eigenzuständen des Massenoperators <math>|\nu_1\rangle</math>, <math>|\nu_2\rangle</math>, <math>|\nu_3\rangle</math> (Eigenzustände des kinematischen Teils des Hamilton-Operators). Analog zur CKM-Matrix lässt sich hier die sog. Pontecorvo-Maki-Nakagawa-Sakata (PMNS)-Matrix einführen
:<math>   \begin{pmatrix}|\nu_{e}\rangle\\ |\nu_{\mu}\rangle\\ |\nu_{\tau}\rangle \end{pmatrix}
=\mathbf{U}\begin{pmatrix}|\nu_{1}\rangle\\ |\nu_{2}  \rangle\\ |\nu_{3}  \rangle \end{pmatrix}</math>


:<math>\begin{pmatrix}|\nu_{e}\rangle\\ |\nu_{\mu}\rangle\\ |\nu_{\tau}\rangle \end{pmatrix}
mit der [[Neutrinooszillation #PMNS-Matrix|Pontecorvo-Maki-Nakagawa-Sakata&nbsp;(PMNS)-Matrix]] <math>\mathbf{U}</math>, die sich hier analog zur CKM-Matrix einführen lässt. Ihre aktuellen Werte liegen bei:<ref>Fogli et al. (2012): ''Global analysis of neutrino masses, mixings and phases: entering the era of leptonic CP violation searches'', {{arXiv|1205.5254v3}}</ref>
=\mathbf{U}\begin{pmatrix}|\nu_{1}\rangle\\ |\nu_{2}\rangle\\ |\nu_{3}\rangle \end{pmatrix}</math>
 
Aktuelle Werte liegen bei:<ref>Fogli et al (2012): ''Global analysis of neutrino masses, mixings and phases: entering the era of leptonic CP violation searches'', {{arxiv|1205.5254v3}} </ref>


:<math>\mathbf{U}\approx\begin{pmatrix}
:<math>\mathbf{U}\approx\begin{pmatrix}
0{,}82 & 0{,}55 & - 0{,}15 + 0{,}045\,\mathrm{i}\\
0{,}82 & 0{,}55 & - 0{,}15 + 0{,}045\,\mathrm{i}\\
-0{,}35 + 0{,}023\,\mathrm{i} & 0{,}70 + 0{,}015\,\mathrm{i} & 0{,}62\\
-0{,}35 + 0{,}023\,\mathrm{i} & 0{,}70 + 0{,}015\,\mathrm{i} & 0{,}62\\
0{,}45 + 0{,}028\,\mathrm{i} & -0{,}46 + 0{,}019\,\mathrm{i} & 0{,}77
0{,}45 + 0{,}028\,\mathrm{i} & -0{,}46 + 0{,}019\,\mathrm{i} & 0{,}77
\end{pmatrix}</math>
\end{pmatrix}</math>


Zeile 226: Zeile 256:
:<math>\begin{pmatrix}|\nu_{e}(t)\rangle\\ |\nu_{\mu}(t)\rangle\\ |\nu_{\tau}(t)\rangle \end{pmatrix}
:<math>\begin{pmatrix}|\nu_{e}(t)\rangle\\ |\nu_{\mu}(t)\rangle\\ |\nu_{\tau}(t)\rangle \end{pmatrix}
=\mathbf{U}\begin{pmatrix}\exp(-iE_{\nu_{1}}t/\hbar)\,|\nu_{1}\rangle\\ \exp(-iE_{\nu_{2}}t/\hbar)\,|\nu_{2}\rangle\\ \exp(-iE_{\nu_{3}}t/\hbar)\,|\nu_{3}\rangle\end{pmatrix}
=\mathbf{U}\begin{pmatrix}\exp(-iE_{\nu_{1}}t/\hbar)\,|\nu_{1}\rangle\\ \exp(-iE_{\nu_{2}}t/\hbar)\,|\nu_{2}\rangle\\ \exp(-iE_{\nu_{3}}t/\hbar)\,|\nu_{3}\rangle\end{pmatrix}
\quad\text{mit}\quad E_{\nu_{i}}=\sqrt{p^{2}c^{2}+m_{\nu_{i}}^{2}c^{4}}</math>
\quad\text{mit}\quad E_{\nu_{i}} = c \, \sqrt{p^{2} + (m_{\nu_{i}}c)^2}</math>


Wurde ein Neutrino ursprünglich mit einem bestimmten dieser drei [[Flavour]]s erzeugt, so kann eine spätere [[Quantenmessung]] einen anderen Flavour ergeben (Erhaltung der Leptonenfamilienzahlen ist verletzt). Da die Wahrscheinlichkeiten für jeden Flavour sich periodisch mit der Ausbreitung des Neutrinos ändern, spricht man von [[Neutrinooszillation]]en.
Wurde ein Neutrino ursprünglich mit einem bestimmten dieser drei Flavours erzeugt, so kann eine spätere [[Quantenmessung]] einen anderen Flavour ergeben (Erhaltung der Leptonenfamilienzahlen ist verletzt). Da die Wahrscheinlichkeiten für jeden Flavour sich periodisch mit der Ausbreitung des Neutrinos ändern, spricht man von [[Neutrinooszillation]]en.


Beim Zerfall eines (linkshändigen) Leptons durch die schwache Wechselwirkung ändert sich während der Wechselwirkung nicht der Flavour (Erhaltung der [[Leptonenzahl|Leptonenfamilienzahl]] in jedem [[Feynman-Diagramm|Wechselwirkungsvertex]]), jedoch können sich entstehende Neutrinos in der weiteren Zeitevolution ineinander umwandeln, wodurch sich der Flavour ändert und somit die Leptonenfamilienzahl-Erhaltung verletzt ist. Die Leptonenzahl ist jedoch bei dieser Oszillation stets erhalten.
Beim Zerfall eines (linkshändigen) Leptons durch die schwache Wechselwirkung ändert sich während der Wechselwirkung nicht der Flavour (Erhaltung der [[Leptonenzahl|Leptonenfamilienzahl]] in jedem [[Feynman-Diagramm|Wechselwirkungsvertex]]). Jedoch können sich entstehende Neutrinos in der weiteren Zeitevolution ineinander umwandeln, wodurch sich der Flavour ändert und somit die Leptonenfamilienzahl-Erhaltung verletzt ist. Die Leptonenzahl ist jedoch bei dieser Oszillation stets erhalten.


Hätten die Neutrinos keine Masse, dann wäre jeder Flavorzustand auch ein Eigenzustand des Massenoperators. Folglich könnte man keine Flavor-Oszillationen beobachten.
Hätten die Neutrinos keine Masse, dann wäre jeder Flavorzustand auch ein Eigenzustand des Massenoperators. Folglich könnte man keine Flavor-Oszillationen beobachten.


== Lagrange-Dichte ==
== Lagrange-Dichte ==
Im Folgenden werden für die [[Lagrange-Dichte]] <math>\mathcal{L}</math> der schwachen Wechselwirkung die Wechselwirkungsanteile zwischen Fermionen und Eichbosonen analysiert.
Im Folgenden werden für die [[Lagrange-Dichte]] <math>\mathcal{L}</math> der schwachen Wechselwirkung die Wechselwirkungsanteile zwischen Fermionen und Eichbosonen analysiert.


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=== Elektromagnetische Wechselwirkung ===
=== Elektromagnetische Wechselwirkung ===
In der Quantenelektrodynamik ist die Wechselwirkungsenergie die Kopplung von (Vierer-)Strömen geladener Teilchen <math>J_{\mu}^{em}</math> an Photonen, dargestellt durch das elektromagnetische [[Viererpotential|(Vierer-)Potential]] <math>A^{\mu}</math>:
:<math>\mathcal{L}_{em} = e\,J_{\mu}^{em}\,A^{\mu}</math>
mit der Elementarladung <math>e</math> als Kopplungskonstante.


In der Quantenelektrodynamik ist die Wechselwirkungsenergie die Kopplung von (Vierer-)Strömen geladener Teilchen <math>J_{\mu}^{em}</math> an Photonen, dargestellt durch das elektromagnetische (Vierer-)Potential <math>A^{\mu}</math>, gegeben durch:
Die [[Stromdichte]] ist gegeben durch
:<math>
 
\mathcal{L}_{em}=eJ_{\mu}^{em}A^{\mu}
::<math>J_{\mu}^{em} = \sum_{u}Q\,\overline{u}(p_{f})\,\gamma_{\mu}\,u(p_{i})</math>
</math>
 
Die Kopplungskonstante ist die Elementarladung <math>e</math>. Die Stromdichte ist gegeben durch
mit
* der [[Ladungszahl|Ladungsquantenzahl]] <math>Q</math> (die elektrische Ladung der Teilchen in Einheiten der Elementarladung)
* dem Feld <math>u(p_{i})</math> des einlaufenden Fermions (bzw. auslaufenden Antifermions) mit ([[Viererimpuls|Vierer-]])Impuls <math>p_{i}</math>
* dem Feld <math>\overline{u}(p_{f})</math> des auslaufenden Fermions (bzw. des einlaufenden Antifermions) mit (Vierer-)Impuls <math>p_{f}</math>
* den [[Dirac-Matrizen]] <math>\gamma_{\mu}</math>.


:<math>
Die [[Spinor]]en <math>u(p_{i})</math> und <math>\overline{u}(p_{f})</math> beschreiben in einem [[Feynman-Diagramm]] die äußeren durchgezogenen Linien.
J_{\mu}^{em}=\sum_{u}Q\overline{u}(p_{f})\gamma_{\mu}u(p_{i})
</math>
wobei <math>Q</math> die Ladungsquantenzahl (die elektrische Ladung der Teilchen in Einheiten der Elementarladung) ist, <math>\gamma_{\mu}</math> sind die [[Dirac-Matrizen]]. <math>u(p_{i})</math> ist das Feld des einlaufenden Fermions (bzw. auslaufenden Antifermions) mit (Vierer-)Impuls <math>p_{i}</math> und <math>\overline{u}(p_{f})</math> das des auslaufenden Fermions (bzw. des einlaufenden Antifermions) mit Impuls <math>p_{f}</math>. In einem Feynman-Diagramm beschreiben die [[Spinor]]en <math>u(p_{i})</math> und <math>\overline{u}(p_{f})</math> die äußeren durchgezogenen Linien.


[[Datei:Moller-t-channel.png|mini|Elektron-Elektron-Streuung mit <math>p_1=p_i</math>, <math>p_2=k_i</math>, <math>p_3=p_f</math>, <math>p_4=k_f</math>]]
[[Datei:Moller-t-channel.png|mini|Elektron-Elektron-Streuung mit <math>p_1=p_i</math>, <math>p_2=k_i</math>, <math>p_3=p_f</math>, <math>p_4=k_f</math>]]


Die Streuung zweier geladener Teilchen wird in der [[Bornsche Näherung|Bornschen Näherung]] (niedrigste Ordnung [[Störungstheorie (Quantenfeldtheorie)|Störungstheorie]]) durch das nebenstehende [[Feynman-Diagramm]] beschreiben. Die dazugehörige Streuamplitude ist
Die Streuung zweier geladener Teilchen wird in der [[Bornsche Näherung|Bornschen Näherung]] (niedrigste Ordnung [[Störungstheorie (Quantenfeldtheorie)|Störungstheorie]]) durch das nebenstehende Feynman-Diagramm beschreiben. Die dazugehörige [[Streuamplitude]] ist


:<math>\begin{align}
:<math>\begin{align}
T_{fi} & =\bar{u}(p_{f})\left[-\mathrm{i}Qe\gamma^{\mu}\right]u(p_{i})\left[-\mathrm{i}\frac{\eta_{\mu\nu}}{q^{2}}\right]\bar{u}(k_{f})\left[-\mathrm{i}Qe\gamma^{\nu}\right]u(k_{i})\\
T_{fi}
& =\underbrace{Q\bar{u}(p_{f})\gamma^{\mu}u(p_{i})}_{j^{\mu}}\left[\frac{e^{2}}{q^{2}}\right]\underbrace{Q\bar{u}(k_{f})\gamma_{\mu}u(k_{i})}_{j_{\mu}}
& =\bar{u}(p_{f})\left[-\mathrm{i}Qe\gamma^{\mu}\right]u(p_{i})\left[-\mathrm{i}\frac{\eta_{\mu\nu}}{q^{2}}\right]\bar{u}(k_{f})\left[-\mathrm{i}Qe\gamma^{\nu}\right]u(k_{i})\\
& =\underbrace{Q\bar{u}(p_{f})\gamma^{\mu}u(p_{i})}_{j^{\mu}} \left[ \frac{e^2}{q^2} \right] \underbrace{Q\bar{u}(k_{f})\gamma_{\mu}u(k_{i})}_{j_{\mu}}
\end{align}</math>
\end{align}</math>


An jeden Vertex der Ladung <math>Qe</math> muss ein Faktor <math>-\mathrm{i}Qe\gamma^{\mu}</math> multipliziert werden. Am Vertex gilt wegen der Energie-Impuls-Erhaltung für den Vierervektor des Photons <math>q^{\mu}=(p_{f}-p_{i})^{\mu}=(k_{i}-k_{f})^{\mu}</math>.
An jeden Vertex der Ladung <math>Qe</math> muss ein Faktor <math>-\mathrm{i}Qe\gamma^{\mu}</math> multipliziert werden; darin ist <math>i</math> die [[Imaginäre_Zahl #Allgemeines|imaginäre Einheit]].
 
Am Vertex gilt wegen der Energie-Impuls-Erhaltung für den [[Vierervektor]] des Photons:


Innere Linien des Feynman-Diagramms sind die sog. Propagatoren, hier der Photonenpropagator <math>-\mathrm{i}\frac{\eta_{\mu\nu}}{q^{2}}</math>, wobei <math>q</math> der (Vierer-)Impulsübertrag und <math>\eta_{\mu\nu}</math> der [[Metrischer Tensor|metrische Tensor]] der speziellen Relativitätstheorie ist.
:<math>\begin{align}
q^{\mu} &= (p_{f}-p_{i})^{\mu}\\
        &= (k_{i}-k_{f})^{\mu}
\end{align}</math>
 
mit dem (Vierer-)[[Impulsübertrag]] <math>q</math>.
 
Innere Linien des Feynman-Diagramms sind die [[Propagator]]en, hier der Photonenpropagator <math>-\mathrm{i}\frac{\eta_{\mu\nu}}{q^{2}}</math>, darin ist <math>\eta_{\mu\nu}</math> der [[Metrischer Tensor|metrische Tensor]] der [[spezielle Relativitätstheorie|speziellen Relativitätstheorie]].


=== Schwache Wechselwirkung ===
=== Schwache Wechselwirkung ===
Bei der schwachen Wechselwirkung beschreiben <math>\mathcal{L}_{NC}</math> (neutral current) und <math>\mathcal{L}_{CC}</math> (charged current) die Summanden der Lagrange-Dichte, die die Wechselwirkung zwischen Fermionen und den Eichbosonen enthalten.
Bei der schwachen Wechselwirkung beschreiben <math>\mathcal{L}_{NC}</math> (neutral current) und <math>\mathcal{L}_{CC}</math> (charged current) die Summanden der Lagrange-Dichte, die die Wechselwirkung zwischen Fermionen und den Eichbosonen enthalten.


==== Geladene Ströme ====
==== Geladene Ströme ====
Die schwachen geladenen Ströme werden durch folgenden Wechselwirkungsanteil beschrieben:
Die schwachen geladenen Ströme werden durch folgenden Wechselwirkungsanteil beschrieben:
:<math>
:<math>
Zeile 283: Zeile 326:
L=\frac{1-\gamma^{5}}{2}
L=\frac{1-\gamma^{5}}{2}
</math>
</math>
Dieser Operator auf einen Spinor <math>u=u_{R}+u_{L}</math> angewandt, projiziert auf den linkshändigen Anteil:  
Dieser Operator auf einen Spinor <math>u=u_{R}+u_{L}</math> angewandt, projiziert auf den linkshändigen Anteil:
:<math>
:<math>
u_{L}=Lu
u_{L}=Lu
</math>
</math>
Wegen des Auftretens dieses Operators ist die schwache Wechselwirkung eine chirale Theorie. Der linkshändige Strom  
Wegen des Auftretens dieses Operators ist die schwache Wechselwirkung eine chirale Theorie. Der linkshändige Strom


:<math>J_{L}^{\mu}=\overline{u}\gamma^{\mu}\frac{1-\gamma^{5}}{2}u=\frac{1}{2}\left(\overline{u}\gamma^{\mu}u-\overline{u}\gamma^{\mu}\gamma^{5}u\right)=\frac{1}{2}\left(J_{V}^{\mu}-J_{A}^{\mu}\right)</math>
:<math>J_{L}^{\mu}=\overline{u}\gamma^{\mu}\frac{1-\gamma^{5}}{2}u=\frac{1}{2}\left(\overline{u}\gamma^{\mu}u-\overline{u}\gamma^{\mu}\gamma^{5}u\right)=\frac{1}{2}\left(J_{V}^{\mu}-J_{A}^{\mu}\right)</math>
Zeile 295: Zeile 338:
Schwache geladene linkshändige Quarkströme mit <math>u_{i}=\{u,c,t\}</math>,
Schwache geladene linkshändige Quarkströme mit <math>u_{i}=\{u,c,t\}</math>,
<math>d_{i}=\{d,s,b\}</math>, <math>d_{i}^{\prime}=\{d^{\prime},s^{\prime},b^{\prime}\}</math>,
<math>d_{i}=\{d,s,b\}</math>, <math>d_{i}^{\prime}=\{d^{\prime},s^{\prime},b^{\prime}\}</math>,
<math>V_{ij}^{\mathrm{CKM}}</math> ist die CKM-Mischungsmatrix:  
<math>V_{ij}^{\mathrm{CKM}}</math> ist die CKM-Mischungsmatrix:


:<math>\begin{align}
:<math>\begin{align}
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Schwache geladene linkshändige Leptonenströme mit <math>e_{i}=\{e,\mu,\tau\}</math>,
Schwache geladene linkshändige Leptonenströme mit <math>e_{i}=\{e,\mu,\tau\}</math>,
<math>\nu_{i}=\{\nu_{e},\nu_{\mu},\nu_{\tau}\}</math>:  
<math>\nu_{i}=\{\nu_{e},\nu_{\mu},\nu_{\tau}\}</math>:


:<math>\begin{align}
:<math>\begin{align}
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</math>
</math>


Da für die meisten Fälle <math>q^{2}\ll M^{2}</math> gilt, kann der Propagator genähert werden. Im Gegensatz zum Photonenpropagator <math>-\tfrac{\mathrm{i}\eta_{\mu\nu}}{q^{2}}</math> ist der Propagator <math>\tfrac{\mathrm{i}\eta_{\mu\nu}}{M^{2}}</math> für kleine Impulsüberträge konstant.  
Da für die meisten Fälle <math>q^{2}\ll M^{2}</math> gilt, kann der Propagator genähert werden. Im Gegensatz zum Photonenpropagator <math>-\tfrac{\mathrm{i}\eta_{\mu\nu}}{q^{2}}</math> ist der Propagator <math>\tfrac{\mathrm{i}\eta_{\mu\nu}}{M^{2}}</math> für kleine Impulsüberträge konstant.


Bei kleinen <math>q^2</math>-Werten ist die schwache Wechselwirkung viel schwächer als die elektromagnetische. Dies liegt nicht an der Kopplungskonstante der schwachen Wechselwirkung, denn die schwache Ladung <math>g</math> liegt in derselben Größenordnung wie die elektrische Ladung <math>e</math>. Der Grund für die Schwäche der Wechselwirkung liegt in der Gestalt des Propagators der Austauschteilchen, da die riesige Bosonenmasse im Nenner steht und somit den Wechselwirkungsterm herabsetzt.
Bei kleinen <math>q^2</math>-Werten ist die schwache Wechselwirkung viel schwächer als die elektromagnetische. Dies liegt nicht an der Kopplungskonstante der schwachen Wechselwirkung, denn die Kopplungsstärke <math>g</math> liegt in derselben Größenordnung wie die elektrische Ladung <math>e</math>. Der Grund für die Schwäche der Wechselwirkung liegt in der Gestalt des Propagators der Austauschteilchen, da die riesige Bosonenmasse im Nenner steht und somit den Wechselwirkungsterm herabsetzt.


Die durch ein W-Boson vermittelte Streuung zweier Leptonen, hat eine Streuamplitude (in niedrigster Ordnung) von:
Die durch ein W-Boson vermittelte Streuung zweier Leptonen, hat eine Streuamplitude (in niedrigster Ordnung) von:
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==== Neutrale Ströme ====
==== Neutrale Ströme ====
Die schwachen neutralen Ströme werden durch den folgenden Wechselwirkungsanteil beschrieben:


Die schwachen neutralen Ströme werden durch den folgenden Wechselwirkungsanteil beschrieben:
:<math>\begin{align}
:<math>
\mathcal{L}_{NC} &= \frac{g}{\cos\theta_{W}}J_{\mu}^{NC}Z^{\mu}\\
\mathcal{L}_{NC}=\frac{g}{\cos\theta_{W}}J_{\mu}^{NC}Z^{\mu}=\frac{g}{\cos\theta_{W}}\left(J_{\mu}^{3}-\sin^{2}\theta_{W}J_{\mu}^{em}\right)Z^{\mu}
                &= \frac{g}{\cos\theta_{W}}\left(J_{\mu}^{3} - \sin^{2}\theta_{W}J_{\mu}^{em}\right)Z^{\mu}
</math>
\end{align}</math>


Die <math>Z</math>-Bosonen koppeln mit der Kopplungskonstante <math>g/\cos\theta_{W}</math> an den neutralen Strom <math>J_{\mu}^{NC}=J_{\mu}^{3}-\sin^{2}\theta_{W}J_{\mu}^{em}</math>. Dieser setzt sich aus einem Isospin-Strom <math>J_{\mu}^{3}</math> und dem elektromagnetischen Strom <math>J_{\mu}^{em}</math> zusammen.
Erläuterung:
Die <math>Z</math>-Bosonen koppeln mit der Kopplungskonstante <math>g/\cos\theta_{W}</math> an den neutralen Strom <math>J_{\mu}^{NC}=J_{\mu}^{3}-\sin^{2}\theta_{W}J_{\mu}^{em}</math>. Dieser setzt sich zusammen aus einem Isospin-Strom <math>J_{\mu}^{3}</math> und dem elektromagnetischen Strom <math>J_{\mu}^{em}</math>.<!-- Warum minus zw. den beiden Strömen und nicht plus? -->


Der Isospin-Strom berechnet sich über  
* Der Isospin-Strom berechnet sich über:


:<math>
::<math>J_{\mu}^{3} = \sum_{f}I_{f}^{3}\overline{f}\gamma_{\mu}\left( \frac{1-\gamma^{5}}{2} \right) f</math>
J_{\mu}^{3}=\sum_{f}I_{f}^{3}\overline{f}\gamma_{\mu}\left( \frac{1-\gamma^{5}}{2} \right) f
</math>


f steht dabei für die Spinor-Wellenfunktion des Fermions. <math>I_{f}^{3}</math> ist die dritte Komponente des schwachen Isospins. Sie wird wie folgt berechnet:
:mit
:* der Spinor-Wellenfunktion <math>f</math> des Fermions
:* der dritten Komponente <math>I_{f}^{3}</math> des schwachen Isospins, die wie folgt berechnet wird:


* +1/2 für <math>\{u_{i}\}</math> und <math>\{\nu_{i}\}</math>  
:::<math>I_{f}^{3} = +\frac{1}{2}</math> &nbsp; für <math>\{u_{i}\}</math> und <math>\{\nu_{i}\}</math>
* −1/2 für <math>\{d_{i}\}</math> und <math>\{e_{i}\}</math>
:::<math>I_{f}^{3} = -\frac{1}{2}</math> &nbsp; für <math>\{d_{i}\}</math> und <math>\{e_{i}\}</math>


Wegen des Linkshändigkeits-Operators <math>\tfrac{1-\gamma^{5}}{2}</math> koppelt das <math>Z</math>-Boson über den Isospin-Strom also nur an die linkshändigen Anteile von Fermionen.
:Wegen des Linkshändigkeits-Operators <math>\tfrac{1-\gamma^{5}}{2}</math> koppelt das <math>Z</math>-Boson über den Isospin-Strom also nur an die linkshändigen Anteile von Fermionen.


Der elektromagnetische Strom berechnet sich gemäß
* Der elektromagnetische Strom berechnet sich gemäß


:<math>
::<math>J_{\mu}^{em} = \sum_{f}q_{f}\overline{f}\gamma_{\mu}f</math>
J_{\mu}^{em}=\sum_{f}q_{f}\overline{f}\gamma_{\mu}f
</math>


wobei <math>q_{f}</math> die elektrische Ladung des beteiligten Fermions bezeichnet.
:mit der elektrischen Ladung <math>q_{f}</math> des beteiligten Fermions.


Bei der Berechnung von [[Streuquerschnitt]]en mit Hilfe von Feynman-Diagrammen muss für jeden <math>Z</math> Vertex der Faktor <math>-\frac{\mathrm{i}g}{\cos\theta_{W}}\gamma^{\mu}</math> mit einem weiteren Faktor in Abhängigkeit der beteiligten Teilchenart multipliziert werden. Dieser lautet:
Bei der Berechnung von [[Streuquerschnitt]]en mit Hilfe von Feynman-Diagrammen muss für jeden <math>Z</math>-Vertex der Faktor <math>-\frac{\mathrm{i}g}{\cos\theta_{W}}\gamma^{\mu}</math> mit einem weiteren Faktor multipliziert werden, der von der beteiligten Teilchenart abhängt. Er lautet


* <math>\frac{1}{2}\left( \frac{1-\gamma^{5}}{2}\right)</math> für die Neutrinos <math>\{\nu_{i}\}</math>
* <math>+\frac{1}{2}\left(\frac{1-\gamma^{5}}{2}\right)\pm\,0\, \sin^{2}\theta_{W}</math> &nbsp; für ungeladene Leptonen (Neutrinos) mit der Ladung <math>\pm 0\;e</math>, d.&nbsp;h. für <math>\{\nu_{i}\}</math>
* <math>-\frac{1}{2}\left(\frac{1-\gamma^{5}}{2}\right)+\sin^{2}\theta_{W}</math> für die geladene Leptonen <math>\{e_{i}\}</math>
* <math>-\frac{1}{2}\left(\frac{1-\gamma^{5}}{2}\right)+\,1\, \sin^{2}\theta_{W}</math> &nbsp; für geladene Leptonen (Elektron, Myon, Tauon) mit der Ladung <math>-1\;e</math>, d.&nbsp;h. für <math>\{e_{i}\}</math>
* <math>\frac{1}{2}\left(\frac{1-\gamma^{5}}{2}\right)-\frac{2}{3}\sin^{2}\theta_{W}</math> für Quarks mit Ladung 2/3 e, also <math>\{u_{i}\}</math>
* <math>+\frac{1}{2}\left(\frac{1-\gamma^{5}}{2}\right)-\frac{2}{3}\sin^{2}\theta_{W}</math> &nbsp; für Quarks mit Ladung <math>+\frac{2}{3}\;e</math>, d.&nbsp;h. für <math>\{u_{i}\}</math>
* <math>-\frac{1}{2}\left(\frac{1-\gamma^{5}}{2}\right)+\frac{1}{3}\sin^{2}\theta_{W}</math> für Quarks mit Ladung −1/3 e, also den <math>\{d_{i}^\prime\}</math>
* <math>-\frac{1}{2}\left(\frac{1-\gamma^{5}}{2}\right)+\frac{1}{3}\sin^{2}\theta_{W}</math> &nbsp; für Quarks mit Ladung <math>-\frac{1}{3}\;e</math>, d.&nbsp;h. für <math>\{d_{i}^\prime\}</math> .


Bei den letzten drei Faktoren treten Summanden ohne den Linkshändigkeits-Operator auf. Diese Z-Kopplungen wirken damit sowohl auf links- und rechtshändige Anteile der beteiligten Fermionen.
Bei den letzten drei Faktoren treten Summanden ohne den Linkshändigkeits-Operator auf. Diese Z-Kopplungen wirken damit sowohl auf links- und rechtshändige Anteile der beteiligten Fermionen.


Bei den Neutrinos <math>\{\nu_{i}\}</math> koppeln also nur die linkshändigen Anteile an das Z-Boson. Bei den geladenen Fermionen <math>\{u_{i}\}</math>, <math>\{d_{i}\}</math> und <math>\{e_{i}\}</math> koppeln dagegen rechts- als auch linkshändige Anteile an das Z-Boson. Bei der Streuung geladener Fermionen kann somit neben der Wechselwirkung über ein elektromagnetisches Feld auch eine Wechselwirkung über das Feld des ungeladenen Z-Bosons stattfinden. Sind die beteiligten Teilchenenergien klein im Vergleich zur Ruheenergie des Z-Bosons überwiegt bei Streuprozessen allerdings die elektromagnetische Wechselwirkung.
Bei den Neutrinos <math>\{\nu_{i}\}</math> koppeln also nur die linkshändigen Anteile an das Z-Boson. Dagegen koppeln bei den geladenen Fermionen <math>\{u_{i}\}</math>, <math>\{d_{i}\}</math> und <math>\{e_{i}\}</math> sowohl links- als auch rechtshändige Anteile an das Z-Boson. Bei der Streuung geladener Fermionen kann somit neben der Wechselwirkung über ein elektromagnetisches Feld auch eine Wechselwirkung über das Feld des ungeladenen Z-Bosons stattfinden. Sind die beteiligten Teilchenenergien allerdings klein im Vergleich zur Ruheenergie des Z-Bosons, so überwiegt bei Streuprozessen die elektromagnetische Wechselwirkung.


=== Kombination der elektromagnetischen und neutralen Ströme ===
=== Kombination der elektromagnetischen und neutralen Ströme ===
In der elektroschwachen Theorie lassen sich elektromagnetische und schwache neutrale Ströme kombinieren. Statt elektromagnetische Ströme an Photonen und schwache neutrale Ströme an Z-Bosonen
:<math>\mathcal{L}_{em,NC} = eJ_{\mu}^{em}A^{\mu}+\frac{g}{\cos\theta_{W}}\left(J_{\mu}^{3} - \sin^{2}\theta_{W}J_{\mu}^{em}\right)Z^{\mu}</math>
koppeln nun Isospin-Ströme an <math>W_{3}</math>- und [[Hyperladung]]s-Ströme an [[B-Meson|B<sub>0</sub>-Bosonen]]:


In der elektroschwachen Theorie lassen sich elektromagnetische und schwache neutrale Ströme kombinieren. Statt elektromagnetische Ströme an Photonen und schwache neutrale Ströme an Z-Bosonen
:<math>\mathcal{L}_{ew,n} = gJ_{\mu}^{3}W_{3}+\frac{1}{2}g^{\prime}J_{\mu}^{Y}B_{0}</math>
 
Wobei ein Hyperladungsstrom basierend auf der Hyperladung eines Fermions <math>Y_{f} = 2(q_f - I^3_f)</math> eingeführt wurde:
 
::<math>J_{\mu}^{Y} = 2\left(J_{\mu}^{em}-J_{\mu}^{3}\right) = \sum_{f}Y_{f}\overline{f}\gamma_{\mu}f</math>
 
Der Zusammenhang der [[Elektroschwache Wechselwirkung #Eichbosonen|Eichbosonen]] ist gegeben über den Weinbergwinkel <math>\theta_{W}</math>:
 
:<math>\gamma = B^{0}\cos\theta_{W} + W^{0}\sin\theta_{W}</math> (wobei <math>\gamma</math> das Photon ist)
 
und
 
:<math>Z^0 = -B^{0}\sin\theta_{W} + W^{0}\cos\theta_{W}</math>


:<math>\mathcal{L}_{em,NC} =eJ_{\mu}^{em}A^{\mu}+\frac{g}{\cos\theta_{W}}\left(J_{\mu}^{3}-\sin^{2}\theta_{W}J_{\mu}^{em}\right)Z^{\mu}</math>
sowie


koppeln nun Isospin-Ströme an <math>W_{3}</math>- und Hyperladungs-Ströme an <math>B_{0}</math>-Bosonen:
:<math>W^\pm = -(W^1\pm i W^2)/\sqrt 2</math>


:<math>\mathcal{L}_{ew,n} =gJ_{\mu}^{3}W_{3}+\frac{1}{2}g^{\prime}J_{\mu}^{Y}B_{0}</math>
und der Zusammenhang der beiden schwachen Kopplungskonstanten mit der Elementarladung über:


Wobei ein Hyperladungsstrom basierend auf der Hyperladung eines Fermions <math>Y_{f}=2(q_f-I^3_f)</math> eingeführt wurde:
:<math>e = g\,\sin\theta_{W} = g^{\prime}\,\cos\theta_{W}</math>.
:<math>
J_{\mu}^{Y}=2\left(J_{\mu}^{em}-J_{\mu}^{3}\right)=\sum_{f}Y_{f}\overline{f}\gamma_{\mu}f
</math>


Der Zusammenhang der [[Elektroschwache_Wechselwirkung#Eichbosonen|Eichbosonen]] ist über den Weinbergwinkel mit <math>\gamma=B^{0}\cos\theta_{W}+W^{0}\sin\theta_{W}</math> (wobei <math>\gamma</math> das Photon ist) und <math>Z^0=-B^{0}\sin\theta_{W}+W^{0}\cos\theta_{W}</math> sowie <math>W^\pm = -(W^1\pm i W^2)/\sqrt 2</math> gegeben und der Zusammenhang der beiden schwachen Kopplungskonstanten mit der Elementarladung über <math>e=g\,\sin\theta_{W}=g^{\prime}\,\cos\theta_{W}</math>.
== Geschichte ==
Die schwache Wechselwirkung wurde zuerst beim [[Betazerfall]] entdeckt (für dessen Geschichte siehe den Artikel Betazerfall).<ref>Eine Übersicht gibt auch Paul Langacker in [http://www.sns.ias.edu/~pgl/talks/EWHist.pdf diesem] Vortrag, STIAS, Januar 2011</ref> Die Entdeckung, dass der Betazerfall ein kontinuierliches Spektrum zeigte und scheinbar die [[Energieerhaltung]] verletzte, führte [[Wolfgang Pauli]] 1930 zur [[Postulierung]] des [[Neutrino]]s als drittem Zerfallspartner. Darauf aufbauend formulierte, nachdem 1932 auch noch das Neutron entdeckt worden war, [[Enrico Fermi]] 1934 eine erste Theorie des Betazerfalls.<ref>Fermi, Versuch einer Theorie der beta-Strahlen. I, Zeitschrift für Physik, Band 88, 1934, S. 161, in Italienisch erschienen als: Tentativo di una teoria dei raggi β, Il Nuovo Cimento, Band 11, 1934, S. 1–19.</ref> Sie hatte einen ähnlichen Aufbau wie die Quantenelektrodynamik&nbsp;(QED), aber die Form einer Stromkopplung mit verschwindender Reichweite und mit einer dimensionsbehafteten Kopplungskonstante. Sie war im Gegensatz zur&nbsp;QED nicht [[Renormierung|renormierbar]]. Weitere Fortschritte in den 1930er&nbsp;Jahren waren die Auswahlregeln von [[George Gamow]] und [[Edward Teller]] ([[Betastrahlung #Betazerfallsübergänge_in_Kernen|Gamow-Teller-Übergänge]], 1936) und die Entdeckung der Rolle der schwachen Wechselwirkung bei der [[Nukleosynthese]] in Sternen durch Gamow und [[Hans Bethe]] (1938) und bei der Bildung von [[Neutronenstern]]en in [[Supernova]]e ([[Robert Oppenheimer]], [[Lew Landau]]). Außerdem wurden bis in die 1950er&nbsp;Jahre neue schwache Prozesse entdeckt wie die Zerfälle von [[Myon]]en, [[Pion]]en, [[Kaon]]en und [[Hyperon]]en.


==Geschichte==
In den 1950er Jahren wurde die [[Paritätsverletzung]] der schwachen Wechselwirkung entdeckt (theoretisch vorgeschlagen von [[Tsung-Dao Lee]], [[Chen Ning Yang]] 1956, experimentell entdeckt durch [[Chien-Shiung Wu]] 1957). Das wurde in der V−A-Theorie (V-minus-A-Theorie) der schwachen Wechselwirkung von [[Richard Feynman]] und [[Murray Gell-Mann]] einerseits und [[Robert Marshak]] und [[George Sudarshan]] andererseits 1958 eingebaut, ein wichtiger Schritt zur modernen Theorie der schwachen Wechselwirkung im [[Standardmodell]]. Dazu trugen [[Sheldon Lee Glashow]], [[Abdus Salam]] und [[Steven Weinberg]] mit der Vereinigung von elektromagnetischer und schwacher Wechselwirkung Ende der 1960er Jahre bei (mit Einführung massiver Vektorbosonen, deren Austausch die punktförmige Wechselwirkung in der Fermi-Theorie ersetzte), sowie [[Makoto Kobayashi (Physiker)|Makoto Kobayashi]] and [[Toshihide Maskawa]] mit dem Einbau der 1964 von [[James Cronin]] und [[Val Fitch]] entdeckten CP-Verletzung in die Theorie über ihre KM-Matrix bzw. [[CKM-Matrix]] (zusätzlich nach [[Nicola Cabibbo]], der zur Beschreibung schwacher Zerfälle [[Strangeness|seltsamer]] Teilchen 1963 den [[Cabibbo-Winkel]] einführte).
Die schwache Wechselwirkung wurde zuerst beim [[Betazerfall]] entdeckt (für dessen Geschichte siehe den Artikel [[Betazerfall]]).<ref>Eine Übersicht gibt auch Paul Langacker in [http://www.sns.ias.edu/~pgl/talks/EWHist.pdf diesem] Vortrag, STIAS, Januar 2011</ref> Die Entdeckung, dass der Betazerfall ein kontinuierliches Spektrum zeigte und scheinbar die [[Energieerhaltung]] verletzte, führte [[Wolfgang Pauli]] 1930 zur Postulierung des [[Neutrino]]s als drittem Zerfallspartner. Darauf aufbauend gab, nachdem 1932 auch noch das Neutron entdeckt worden war, [[Enrico Fermi]] 1934 eine erste Theorie des Betazerfalls.<ref>Fermi, Versuch einer Theorie der eta-Strahlen. I, Zeitschrift für Physik, Band 88, 1934, S. 161, in Italienisch erschienen als: Tentativo di una teoria dei raggi β, Il Nuovo Cimento, Band 11, 1934, S. 1–19.</ref> Sie hatte einen ähnlichen Aufbau wie die Quantenelektrodynamik (QED), aber die Form einer Stromkopplung mit verschwindender Reichweite und mit einer dimensionsbehafteten Kopplungskonstante. Sie war im Gegensatz zur QED nicht-renormalisierbar. Weitere Fortschritte in den 1930er Jahren waren die Auswahlregeln von [[George Gamow]] und [[Edward Teller]] (Gamow-Teller-Übergänge, 1936) und die Entdeckung der Rolle der schwachen Wechselwirkung bei der Nukleosynthese in Sternen durch Gamow und [[Hans Bethe]] (1938) und bei der Bildung von Neutronensternen in Supernovae ([[Robert Oppenheimer]], [[Lew Landau]]). Außerdem wurden bis in die 1950er Jahre neue schwache Prozesse entdeckt wie die Zerfälle von [[Myon]]en, [[Pion]]en, [[Kaon]]en und [[Hyperon]]en. In den 1950er Jahren wurde die [[Paritätsverletzung]] der schwachen Wechselwirkung entdeckt (theoretisch vorgeschlagen von [[Tsung-Dao Lee]], [[Chen Ning Yang]] 1956, experimentell entdeckt durch [[Chien-Shiung Wu]] 1957). Das wurde in der V-A-Theorie der schwachen Wechselwirkung von [[Richard Feynman]] und [[Murray Gell-Mann]] einerseits und [[Robert Marshak]] und [[George Sudarshan]] andererseits 1958 eingebaut, ein wichtiger Schritt zur modernen Theorie der schwachen Wechselwirkung im [[Standardmodell]]. Dazu trugen [[Sheldon Lee Glashow]], [[Abdus Salam]] und [[Steven Weinberg]] mit der Vereinigung von elektromagnetischer und schwacher Wechselwirkung Ende der 1960er Jahre bei (mit Einführung massiver Vektorbosonen, deren Austausch die punktförmige Wechselwirkung in der Fermi-Theorie ersetzte), sowie [[Makoto Kobayashi (Physiker)|Makoto Kobayashi]] and [[Toshihide Maskawa]] mit dem Einbau der 1964 von [[James Cronin]] und [[Val Fitch]] entdeckten CP-Verletzung in die Theorie über ihre KM-Matrix bzw. [[CKM-Matrix]] (zusätzlich nach [[Nicola Cabibbo]], der zur Beschreibung schwacher Zerfälle [[Strangeness|seltsamer]] Teilchen 1963 den Cabibbo-Winkel einführte).


== Die schwache Wechselwirkung im Gefüge einer möglicherweise einmal gefundenen [[Weltformel]] ==
== Einordnung ==
{{Tabelle der Grundkräfte}}
{{Tabelle der Grundkräfte}}
== Siehe auch ==
* [[Schwache Ladung]]
* [[WIMP]]


== Literatur ==
== Literatur ==
* [[Bogdan Povh|B. Povh]], K. Rith, C. Scholz, F. Zetsche: ''Teilchen und Kerne.'' 8. Auflage. Springer, Berlin 2009, ISBN 978-3-540-68075-8
* [[Bogdan Povh|B. Povh]], [[Klaus Rith|K. Rith]], C. Scholz, F. Zetsche: ''Teilchen und Kerne.'' 8. Auflage. Springer, Berlin 2009, ISBN 978-3-540-68075-8
* C. Berger: ''Elementarteilchenphysik.'' 2. Auflage. Springer, Berlin 2006, ISBN 978-3-540-23143-1
* C. Berger: ''Elementarteilchenphysik.'' 2. Auflage. Springer, Berlin 2006, ISBN 978-3-540-23143-1
* E. A. Paschos: ''Electroweak Theory.'' 1. Auflage. Cambridge University Press, Cambridge 2007, ISBN 978-0-521-86098-7
* E. A. Paschos: ''Electroweak Theory.'' 1. Auflage. Cambridge University Press, Cambridge 2007, ISBN 978-0-521-86098-7
* [[Gernot Münster]]: ''Von der Quantenfeldtheorie zum Standardmodell.'' 1. Auflage. de Gruyter, 2019, ISBN 978-3-11-063853-0


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references>
<ref name="thetaW">
{{Internetquelle
|url=https://pdg.lbl.gov/2020/reviews/rpp2020-rev-phys-constants.pdf
|titel=Physical Contants
|hrsg=[[Particle Data Group]]
|sprache=en
|datum=2020
|kommentar=sin<sup>2</sup>θ<sub>W</sub> = 0,23121(4)
|abruf=2020-04-29}}
</ref>
</references>


{{Navigationsleiste Die vier Grundkräfte der Physik}}
{{Navigationsleiste Die vier Grundkräfte der Physik}}
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[[Kategorie:Kernphysik]]
[[Kategorie:Kernphysik]]
[[Kategorie:Teilchenphysik]]
[[Kategorie:Teilchenphysik]]
[[Kategorie:Schwache Wechselwirkung| ]]

Aktuelle Version vom 21. Februar 2022, 12:55 Uhr

Der Betazerfall eines Atomkerns erfolgt durch schwache Wechselwirkung. Dabei wandelt sich ein Neutron in ein Proton, ein Elektron und ein Elektron-Antineutrino um.

Die schwache Wechselwirkung (auch schwache Kernkraft oder Quantenflavordynamik genannt) ist eine der vier Grundkräfte der Physik. Im Gegensatz zu den aus dem Alltag bekannten Wechselwirkungen der Gravitation und des Elektromagnetismus wirkt sie jedoch nur auf sehr kurze Distanzen, so wie die starke Wechselwirkung. Dabei kann sie wie andere Kräfte für Energie- und Impuls-Austausch sorgen, wirkt aber vor allem bei Zerfällen oder Umwandlungen der beteiligten Teilchen, etwa dem Betazerfall bestimmter radioaktiver Atomkerne. Durch die schwache Wechselwirkung lassen sich keine gebundenen Zustände bilden, was sie von den anderen drei Wechselwirkungen unterscheidet.

Entscheidende Bedeutung für das Leben auf der Erde hat die schwache Wechselwirkung durch ihre Rolle bei der Fusion von Wasserstoff zu Helium in der Sonne (Proton-Proton-Reaktion), da nur durch sie die Umwandlung von Protonen in Neutronen möglich ist. So entsteht aus vier Protonen (den Wasserstoffkernen) über mehrere Zwischenschritte ein stabiler Heliumkern mit zwei Protonen und zwei Neutronen. Durch diesen Prozess setzt die Sonne Energie frei. Aufgrund der geringen Stärke der schwachen Wechselwirkung läuft dieser Prozess so langsam ab, dass die Sonne schon seit 4,5 Milliarden Jahren stabil leuchtet und dies voraussichtlich noch fünf bis sechs Milliarden Jahre tun wird.

Überblick

Die schwache Wechselwirkung lässt sich unterscheiden in:

  • geladene Ströme; sie wirken zwischen allen (linkshändigen) Quarks und (linkshändigen) Leptonen sowie den (rechtshändigen) Antiquarks und (rechtshändigen) Anti-Leptonen.
  • ungeladene Ströme; sie wirken zwischen denselben Teilchen, die durch geladene Ströme wechselwirken, aber zusätzlich auch zwischen allen geladenen (Anti-)Quarks und (Anti-)Leptonen, unabhängig von ihrer Chiralität, d. h. auch zwischen rechtshändigen Quarks, rechtshändigen Leptonen, linkshändigen Antiquarks und linkshändigen Anti-Leptonen.

Die schwache Wechselwirkung ist ca. 1011 mal schwächer als die elektromagnetische und ca. 1013 mal schwächer als die starke Wechselwirkung. Wie die starke und die elektromagnetische Wechselwirkung wird sie durch den Austausch von Eichbosonen beschrieben. Diese Austauschteilchen der schwachen Wechselwirkung sind das neutrale Z-Boson (für die ungeladenen Ströme) sowie die beiden positiv bzw. negativ geladenen W-Bosonen (für die geladenen Ströme). Da ihre Austauschteilchen massiv sind, hat die schwache Kraft nur eine extrem kurze Reichweite unterhalb eines Atomkernradius.

Die schwache Wechselwirkung lässt sich am einfachsten bei Zerfällen von Quarks oder Leptonen beobachten. In Streuexperimenten hingegen ist diese eher schwer zugänglich, da sie bei geladenen Leptonen oder Hadronen von der starken bzw. elektromagnetischen Wechselwirkung überlagert wird. Teilchen, die weder der starken noch der elektromagnetischen Wechselwirkung unterliegen (keine Farbladung und keine elektrische Ladung tragen), sind die ungeladenen Leptonen, also die Neutrinos, die aber in Streuexperimenten äußerst kleine Wirkungsquerschnitte besitzen.

Die schwache Wechselwirkung verletzt die Paritätserhaltung, wie im Wu-Experiment beim Betazerfall nachgewiesen wurde. Auch die C-Symmetrie zwischen Teilchen und Antiteilchen ist verletzt, da wie erwähnt der geladene Sektor nur Wechselwirkungen zwischen linkshändigen Fermionen und rechtshändigen Antifermionen hat. Außerdem verletzt sie die CP-Erhaltung etwa beim Zerfall des ungeladenen K0-Mesons (Kaonen).

Eine Quantenfeldtheorie, die die schwache Wechselwirkung zusammen mit der elektromagnetischen Wechselwirkung beschreibt, ist das Glashow-Weinberg-Salam-Modell. Man spricht in dieser Formulierung auch von zwei Aspekten der elektroschwachen Wechselwirkung, die durch den Higgs-Mechanismus vereinheitlicht werden.

Austauschteilchen

Die Austauschteilchen der schwachen Wechselwirkung sind massive Vektorbosonen, sie haben den Spin 1. Ihr Verhalten kann durch die Proca-Gleichung beschrieben werden.

Folgende Tabelle gibt eine Übersicht der Eigenschaften der Austauschteilchen (Masse und Resonanzbreite nach Particle Data Group, Lebensdauer über die Energie-Zeit-Unschärferelation berechnet):

Boson Masse
(GeV/c2)
Resonanzbreite
(GeV)
Lebensdauer
(s)
$ W^{\pm } $ $ 80{,}379\;\;\pm 0{,}012\;\; $ $ 2{,}085\;\;\pm 0{,}042\;\; $ $ 3{,}16\cdot 10^{-25} $
$ Z^{0} $ $ 91{,}1876\pm 0{,}0021 $ $ 2{,}4952\pm 0{,}0023 $ $ 2{,}64\cdot 10^{-25} $

Die Reichweite $ r $ lässt sich grob abschätzen, indem man annimmt, dass sich die Teilchen während ihrer Lebensdauer $ \tau $ (im Ruhesystems des Teilchens) mit 71 % der Lichtgeschwindigkeit $ c $ im Laborsystem bewegen (Lorentzfaktor $ \gamma =1{,}41 $): $ r\approx \gamma v\tau \approx c\tau $. Dies ergibt für eine Lebensdauer von 3·10−25 s eine Reichweite von etwa 0,09 Femtometer – der kleinste Atomkern, das Proton, hat einen Durchmesser von etwa 1,7 Femtometer.

In der Theorie der elektroschwachen Wechselwirkung ist das Z-Boson eine Mischung aus einem dritten, ungeladenen W-Boson W0 und einem B-Boson. Die Mischung wird durch den Weinbergwinkel beschrieben (Details siehe dort), der den Wert $ \theta _{W}\approx 28{,}74^{\circ } $ hat.[1] Aus dieser Mischung ergibt sich zum einen das Massenverhältnis

$ {\frac {m_{W}}{m_{Z}}}=\cos \theta _{W}\approx 0{,}8788 $ ,

außerdem folgt daraus, dass die Kopplungsstärke der W-Bosonen nicht mit derjenigen der Z-Bosonen identisch ist: Die Kopplungsstärke des W-Bosons an ein linkshändiges Fermion ist gegeben durch

$ Q_{W}=g\,T_{z}\; $,

die Kopplungsstärke des $ Z^{0} $ an ein Fermion dagegen durch

$ Q_{Z}={\frac {g}{\cos \theta _{W}}}\left(T_{z}-z_{f}\,\sin ^{2}\theta _{W}\right) $ ,

mit

  • $ z_{f} $ der Ladung des Fermions in Einheiten der Elementarladung $ e $
  • $ T_{z} $ der dritten Komponente des schwachen Isospins; für linkshändige Neutrinos gilt z. B. $ T_{z}=1/2 $.
  • $ g $ der Kopplungskonstante der schwachen Wechselwirkung (siehe den Abschnitt Lagrange-Dichte unten)

Die Kopplungskonstanten von schwacher und elektromagnetischer Wechselwirkung hängen zusammen über

$ e=\sin \theta _{W}\cdot g\approx 0{,}481\,g $;

dabei ist $ e $ die Elementarladung.

Reaktionen, Crossing-Symmetrie, Reaktionswahrscheinlichkeit

Zur Beschreibung eines schwachen Prozesses verwendet man üblicherweise die Schreibweise einer Reaktionsgleichung, wie

$ a+b\rightarrow c+d $

Die Teilchen a und b werden also in einem Prozess in die Teilchen c und d umgewandelt. Ist dieser Vorgang möglich, so sind auch alle anderen möglich, die nach der Vertauschungsregel des Kreuzens (engl. Crossing) entstehen. Ein Teilchen kann also auf die andere Seite der Reaktionsgleichung geschrieben werden, indem dort sein entsprechendes Antiteilchen notiert wird:

$ b\rightarrow c+d+{\bar {a}} $

Außerdem sind die Umkehrprozesse möglich:

$ c+d\rightarrow a+b $
$ c+d+{\bar {a}}\rightarrow b $

Ob diese Prozesse tatsächlich in der Natur beobachtet werden (also ihre Wahrscheinlichkeit, die sich um viele Größenordnungen unterscheiden kann), hängt nicht nur von der Stärke der schwachen Wechselwirkung ab, sondern u. a. auch von Energie, Masse und Impuls der beteiligten Teilchen.

Für jede Reaktion gelten die bekannten Sätze der Energieerhaltung, Impulserhaltung und Drehimpulserhaltung, die nach dem Noether-Theorem verbunden sind mit den Invarianzen gegenüber

  • zeitlicher Translation (Energieerhaltung)
  • räumlicher Translation (Impulserhaltung) und
  • Drehungen im Raum (Drehimpulserhaltung).

Sind die Summen der Massen der beteiligten Teilchen auf der rechten Seite größer als auf der linken, so handelt es sich um eine endotherme Reaktion, die nur möglich ist, wenn die Teilchen auf der linken Seite ausreichend kinetische Energie tragen. Sollte auf der linken Seite nur ein Teilchen stehen, dann ist die Reaktion in diesem Fall verboten, denn es gibt für ein massives Teilchen immer ein Bezugssystem, in dem dieses Teilchen in Ruhe ist (d. h., dass Masse aus dem Nichts erzeugt werden müsste, was nicht möglich ist). Auf der anderen Seite existiert für ein masseloses Teilchen auf der linken Seite nie ein Ruhesystem, sodass im Schwerpunktssystem der Teilchen auf der rechten Seite in diesem Fall die Impulserhaltung verletzt wäre.

Sind die Massen der eingehenden Teilchen größer als die Massen der erzeugten Teilchen, so ist die Reaktion exotherm, und die Differenz der Massen findet sich als Differenz der kinetischen Energien zwischen Ausgangsteilchen und erzeugten Teilchen wieder.

Prozesse

Man unterscheidet schwache Prozesse sowohl danach, ob Leptonen und/oder Quarks an ihnen beteiligt sind, als auch danach, ob der Prozess durch ein elektrisch geladenes $ W^{+} $- bzw. $ W^{-} $-Boson (geladene Ströme bzw. charged currents: CC) oder das neutrale $ Z^{0} $-Boson (neutrale Ströme bzw. neutral currents: NC) vermittelt wurde. Die Bezeichnungen schwacher Prozesse lauten wie folgt:

beteiligt vermittelt durch
$ W^{+} $, $ W^{-} $ $ Z^{0} $
nur Quarks hadronisch geladen“ „hadronisch neutral“
Quarks und Leptonen „semileptonisch geladen“ „semileptonisch neutral“
nur Leptonen „leptonisch geladen“ „leptonisch neutral“

Alle Reaktionen, an denen Neutrinos beteiligt sind, verlaufen ausschließlich über die schwache Wechselwirkung (die Gravitation vernachlässigt). Umgekehrt gibt es aber auch schwache Reaktionen ohne Beteiligung von Neutrinos.

Neutrale Prozesse

Ähnlich wie das Photon und im Gegensatz zu den W-Bosonen vermittelt das Z-Boson eine Wechselwirkung zwischen Teilchen, ohne die Teilchenart (genauer: Flavour) zu verändern; dies wird genauer beschrieben durch den GIM-Mechanismus; siehe hierzu jedoch auch Flavour changing neutral current. Während das Photon aber nur Kräfte zwischen elektrisch geladenen Teilchen vermittelt, wechselwirkt das Z-Boson auch mit den ungeladenen Neutrinos.

Bei neutralen Prozessen bleiben die beteiligten Fermionen unverändert (keine Änderung von Masse oder Ladung). Das Z0-Boson wirkt auf alle linkshändigen Fermionen und durch die Weinberg-Mischung auch auf die rechtshändigen Anteile geladener Fermionen. Es ist nicht wie die W-Bosonen maximal paritätsverletzend, da es einen Anteil des B0-Bosons enthält.

Beispiele für neutrale Prozesse sind:

  • die Streuung zweier Elektronen aneinander (wird für geringe Energien aber durch die stärkere elektromagnetische Wechselwirkung überlagert, erst bei hohen Energien werden die Wechselwirkungen in der Stärke vergleichbar)
  • die Streuung von Myon-Neutrinos an Elektronen (keine konkurrierenden Prozesse, erster experimenteller Nachweis der neutralen Ströme 1973 am CERN).

Geladene Prozesse

Leptonischer Prozess

Ein elementarer geladener leptonischer Prozess ist ein Zerfallsprozess eines Leptons L in ein Lepton L' unter Beteiligung ihrer entsprechenden Neutrinos bzw. Antineutrinos ($ \nu _{L},{\bar {\nu }}_{L} $):

$ L\rightarrow \nu _{L}+L^{\prime }+{\bar {\nu }}_{L^{\prime }} $

Ein Beispiel dazu ist der Zerfall von Myonen:

$ \mu ^{-}\to e^{-}+{\bar {\nu }}_{e}+\nu _{\mu } $

wie auch die damit verbundenen Streuprozesse

$ \mu ^{-}+{\bar {\nu }}_{\mu }\to e^{-}+{\bar {\nu }}_{e} $
$ \mu ^{-}+\nu _{e}\to e^{-}+\nu _{\mu } $

Semileptonischer Prozess

Betazerfall des Neutrons

Bei einem elementaren geladenen semileptonischen Prozess sind neben Leptonen auch Quarks bzw. Antiquarks ($ q_{1},{\bar {q}}_{2} $) beteiligt:

$ q_{1}+{\bar {q}}_{2}\rightarrow L+{\bar {\nu }}_{L} $

Ein Beispiel für einen semileptonischen Prozess ist der bereits genannte β-Zerfall des Neutrons, bei welchem sich ein Down-Quark des Neutrons in ein Up-Quark umwandelt:

$ d^{-{\frac {1}{3}}}\rightarrow u^{+{\frac {2}{3}}}+e^{-}+{\bar {\nu }}_{e} $ (Quarkdarstellung)

Dadurch wird ein Neutron n = udd zu einem Proton p = uud:

$ n\rightarrow p+e^{-}+{\bar {\nu }}_{e} $ (Hadronendarstellung)

Ein Down- und ein Up-Quark sind unbeteiligt. Sie werden „Zuschauerquarks“ (engl. spectator quarks) genannt.

Dieser Prozess wird durch ein $ W^{-} $-Boson vermittelt, wobei das negativ geladene Down-Quark in ein positiv geladenes Up-Quark umgewandelt wird — die negative Ladung wird durch ein $ W^{-} $-Boson „weggetragen“. $ d^{-1/3} $ und $ u^{+2/3} $ müssen also Quarks sein, deren Ladungsdifferenz gerade $ -e $ ist.

Weitere Beispiele von semileptonischen Prozessen sind:

$ \pi ^{-}\equiv d+{\bar {u}}\to \mu ^{-}+{\bar {\nu }}_{\mu } $
$ K^{-}\equiv s+{\bar {u}}\to \mu ^{-}+{\bar {\nu }}_{\mu } $

Hadronischer Prozess

Kaon-Zerfall

Bei einem elementaren geladenen hadronischen (bzw. nichtleptonischen) Prozess sind nur Quarks bzw. Antiquarks beteiligt:

$ q_{1}+{\bar {q}}_{2}\rightarrow q_{3}+{\bar {q}}_{4} $

Der Kaon-Zerfall ist ein gutes Beispiel für einen hadronischen Prozess

Quarkdarstellung: $ {\bar {s}}^{+{\frac {1}{3}}}\rightarrow u^{+{\frac {2}{3}}}+{\bar {u}}^{-{\frac {2}{3}}}+{\bar {d}}^{+{\frac {1}{3}}} $

Hadronendarstellung: $ K^{+}\rightarrow \pi ^{+}+\pi ^{0} $

Wobei die beteiligten Teilchen folgendermaßen aufgebaut sind: $ K^{+}=u{\bar {s}} $ und $ \pi ^{+}=u{\bar {d}} $ sowie $ \pi ^{0}=u{\bar {u}} $. Bei diesem Prozess ist das Up-Quark des Kaons wieder ein unbeteiligter Zuschauer. Die positive Ladung des Strange-Antiquarks wird durch ein $ W^{+} $-Boson weggetragen. Durch diesen Austausch ändert das Quark seinen Flavour zu einem Anti-Up-Quark.

Weitere Beispiele von hadronischen Prozessen sind zwei Zerfallskanäle des Λ-Baryons:

$ \Lambda ^{0}\equiv (u,d,s)\to (u,d,u)+({\bar {u}},d)\equiv p+\pi ^{-} $
$ \Lambda ^{0}\equiv (u,d,s)\to (u,d,d)+({\bar {u}},u)\equiv n+\pi ^{0} $

Teilchenumwandlungen

Geladene Ströme

Bei geladenen Strömen der schwachen Wechselwirkung können sich nur Teilchen aus demselben Dublett (dargestellt als große Klammer) ineinander umwandeln:

  • Leptonen-Dubletts:$ {\begin{pmatrix}\nu _{e}\\e^{-}\end{pmatrix}}_{L}\ ,\quad {\begin{pmatrix}\nu _{\mu }\\\mu ^{-}\end{pmatrix}}_{L}\ ,\quad {\begin{pmatrix}\nu _{\tau }\\\tau ^{-}\end{pmatrix}}_{L} $
  • Quark-Dubletts:$ {\begin{pmatrix}u^{\frac {2}{3}}\\(d^{\prime })^{-{\frac {1}{3}}}\end{pmatrix}}_{L}\ ,\quad {\begin{pmatrix}c^{\frac {2}{3}}\\(s^{\prime })^{-{\frac {1}{3}}}\end{pmatrix}}_{L}\ ,\quad {\begin{pmatrix}t^{\frac {2}{3}}\\(b^{\prime })^{-{\frac {1}{3}}}\end{pmatrix}}_{L} $

Es handelt sich nur um linkshändige Fermionen. Diese besitzen einen schwachen Isospin $ T=1/2 $, wobei seine dritte Komponente für die oberen Teilchen jedes Dubletts jeweils $ T_{3}=+1/2 $ und für die unteren jeweils $ T_{3}=-1/2 $ ist.

Die schwache Hyperladung $ Y_{W}=2(Q-T_{3}) $, also die doppelte Differenz aus elektrischer Ladung und dritter Komponente des schwachen Isospins, ist innerhalb eines Dubletts konstant. Sie beträgt:

  • für die Leptonendubletts $ Y_{W}=-1 $
  • für die Quarkdubletts $ Y_{W}=1/3 $.

Rechtshändige Fermionen koppeln nicht an W-Bosonen und tragen deshalb keinen schwachen Isospin.

Weiterhin stellt man fest, dass Neutrinos in der Natur nur linkshändig vorkommen (Goldhaber-Experiment). Somit werden rechtshändige Fermionen als Singuletts $ T=T_{3}=0 $ beschrieben.

Da die geladenen Ströme ausschließlich an die linkshändigen Dubletts koppeln, tritt bei diesen Vorgängen eine maximale Verletzung der Parität auf. Experimentell wurde dies im Wu-Experiment untersucht und durch die V-A-Theorie erklärt.

Quarks

Masse-Ladung-Diagramm der Quarks und ihre Zerfallsmöglichkeiten unter schwacher Wechsel­wirkung (Je feiner gestrichelt die Pfeile, desto unwahrscheinlicher der Prozess.)

Bei den Quarks sind die Dubletts (u, d'), (c, s'), (t, b') Eigenzustände der schwachen Wechselwirkung und nicht (u,d), (c,s), (t,b). Die Zustände der gestrichenen Teilchen sind jeweils eine Linearkombination von drei Zuständen, d. h. die gestrichenen Quarkzustände $ d^{\prime },s^{\prime },b^{\prime } $ sind gegenüber den Quarkzuständen $ d,s,b $ wie folgt rotiert:[2]

$ {\begin{pmatrix}|d^{\prime }\rangle \\|s^{\prime }\rangle \\|b^{\prime }\rangle \end{pmatrix}}=\mathbf {V} {\begin{pmatrix}|d\rangle \\|s\rangle \\|b\rangle \end{pmatrix}} $

mit der CKM-Matrix $ |\mathbf {V} |\approx {\begin{pmatrix}0{,}9743&0{,}2253&0{,}0035\\0{,}2252&0{,}9734&0{,}0412\\0{,}0087&0{,}0404&0{,}9991\end{pmatrix}} $.

Diese unitäre Matrix hat vier unabhängige Parameter. Die Quadrate der Elemente der Matrix $ |\mathbf {V} | $ sind proportional zu den Übergangswahrscheinlichkeiten zwischen den Quarks:

$ |V_{ij}|^{2} $ d s b
u 0,9492 0,0508 0,00001
c 0,0507 0,9476 0,0017
t 0,00007 0,0016 0,9983

Die Übergänge innerhalb derselben Quarkfamilie (u,d), (c,s), (t,b) finden am häufigsten statt, da die Diagonalelemente (fett markiert) die größten Übergangswahrscheinlichkeiten anzeigen. Mit geringerer Wahrscheinlichkeit besteht auch die Möglichkeit, dass sich die Generation des Teilchens ändert (Nicht-Diagonalelemente). Dieses Verhalten wird dadurch verursacht, dass die Masseneigenzustände nicht mit den Wechselwirkungseigenzuständen übereinstimmen.

Neutrale Ströme

Der Zerfall von Quarks oder Leptonen durch neutrale Ströme, also z. B. die Übergänge c → u oder s → d oder μ → e wurden bisher nicht beobachtet. Mit dem Mu3e-Experiment soll nach einem solchen Übergang gesucht werden.

Neutrinooszillationen

Die Neutrino-Eigenzustände der schwachen Wechselwirkung $ |\nu _{e}\rangle $, $ |\nu _{\mu }\rangle $, $ |\nu _{\tau }\rangle $ (Flavour-Zustände sind Eigenzustände des schwach wechselwirkenden Teils des Hamilton-Operators) sind nicht identisch mit den Eigenzuständen $ |\nu _{1}\rangle $, $ |\nu _{2}\rangle $, $ |\nu _{3}\rangle $ des Massenoperators (Eigenzustände des kinematischen Teils des Hamilton-Operators).

$ {\begin{pmatrix}|\nu _{e}\rangle \\|\nu _{\mu }\rangle \\|\nu _{\tau }\rangle \end{pmatrix}}=\mathbf {U} {\begin{pmatrix}|\nu _{1}\rangle \\|\nu _{2}\rangle \\|\nu _{3}\rangle \end{pmatrix}} $

mit der Pontecorvo-Maki-Nakagawa-Sakata (PMNS)-Matrix $ \mathbf {U} $, die sich hier analog zur CKM-Matrix einführen lässt. Ihre aktuellen Werte liegen bei:[3]

$ \mathbf {U} \approx {\begin{pmatrix}0{,}82&0{,}55&-0{,}15+0{,}045\,\mathrm {i} \\-0{,}35+0{,}023\,\mathrm {i} &0{,}70+0{,}015\,\mathrm {i} &0{,}62\\0{,}45+0{,}028\,\mathrm {i} &-0{,}46+0{,}019\,\mathrm {i} &0{,}77\end{pmatrix}} $
$ |\mathbf {U} |^{2}={\begin{pmatrix}0{,}68&0{,}30&0{,}024\\0{,}13&0{,}49&0{,}38\\0{,}20&0{,}21&0{,}59\end{pmatrix}} $

Die Matrix hat große Werte auch außerhalb der Diagonalen. Dies unterscheidet sie von der CKM-Matrix und führt zu einer starken Mischung der Neutrinofamilien mit der Zeit.

$ {\begin{pmatrix}|\nu _{e}(t)\rangle \\|\nu _{\mu }(t)\rangle \\|\nu _{\tau }(t)\rangle \end{pmatrix}}=\mathbf {U} {\begin{pmatrix}\exp(-iE_{\nu _{1}}t/\hbar )\,|\nu _{1}\rangle \\\exp(-iE_{\nu _{2}}t/\hbar )\,|\nu _{2}\rangle \\\exp(-iE_{\nu _{3}}t/\hbar )\,|\nu _{3}\rangle \end{pmatrix}}\quad {\text{mit}}\quad E_{\nu _{i}}=c\,{\sqrt {p^{2}+(m_{\nu _{i}}c)^{2}}} $

Wurde ein Neutrino ursprünglich mit einem bestimmten dieser drei Flavours erzeugt, so kann eine spätere Quantenmessung einen anderen Flavour ergeben (Erhaltung der Leptonenfamilienzahlen ist verletzt). Da die Wahrscheinlichkeiten für jeden Flavour sich periodisch mit der Ausbreitung des Neutrinos ändern, spricht man von Neutrinooszillationen.

Beim Zerfall eines (linkshändigen) Leptons durch die schwache Wechselwirkung ändert sich während der Wechselwirkung nicht der Flavour (Erhaltung der Leptonenfamilienzahl in jedem Wechselwirkungsvertex). Jedoch können sich entstehende Neutrinos in der weiteren Zeitevolution ineinander umwandeln, wodurch sich der Flavour ändert und somit die Leptonenfamilienzahl-Erhaltung verletzt ist. Die Leptonenzahl ist jedoch bei dieser Oszillation stets erhalten.

Hätten die Neutrinos keine Masse, dann wäre jeder Flavorzustand auch ein Eigenzustand des Massenoperators. Folglich könnte man keine Flavor-Oszillationen beobachten.

Lagrange-Dichte

Im Folgenden werden für die Lagrange-Dichte $ {\mathcal {L}} $ der schwachen Wechselwirkung die Wechselwirkungsanteile zwischen Fermionen und Eichbosonen analysiert.

Um die Beschreibung der schwachen Wechselwirkung besser einordnen zu können, wird zunächst die elektromagnetische Wechselwirkung beschrieben. Alle im Folgenden mit griechischen Indizes versehenen Größen stellen Vierervektoren dar.

Elektromagnetische Wechselwirkung

In der Quantenelektrodynamik ist die Wechselwirkungsenergie die Kopplung von (Vierer-)Strömen geladener Teilchen $ J_{\mu }^{em} $ an Photonen, dargestellt durch das elektromagnetische (Vierer-)Potential $ A^{\mu } $:

$ {\mathcal {L}}_{em}=e\,J_{\mu }^{em}\,A^{\mu } $

mit der Elementarladung $ e $ als Kopplungskonstante.

Die Stromdichte ist gegeben durch

$ J_{\mu }^{em}=\sum _{u}Q\,{\overline {u}}(p_{f})\,\gamma _{\mu }\,u(p_{i}) $

mit

  • der Ladungsquantenzahl $ Q $ (die elektrische Ladung der Teilchen in Einheiten der Elementarladung)
  • dem Feld $ u(p_{i}) $ des einlaufenden Fermions (bzw. auslaufenden Antifermions) mit (Vierer-)Impuls $ p_{i} $
  • dem Feld $ {\overline {u}}(p_{f}) $ des auslaufenden Fermions (bzw. des einlaufenden Antifermions) mit (Vierer-)Impuls $ p_{f} $
  • den Dirac-Matrizen $ \gamma _{\mu } $.

Die Spinoren $ u(p_{i}) $ und $ {\overline {u}}(p_{f}) $ beschreiben in einem Feynman-Diagramm die äußeren durchgezogenen Linien.

Elektron-Elektron-Streuung mit $ p_{1}=p_{i} $, $ p_{2}=k_{i} $, $ p_{3}=p_{f} $, $ p_{4}=k_{f} $

Die Streuung zweier geladener Teilchen wird in der Bornschen Näherung (niedrigste Ordnung Störungstheorie) durch das nebenstehende Feynman-Diagramm beschreiben. Die dazugehörige Streuamplitude ist

$ {\begin{aligned}T_{fi}&={\bar {u}}(p_{f})\left[-\mathrm {i} Qe\gamma ^{\mu }\right]u(p_{i})\left[-\mathrm {i} {\frac {\eta _{\mu \nu }}{q^{2}}}\right]{\bar {u}}(k_{f})\left[-\mathrm {i} Qe\gamma ^{\nu }\right]u(k_{i})\\&=\underbrace {Q{\bar {u}}(p_{f})\gamma ^{\mu }u(p_{i})} _{j^{\mu }}\left[{\frac {e^{2}}{q^{2}}}\right]\underbrace {Q{\bar {u}}(k_{f})\gamma _{\mu }u(k_{i})} _{j_{\mu }}\end{aligned}} $

An jeden Vertex der Ladung $ Qe $ muss ein Faktor $ -\mathrm {i} Qe\gamma ^{\mu } $ multipliziert werden; darin ist $ i $ die imaginäre Einheit.

Am Vertex gilt wegen der Energie-Impuls-Erhaltung für den Vierervektor des Photons:

$ {\begin{aligned}q^{\mu }&=(p_{f}-p_{i})^{\mu }\\&=(k_{i}-k_{f})^{\mu }\end{aligned}} $

mit dem (Vierer-)Impulsübertrag $ q $.

Innere Linien des Feynman-Diagramms sind die Propagatoren, hier der Photonenpropagator $ -\mathrm {i} {\frac {\eta _{\mu \nu }}{q^{2}}} $, darin ist $ \eta _{\mu \nu } $ der metrische Tensor der speziellen Relativitätstheorie.

Schwache Wechselwirkung

Bei der schwachen Wechselwirkung beschreiben $ {\mathcal {L}}_{NC} $ (neutral current) und $ {\mathcal {L}}_{CC} $ (charged current) die Summanden der Lagrange-Dichte, die die Wechselwirkung zwischen Fermionen und den Eichbosonen enthalten.

Geladene Ströme

Die schwachen geladenen Ströme werden durch folgenden Wechselwirkungsanteil beschrieben:

$ {\mathcal {L}}_{CC}=-{\frac {g}{\sqrt {2}}}\left[\left(J_{d'u}^{\mu }\right)_{L}^{+}+\left(J_{e\nu }^{\mu }\right)_{L}^{+}\right]W_{\mu }^{+}-{\frac {g}{\sqrt {2}}}\left[\left(J_{ud'}^{\mu }\right)_{L}^{-}+\left(J_{\nu e}^{\mu }\right)_{L}^{-}\right]W_{\mu }^{-} $

Die $ W^{\pm } $-Bosonen koppeln mit derselben Kopplungskonstante $ g/{\sqrt {2}} $ an alle linkshändigen Leptonen und Quarks.

Bei der Beschreibung der einzelnen Strömen tritt jeweils der Chiralitätsoperator $ \gamma ^{5} $ auf (dieser transformiert einen polaren in einen axialen Vektor). Bei massiven Teilchen wandelt dieser Teilchenspinoren positiver Helizität in Antiteilchenspinoren negativer Helizität um und umgekehrt ($ \gamma ^{5}\gamma ^{\mu }=-\gamma ^{\mu }\gamma ^{5} $). Daraus lässt sich der Linkshändigkeitsoperator konstruieren:

$ L={\frac {1-\gamma ^{5}}{2}} $

Dieser Operator auf einen Spinor $ u=u_{R}+u_{L} $ angewandt, projiziert auf den linkshändigen Anteil:

$ u_{L}=Lu $

Wegen des Auftretens dieses Operators ist die schwache Wechselwirkung eine chirale Theorie. Der linkshändige Strom

$ J_{L}^{\mu }={\overline {u}}\gamma ^{\mu }{\frac {1-\gamma ^{5}}{2}}u={\frac {1}{2}}\left({\overline {u}}\gamma ^{\mu }u-{\overline {u}}\gamma ^{\mu }\gamma ^{5}u\right)={\frac {1}{2}}\left(J_{V}^{\mu }-J_{A}^{\mu }\right) $

ist die (Halbe) Differenz aus Vektorstrom $ J_{V}^{\mu } $ und Axialvektorstrom $ J_{A}^{\mu } $, deswegen V minus A (siehe: V-A-Theorie).

Schwache geladene linkshändige Quarkströme mit $ u_{i}=\{u,c,t\} $, $ d_{i}=\{d,s,b\} $, $ d_{i}^{\prime }=\{d^{\prime },s^{\prime },b^{\prime }\} $, $ V_{ij}^{\mathrm {CKM} } $ ist die CKM-Mischungsmatrix:

$ {\begin{aligned}\left(J_{d'u}^{\mu }\right)_{L}^{+}&={\overline {d}}_{i,L}^{\prime }\gamma ^{\mu }u_{i,L}={\overline {d}}_{i}\gamma ^{\mu }{\frac {1-\gamma ^{5}}{2}}V_{ij}^{\mathrm {CKM} }u_{j}\\\left(J_{ud'}^{\mu }\right)_{L}^{-}&={\overline {u}}_{i,L}\gamma ^{\mu }d_{i,L}^{\prime }={\overline {u}}_{i}\gamma ^{\mu }{\frac {1-\gamma ^{5}}{2}}V_{ij}^{\mathrm {CKM} }d_{j}\end{aligned}} $

Schwache geladene linkshändige Leptonenströme mit $ e_{i}=\{e,\mu ,\tau \} $, $ \nu _{i}=\{\nu _{e},\nu _{\mu },\nu _{\tau }\} $:

$ {\begin{aligned}\left(J_{e\nu }^{\mu }\right)_{L}^{+}&={\overline {\nu }}_{i,L}\gamma ^{\mu }e_{i,L}={\overline {\nu }}_{i}\gamma ^{\mu }{\frac {1-\gamma ^{5}}{2}}e_{i}\\\left(J_{\nu e}^{\mu }\right)_{L}^{-}&={\overline {e}}_{i,L}\gamma ^{\mu }\nu _{i,L}={\overline {e}}_{i}\gamma ^{\mu }{\frac {1-\gamma ^{5}}{2}}\nu _{i}\end{aligned}} $

An einen $ W $ Vertex muss folgender Faktor multipliziert werden:

$ -\mathrm {i} {\frac {g}{\sqrt {2}}}\gamma ^{\mu }{\frac {1-\gamma ^{5}}{2}} $

Der Propagator für massive (Masse $ M $) Spin-1-Teilchen, wie es die W- und Z-Bosonen sind, lautet:

$ -\mathrm {i} {\frac {\eta _{\mu \nu }-q_{\mu }q_{\nu }/M^{2}}{q^{2}-M^{2}}}\approx \mathrm {i} {\frac {\eta _{\mu \nu }}{M^{2}}} $

Da für die meisten Fälle $ q^{2}\ll M^{2} $ gilt, kann der Propagator genähert werden. Im Gegensatz zum Photonenpropagator $ -{\tfrac {\mathrm {i} \eta _{\mu \nu }}{q^{2}}} $ ist der Propagator $ {\tfrac {\mathrm {i} \eta _{\mu \nu }}{M^{2}}} $ für kleine Impulsüberträge konstant.

Bei kleinen $ q^{2} $-Werten ist die schwache Wechselwirkung viel schwächer als die elektromagnetische. Dies liegt nicht an der Kopplungskonstante der schwachen Wechselwirkung, denn die Kopplungsstärke $ g $ liegt in derselben Größenordnung wie die elektrische Ladung $ e $. Der Grund für die Schwäche der Wechselwirkung liegt in der Gestalt des Propagators der Austauschteilchen, da die riesige Bosonenmasse im Nenner steht und somit den Wechselwirkungsterm herabsetzt.

Die durch ein W-Boson vermittelte Streuung zweier Leptonen, hat eine Streuamplitude (in niedrigster Ordnung) von:

$ T_{fi}={\bar {u}}(p_{f})\left[-\mathrm {i} {\frac {g}{\sqrt {2}}}\gamma ^{\mu }{\frac {1-\gamma ^{5}}{2}}\right]u(p_{i})\left[-\mathrm {i} {\frac {\eta _{\mu \nu }-q_{\mu }q_{\nu }/M_{W}^{2}}{q^{2}-M_{W}^{2}}}\right]{\bar {u}}(k_{f})\left[-\mathrm {i} {\frac {g}{\sqrt {2}}}\gamma ^{\nu }{\frac {1-\gamma ^{5}}{2}}\right]u(k_{i}) $

In der genäherten Form

$ {\begin{aligned}T_{fi}&\approx -\mathrm {i} \underbrace {{\bar {u}}(p_{f})\left[\gamma ^{\mu }{\frac {1-\gamma ^{5}}{2}}\right]u(p_{i})} _{(j_{L})^{\mu }}\underbrace {\left[{\frac {g^{2}}{2M_{W}^{2}}}\right]} _{4G_{F}/{\sqrt {2}}}\underbrace {{\bar {u}}(k_{f})\left[\gamma _{\mu }{\frac {1-\gamma ^{5}}{2}}\right]u(k_{i})} _{(j_{L})_{\mu }}\end{aligned}} $

wird die Streuamplitude durch die Kopplung zweier linkshändiger Ströme mittels einer Kopplungskonstanten beschrieben. Dies wurde von Enrico Fermi durch die Fermi-Wechselwirkung, und zwar als Wechselwirkung von vier beteiligten Teilchen an einem Raumzeitpunkt, beschrieben. Die Fermi-Konstante hat den Wert $ {\frac {G_{\text{F}}}{(\hbar c)^{3}}}=1{,}1663787(6)\cdot 10^{-5}\,\mathrm {GeV} ^{-2} $.

Neutrale Ströme

Die schwachen neutralen Ströme werden durch den folgenden Wechselwirkungsanteil beschrieben:

$ {\begin{aligned}{\mathcal {L}}_{NC}&={\frac {g}{\cos \theta _{W}}}J_{\mu }^{NC}Z^{\mu }\\&={\frac {g}{\cos \theta _{W}}}\left(J_{\mu }^{3}-\sin ^{2}\theta _{W}J_{\mu }^{em}\right)Z^{\mu }\end{aligned}} $

Erläuterung: Die $ Z $-Bosonen koppeln mit der Kopplungskonstante $ g/\cos \theta _{W} $ an den neutralen Strom $ J_{\mu }^{NC}=J_{\mu }^{3}-\sin ^{2}\theta _{W}J_{\mu }^{em} $. Dieser setzt sich zusammen aus einem Isospin-Strom $ J_{\mu }^{3} $ und dem elektromagnetischen Strom $ J_{\mu }^{em} $.

  • Der Isospin-Strom berechnet sich über:
$ J_{\mu }^{3}=\sum _{f}I_{f}^{3}{\overline {f}}\gamma _{\mu }\left({\frac {1-\gamma ^{5}}{2}}\right)f $
mit
  • der Spinor-Wellenfunktion $ f $ des Fermions
  • der dritten Komponente $ I_{f}^{3} $ des schwachen Isospins, die wie folgt berechnet wird:
$ I_{f}^{3}=+{\frac {1}{2}} $   für $ \{u_{i}\} $ und $ \{\nu _{i}\} $
$ I_{f}^{3}=-{\frac {1}{2}} $   für $ \{d_{i}\} $ und $ \{e_{i}\} $
Wegen des Linkshändigkeits-Operators $ {\tfrac {1-\gamma ^{5}}{2}} $ koppelt das $ Z $-Boson über den Isospin-Strom also nur an die linkshändigen Anteile von Fermionen.
  • Der elektromagnetische Strom berechnet sich gemäß
$ J_{\mu }^{em}=\sum _{f}q_{f}{\overline {f}}\gamma _{\mu }f $
mit der elektrischen Ladung $ q_{f} $ des beteiligten Fermions.

Bei der Berechnung von Streuquerschnitten mit Hilfe von Feynman-Diagrammen muss für jeden $ Z $-Vertex der Faktor $ -{\frac {\mathrm {i} g}{\cos \theta _{W}}}\gamma ^{\mu } $ mit einem weiteren Faktor multipliziert werden, der von der beteiligten Teilchenart abhängt. Er lautet

  • $ +{\frac {1}{2}}\left({\frac {1-\gamma ^{5}}{2}}\right)\pm \,0\,\sin ^{2}\theta _{W} $   für ungeladene Leptonen (Neutrinos) mit der Ladung $ \pm 0\;e $, d. h. für $ \{\nu _{i}\} $
  • $ -{\frac {1}{2}}\left({\frac {1-\gamma ^{5}}{2}}\right)+\,1\,\sin ^{2}\theta _{W} $   für geladene Leptonen (Elektron, Myon, Tauon) mit der Ladung $ -1\;e $, d. h. für $ \{e_{i}\} $
  • $ +{\frac {1}{2}}\left({\frac {1-\gamma ^{5}}{2}}\right)-{\frac {2}{3}}\sin ^{2}\theta _{W} $   für Quarks mit Ladung $ +{\frac {2}{3}}\;e $, d. h. für $ \{u_{i}\} $
  • $ -{\frac {1}{2}}\left({\frac {1-\gamma ^{5}}{2}}\right)+{\frac {1}{3}}\sin ^{2}\theta _{W} $   für Quarks mit Ladung $ -{\frac {1}{3}}\;e $, d. h. für $ \{d_{i}^{\prime }\} $ .

Bei den letzten drei Faktoren treten Summanden ohne den Linkshändigkeits-Operator auf. Diese Z-Kopplungen wirken damit sowohl auf links- und rechtshändige Anteile der beteiligten Fermionen.

Bei den Neutrinos $ \{\nu _{i}\} $ koppeln also nur die linkshändigen Anteile an das Z-Boson. Dagegen koppeln bei den geladenen Fermionen $ \{u_{i}\} $, $ \{d_{i}\} $ und $ \{e_{i}\} $ sowohl links- als auch rechtshändige Anteile an das Z-Boson. Bei der Streuung geladener Fermionen kann somit neben der Wechselwirkung über ein elektromagnetisches Feld auch eine Wechselwirkung über das Feld des ungeladenen Z-Bosons stattfinden. Sind die beteiligten Teilchenenergien allerdings klein im Vergleich zur Ruheenergie des Z-Bosons, so überwiegt bei Streuprozessen die elektromagnetische Wechselwirkung.

Kombination der elektromagnetischen und neutralen Ströme

In der elektroschwachen Theorie lassen sich elektromagnetische und schwache neutrale Ströme kombinieren. Statt elektromagnetische Ströme an Photonen und schwache neutrale Ströme an Z-Bosonen

$ {\mathcal {L}}_{em,NC}=eJ_{\mu }^{em}A^{\mu }+{\frac {g}{\cos \theta _{W}}}\left(J_{\mu }^{3}-\sin ^{2}\theta _{W}J_{\mu }^{em}\right)Z^{\mu } $

koppeln nun Isospin-Ströme an $ W_{3} $- und Hyperladungs-Ströme an B0-Bosonen:

$ {\mathcal {L}}_{ew,n}=gJ_{\mu }^{3}W_{3}+{\frac {1}{2}}g^{\prime }J_{\mu }^{Y}B_{0} $

Wobei ein Hyperladungsstrom basierend auf der Hyperladung eines Fermions $ Y_{f}=2(q_{f}-I_{f}^{3}) $ eingeführt wurde:

$ J_{\mu }^{Y}=2\left(J_{\mu }^{em}-J_{\mu }^{3}\right)=\sum _{f}Y_{f}{\overline {f}}\gamma _{\mu }f $

Der Zusammenhang der Eichbosonen ist gegeben über den Weinbergwinkel $ \theta _{W} $:

$ \gamma =B^{0}\cos \theta _{W}+W^{0}\sin \theta _{W} $ (wobei $ \gamma $ das Photon ist)

und

$ Z^{0}=-B^{0}\sin \theta _{W}+W^{0}\cos \theta _{W} $

sowie

$ W^{\pm }=-(W^{1}\pm iW^{2})/{\sqrt {2}} $

und der Zusammenhang der beiden schwachen Kopplungskonstanten mit der Elementarladung über:

$ e=g\,\sin \theta _{W}=g^{\prime }\,\cos \theta _{W} $.

Geschichte

Die schwache Wechselwirkung wurde zuerst beim Betazerfall entdeckt (für dessen Geschichte siehe den Artikel Betazerfall).[4] Die Entdeckung, dass der Betazerfall ein kontinuierliches Spektrum zeigte und scheinbar die Energieerhaltung verletzte, führte Wolfgang Pauli 1930 zur Postulierung des Neutrinos als drittem Zerfallspartner. Darauf aufbauend formulierte, nachdem 1932 auch noch das Neutron entdeckt worden war, Enrico Fermi 1934 eine erste Theorie des Betazerfalls.[5] Sie hatte einen ähnlichen Aufbau wie die Quantenelektrodynamik (QED), aber die Form einer Stromkopplung mit verschwindender Reichweite und mit einer dimensionsbehafteten Kopplungskonstante. Sie war im Gegensatz zur QED nicht renormierbar. Weitere Fortschritte in den 1930er Jahren waren die Auswahlregeln von George Gamow und Edward Teller (Gamow-Teller-Übergänge, 1936) und die Entdeckung der Rolle der schwachen Wechselwirkung bei der Nukleosynthese in Sternen durch Gamow und Hans Bethe (1938) und bei der Bildung von Neutronensternen in Supernovae (Robert Oppenheimer, Lew Landau). Außerdem wurden bis in die 1950er Jahre neue schwache Prozesse entdeckt wie die Zerfälle von Myonen, Pionen, Kaonen und Hyperonen.

In den 1950er Jahren wurde die Paritätsverletzung der schwachen Wechselwirkung entdeckt (theoretisch vorgeschlagen von Tsung-Dao Lee, Chen Ning Yang 1956, experimentell entdeckt durch Chien-Shiung Wu 1957). Das wurde in der V−A-Theorie (V-minus-A-Theorie) der schwachen Wechselwirkung von Richard Feynman und Murray Gell-Mann einerseits und Robert Marshak und George Sudarshan andererseits 1958 eingebaut, ein wichtiger Schritt zur modernen Theorie der schwachen Wechselwirkung im Standardmodell. Dazu trugen Sheldon Lee Glashow, Abdus Salam und Steven Weinberg mit der Vereinigung von elektromagnetischer und schwacher Wechselwirkung Ende der 1960er Jahre bei (mit Einführung massiver Vektorbosonen, deren Austausch die punktförmige Wechselwirkung in der Fermi-Theorie ersetzte), sowie Makoto Kobayashi and Toshihide Maskawa mit dem Einbau der 1964 von James Cronin und Val Fitch entdeckten CP-Verletzung in die Theorie über ihre KM-Matrix bzw. CKM-Matrix (zusätzlich nach Nicola Cabibbo, der zur Beschreibung schwacher Zerfälle seltsamer Teilchen 1963 den Cabibbo-Winkel einführte).

Einordnung

Schritte zur Weltformel (Theory of everything)
Starke
Wechselwirkung
Elektrostatik Magnetostatik Schwache
Wechselwirkung
Gravitation
Elektromagnetische
Wechselwirkung
Quantenchromodynamik Quantenelektrodynamik Allgemeine
Relativitätstheorie
Elektroschwache Wechselwirkung Quantengravitation
Standardmodell
Große vereinheitlichte Theorie
Weltformel: Stringtheorie, M-Theorie, Schleifenquantengravitation
Anmerkung: Theorien in frühem Stadium der Entwicklung sind blau hinterlegt.

Siehe auch

Literatur

  • B. Povh, K. Rith, C. Scholz, F. Zetsche: Teilchen und Kerne. 8. Auflage. Springer, Berlin 2009, ISBN 978-3-540-68075-8
  • C. Berger: Elementarteilchenphysik. 2. Auflage. Springer, Berlin 2006, ISBN 978-3-540-23143-1
  • E. A. Paschos: Electroweak Theory. 1. Auflage. Cambridge University Press, Cambridge 2007, ISBN 978-0-521-86098-7
  • Gernot Münster: Von der Quantenfeldtheorie zum Standardmodell. 1. Auflage. de Gruyter, 2019, ISBN 978-3-11-063853-0

Einzelnachweise

  1. Physical Contants. Particle Data Group, 2020, abgerufen am 29. April 2020 (Lua-Fehler in Modul:Multilingual, Zeile 149: attempt to index field 'data' (a nil value), sin2θW = 0,23121(4)).
  2. J. Beringer et al., Particle Data Group, PR D86, 010001 (2012), THE CKM QUARK-MIXING MATRIX
  3. Fogli et al. (2012): Global analysis of neutrino masses, mixings and phases: entering the era of leptonic CP violation searches, arxiv:1205.5254v3
  4. Eine Übersicht gibt auch Paul Langacker in diesem Vortrag, STIAS, Januar 2011
  5. Fermi, Versuch einer Theorie der beta-Strahlen. I, Zeitschrift für Physik, Band 88, 1934, S. 161, in Italienisch erschienen als: Tentativo di una teoria dei raggi β, Il Nuovo Cimento, Band 11, 1934, S. 1–19.